Wissenschaftspublikationen: Open Access führt nicht zu Qualitätsverlusten​

Laut einer Meta-Analyse führt die freie Verfügbarkeit wissenschaftlicher Studien zu einem verstärkten Wissenstransfer, aber nicht unbedingt zu mehr Zitaten.​

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 13 Kommentare lesen
DNA-Strang

Ein Modell eines menschlichen DNA-Stranges mit der doppelten Helix-Struktur.

(Bild: dpa, Matthew Fearn/PA/epa/dpa)

Lesezeit: 3 Min.

Der freie Zugang zu wissenschaftlichen Veröffentlichungen führt einer Studie zufolge zu einer stärkeren Verbreitung für ein fachlich und geografisch diverseres Publikum. Zugleich trägt er stärker zum Wissenstransfer bei als traditionell herausgegebene Forschungsergebnisse. Dies geht aus der jetzt publizierten Studie über "Wirkungen von Open Access" der Technischen Informationsbibliothek (TIB) Hannover hervor.

Die Autoren haben für die Untersuchung im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) insgesamt 318 wissenschaftliche Studien aus den Jahren 2010 bis 2021 ausgewertet, die sich empirisch mit dem vergleichsweise jungen Publikationsansatz auseinandersetzen. Daraus wählten sie 61 besonders relevante Arbeiten für einen systematischen Vergleich aus, analysierten sie im Detail und stellten die verschiedenen Resultate einander gegenüber.

Das Ergebnis bestätigt die betrachtete Literatur mehrere zu erwartende Vorteile von Open Access. So verkürzte sich etwa auch der Publikationsprozess, also die Zeit zwischen Einreichung und Annahme beziehungsweise Veröffentlichung von Artikeln. Parallel konnten die Verfasser nach eigenen Angaben einige vermutete negative Befürchtungen in Bezug auf die Folgen des Modells wie eine geringere Qualität von Open-Access-Publikationen und Nachteile beim Verkauf von Druckausgaben entkräften.

Als überraschend wertet Hauptautor David Hopf von der TIB, das auch als Leibniz-Informationszentrum Technik und Naturwissenschaften fungiert, dass ein vielfach genannter Bonus freier Wissenschaftspublikationen nicht direkt habe bestätigt werden können. So werde oft erwartet, dass solche Veröffentlichungen häufiger zitiert werden als ihre hinter einer Paywall stehenden Pendants.

Darauf fänden sich zwar Hinweise in den meisten beobachteten Studien, weiß der Wissenschaftsphilosoph. Ein "nicht zu vernachlässigender Teil" der Literatur weiche jedoch von diesem Ergebnis ab, sodass die These "nicht eindeutig empirisch bestätigt werden kann". Angesichts deren hoher Plausibilität und "methodischer Schwierigkeiten in diesem Bereich" sei ein Zitationsvorteil aber weiterhin zu vermuten.

Nur ein Resultat zeigt den Autoren zufolge einen negativen Effekt von Open Access: Wo Herausgeber spezielle Publikationskosten in Form von "Article Processing Charges" (APCs) erheben, könnten Autoren mit geringeren Ressourcen etwa aufgrund der Einkommensverhältnisse in manchen Weltregionen oder fehlender institutioneller Förderung von einer Veröffentlichung abgehalten werden. Dies liege aber nicht am Open-Access-Konzept an sich, sondern an einem "bestimmten Geschäftsmodell zur Finanzierung" solcher Publikationen.

Für Marco Tullney, der als Leiter Publikationsdienste an der TIB für die Studie verantwortlich ist, zeigen die Resultate, "dass das Ziel einer weitgehenden Transformation zu Open Access, dem sich die deutschen Wissenschaftsorganisationen verschrieben haben, der richtige Weg ist". Es gelte, diesen auszubauen und den ausgemachten Ungleichheiten mit entsprechenden Maßnahmen zu begegnen.

Den freien Zugang zu wissenschaftlichen Studien wollte die Bundesregierung schon 2017 mit ihrem ersten Aktionsplan für offenes Regierungs- und Verwaltungshandeln ("Open Government") zu einem Standard machen, "damit die Öffentlichkeit besser an den Ergebnissen öffentlich finanzierter Forschung Teil haben kann". Das aktuelle Ampel-Bündnis will Open Access "als gemeinsamen Standard etablieren", sich zugleich aber "für ein wissenschaftsfreundlicheres Urheberrecht" einsetzen. Der Börsenverein des deutschen Buchhandels sieht das "sehr kritisch". Gegner von Open Access wie der Germanist Roland Reuß sahen mit dem Modell anfangs "das Urheberrecht insgesamt infrage" gestellt.

(vbr)