Mithören am Telefon kann verfassungswidrig sein

Das Mithören von Telefongesprächen über eine Freisprechanlage kann das Persönlichkeitsrecht des Anrufers verletzen, entschied das Bundesverfassungsgericht.

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  • dpa

Das Mithören von Telefongesprächen über eine Freisprechanlage kann das Persönlichkeitsrecht des Anrufers verletzen. Mit diesem am heutigen Donnerstag veröffentlichten Beschluss hob das Bundesverfassungsgericht ein anders lautendes Urteil des Landgerichts Heilbronn auf. Die Karlsruher Richter gaben zwei Beschwerdeführern Recht, deren Telefonate mit Vertragspartnern von Zeugen mitgehört wurden. Als sie anschließend in Prozesse verwickelt wurden, sagten die Lauscher vor Gericht aus. Die Aussagen hätten vor Gericht nicht verwertet werden dürfen, weil das Recht am gesprochenen Wort verletzt sei, befanden die Verfassungsrichter.

Im ersten Fall ging es um einen Gebrauchtwagenkauf in der Region Heilbronn. Der Käufer wollte das Auto wegen einiger Mängel zurückgeben und verhandelte darüber mit dem Händler. Dieser soll die Rückabwicklung am Telefon zugesagt haben, bestritt dies aber später. Im anschließenden Prozess bot der Käufer seine Mutter als Zeugin auf, die das fragliche Gespräch mitgehört haben soll. Das Landgericht Heilbronn gab dem Käufer Recht.

Im zweiten Fall stritten die Beteiligten um die Abwicklung eines Mietvertrags. Der Vermieter benannte zum Beweis für eine telefonischen Zahlungszusage des Mieters seine Tochter -- sie hatte ebenfalls mitgehört.

Nach den Worten des Ersten Senats ist durch die Erhebung und Verwertung der Zeugenaussagen das Persönlichkeitsrecht der Betroffenen verletzt worden. Die Karlsruher Richter machten allerdings deutlich, dass den Gerichten nicht generell der Zugriff auf solche Aussagen verwehrt ist. Zur Aufklärung schwerer Straftaten, zur Verfolgung von Erpressern oder anonymen Anrufern können selbst heimliche Tonbandaufnahmen zulässig sein. "Demgegenüber reicht allein das Interesse, sich ein Beweismittel für zivilrechtliche Ansprüche zu sichern, nicht aus", heißt es in dem Beschluss. Dennoch verwies das Gericht die Verfahren zur neuen Verhandlung zurück.

Das Recht am gesprochenen Wort, so der Erste Senat, umfasst auch die "Selbstbestimmung" über den Kreis der Gesprächspartner. Das Grundrecht schütze die Betroffenen davor, dass ihr Gesprächspartner heimlich weitere Personen mithören lasse. Der Sprecher müsse sich auf mögliche Folgen seiner Äußerungen einstellen können -- zumal dann, wenn mögliche Rechtsstreitigkeiten drohten.

Dabei spielt es nach Ansicht des Gerichts keine Rolle, dass Freisprechanlagen weit verbreitet sind. Der Schutz vor Mithörern setzt auch nicht voraus, dass Vertraulichkeit vereinbart wurde. Eine stillschweigende Einwilligung des Anrufers kann selbst dann nicht unterstellt werden, wenn er von der technischen Mithörmöglichkeit am anderen Ende der Leitung weiß. (Aktenzeichen 1 BvR 1611/96 u. 805/98 -- Beschluss vom 9. Oktober 2002) (dpa) / (jk)