Online-Musikdienst Emusic kündigt Vielnutzern

Emusic.com, wegen eines unbeschränkten Abo-Angebots für MP3-Dateien bei vielen Nutzern beliebt, ging gegen zahlreiche Kunden wegen angeblichen Missbrauchs vor.

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Von
  • Janko Röttgers

Seit Mitte der Woche mehren sich die Klagen enttäuschter Emusic-Kunden. Auch Leser von heise online beschwerten sich bereits über ihrer Ansicht nach unberechtigte Kündigungen durch den Online-Musikdienst, und auf der inoffiziellen Emusic-Mailingliste herrscht Aufruhr. Viele Teilnehmer hatte der Anbieter in den letzten Tagen rausgeschmissen, da sie angeblich gegen die Geschäftsbedingungen des Angebots verstoßen haben.

Emusic ist eines der wenigen legalen Musik-Angebote im Netz, das auf ungeschützte MP3s setzt. Für eine Pauschale von 10 bis 15 US-Dollar pro Monat können sich Abonnenten dort frei aus einem Katalog von mehr als 200 .000 Songs im MP3-Format bedienen. Die meisten verfügbaren Alben stammen von kleineren, unabhängigen Plattenfirmen. Seit dem Juli diesen Jahres umfasst das Angebot jedoch auch rund 1.000 Alben aus dem Back-Katalog der Universal Music Group; der Konzern gibt über Emusic immer mehr Musik aus seiner Backlist frei.

Einzelnen Kunden wird in einem Kündigungsschreiben nun vorgeworfen, den Service durch die Nutzung von automatisierten Download-Hilfen missbraucht zu haben. Der Dienst beruft sich dabei auf Bestimmungen in seinem Emusic Unlimited Subscription Agreement, das jeder User bei Abschluss des Abovertrags akzeptieren muss. Darin heißt es im Abschnitt 5 (Technological and Use Limitations) unter dem Punkt 5.3: "Because the Service is designed for personal sampling and use, you are not allowed to use any automated system for the selection or downloading of files. Emusic reserves the right to immediately and permanently terminate your access to the Service if Emusic believes that you are violating such limitation."

Eine Software, die man unter diese Ausschlussbestimmungen fassen könnte, bietet Emusic aber selbst an; sie ermöglicht beispielsweise den Download kompletter Alben und die beliebige Auswahl von Dateien für den Download, was dann von der Software nach und nach abgearbeitet wird. Bevor Emusic sein eigenes Programm freigab, empfahl der Online-Dienst den Open-Source-MP3-Player Zinf (früher FreeAMP), der ebenfalls den Download kompletter Alben unterstützt und im Unterschied zur Emusic-Software auch für Linux vorliegt.

Tatsächlich erklärte einer der jetzt gekündigten Nutzer gegenüber heise online, er habe sich für den Download ein einfaches Perl-Skript programmiert. Dies habe er jedoch nur genutzt, weil Emusic seit Anfang Oktober keinen funktionierenden Download-Manager mehr für Linux anbiete. Aber nicht nur Kunden, die durch solche Vorgehensweisen auch auf Nicht-Windows-Systemen den Dienst komfortabel einsetzen wollten, wurde gekündigt: Andere Nutzer berichteten, lediglich die offizielle Emusic-Software eingesetzt zu haben.

Von Emusic gab es keine offizielle Stellungnahme zum genauen Umfang der Kündigungsmaßnahme. Auf Nachfrage hieß es jedoch, die Nutzer hätten ihre Kündigung möglicherweise auch durch "andere Aktivitäten, die den für einen persönlichen Gebrauch verhältnismäßigen Rahmen übersteigen", zu verantworten. Die Betroffenen glauben deshalb, dass die Kündigungen darauf abzielten, sich der aktivsten Nutzer des Angebots zu entledigen. Viele Abonnenten fühlen sich nun von Emusic getäuscht, schließlich seien ihnen "unbegrenzte Downloads" versprochen worden. Ein betroffener Nutzer aus Deutschland dazu gegenüber heise online: "Ich habe ca. 16 GByte Musik gezogen, das sind fast 4.400 Titel. Sicherlich etwas viel, aber 'flat' ist eben in meinen Augen 'flat'."

Tatsächlich sind derart aktive Nutzer für Emusic ein Verlustbringer. Zwar werden die Plattenfirmen lediglich prozentual an den erzielten Einnahmen beteiligt. Emusic muss jedoch pro heruntergeladenem Song Gebühren an die Verwertungsgesellschaften entrichten. So verlangt etwa die Harry Fox Agency acht Cent pro MP3-Download. Zusätzlich werden noch Zahlungen an die Verwertungsgesellschaften ASCAP und BMI fällig.

Der Konflikt fällt ausgerechnet in eine Zeit, in der die Zukunft des Angebots selbst ungewiss ist. Emusic wurde im Frühjahr 2001 von Vivendi Universal aufgekauft und später in dessen Internet-Einheit eingegliedert. In den letzten Tagen hatte Vivendi jedoch angekündigt, sich aus Kostengründen von einigen seiner Internet-Projekte trennen zu wollen. Auf dem Prüfstand steht dabei neben MP3.com und Rollingstone.com auch Emusic. An der von Vivendi in Zusammenarbeit mit Sony betriebenen Musik-Abo-Plattform Pressplay will man jedoch offenbar festhalten. Eine Prioritätensetzung, die nicht unbedingt etwas mit dem Erfolg der Angebote zu tun hat: Emusic kann nach eigenen Angaben mittlerweile 60.000 zahlende Abonnenten verzeichnen. Pressplay macht zu seinem Kundenstamm keine Angaben. Branchenexperten gehen jedoch davon aus, dass sich bisher weniger als 40.000 Abonnenten für das Angebot begeistern konnten. Das soll sich nach dem Willen der Label-Oberen unter anderem dadurch ändern, dass Pressplay ebenso wie die Konkurrenz von Musicnet bald Songs aller fünf Majors anbieten kann -- zumindest in den USA, denn europäische Kunden sind bei beiden Diensten bislang außen vor. Das ist bei Emusic anders -- ebenso wie bei dem umstrittenen Dienst weblisten.com, der zudem nicht nur kleine Labels und die Backlist von Universal im Angebot hat. (Janko Röttgers) / (jk)