Fedora 36 im Test: Wayland jetzt auch mit Nvidia-Treibern

Das neue Fedora-Release besticht mit einem frischeren Look und globalem Dark Mode. Die Linux-Distribution wird ihrem Ruf als Vorreiter bei Innovationen gerecht.

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Von
  • Thorsten Leemhuis
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Zu den Highlights von Fedora Linux 36 zählt die jüngst freigegebene Desktop-Umgebung Gnome 42, die ein komfortableres Screenshot- und Screencast-Werkzeug mitbringt. Das für Anfang Mai erwartete Fedora nutzt standardmäßig den einfachen Editor, der bei dieser Gnome-Version hinzustieß, und löst damit Gedit ab. Als Standard-Terminal dient indes weiter Gnome-Terminal und nicht das ebenfalls neue, ziemlich simple "Console". Fedora 36 eignet sich für Nutzer, die Wert auf ein zuverlässiges System legen und häufige Updates nicht scheuen.

Der Desktop und seine Anwendungen wirken aufpoliert und frischer. Das liegt vor allem an Stilanpassungen, die mit dem Umstieg auf die von vielen Gnome-Anwendungen verwendete Bibliothek libadwaita einhergehen. Dieser Gnome-spezifische Überbau für GTK4 verhilft zu einem konsistenteren Look, schneidet zugleich aber alte Zöpfe ab, weil libadwaita das Adwaita-Design fest vorschreibt; dadurch entfällt die Möglichkeit, das Aussehen jenseits von Farben und Schriftarten über Themes anzupassen. Angedacht ist, das wieder zu ermöglichen, dennoch hat die Entscheidung zu allerlei Kritik geführt – vor allem von Machern einiger auf Gnome aufbauenden Desktop-Umgebungen. Der Umbau gestattet den Gnome-Entwicklern aber zugleich, ein lange gewünschtes Feature endlich sauber zu implementieren: einen globalen Dark Mode, der viele Gnome-Apps und selbst Firefox in einen dunkleren Oberflächenstil schaltet.

Fedora setzt durch und durch auf Gnome 42 mitsamt dessen neuen Screenshot-Tool.

Gnome ist wie üblich der Standard-Desktop bei der "Fedora Workstation" genannten Hauptausgabe der Distributionsfamilie. Die "Fedora KDE Plasma Desktop Edition" nutzt die aktuelle Version 5.24 von Plasma. Die ist Nutzern der vorherigen Fedora-Releases bereits bekannt, denn die Entwickler des Fedora-Projekts reichen neue Plasma-Versionen über die Systemaktualisierung nach.

Die Variante "Fedora LXQt Desktop" verwendet jetzt die im Herbst veröffentlichte Version 1.0 der Bedienoberfläche, die aus LXDE und Razer-QT hervorging. Neben diesen drei Varianten gibt es noch zahlreiche weitere Ausführungen von Fedora Linux 36, etwa mit Cinnamon, Mate, Xfce oder dem i3 Tiling Window Manager.

Die meisten Fedora-Varianten bringen die Bedienoberfläche mithilfe von X11-Protokoll und dem X-Server Xorg auf den Schirm, denn anders können sie es gar nicht. Gnome und KDE Plasma beherrschen diesen traditionellen Ansatz auch, erledigen das aber standardmäßig mit Wayland. Diese Betriebsart aktiviert Gnome nun auch beim Einsatz des neuesten proprietären Nvidia-Treibers, anders als bei Ubuntu Desktop 22.04. Im Test fielen dabei keine Probleme auf, aber bei solchen Technikwechseln treten hie und da oft welche hervor. In dem Fall können Nutzer am Anmeldemanager schnell zum gewohnten X11-Modus zurückschalten.

Nvidias Treiber gelangen bei Fedora Workstation wie gewohnt leicht über die grafische Software-Verwaltung auf die Platte, sofern man die Verwendung von "Drittanbieter-Softwarequellen" während der Ersteinrichtung oder nachträglich über die Software-Verwaltung aktiviert. Damit Fedora den Treiber auch nutzt, muss man Secure Boot allerdings via BIOS-Setup oder mit dem Befehl mokutil --disable-validation lahmlegen.

Nvidias proprietäre Grafiktreiber oder Steam sind leicht und schnell nachrüstbar, wenn man die Drittanbieter-Quellen bei der Ersteinrichtung aktiviert.

Wer die externen Paketquellen einschaltet, kann darüber auch leicht Steam nachinstallieren. Sogar eine Handvoll Flathub-Anwendungen sind dann schnell nachrüstbar, darunter Skype, Teams und Zoom. Für Zugriff auf das volle Flathub-Angebot muss man das Depot jedoch regulär einrichten, denn Fedora filtert das Angebot. Dann stehen dort auch Anwendungen wie VLC zur Verfügung, die durch Patente geschützte und daher von Fedora nicht unterstützte Audio- und Video-Formate wiedergeben; wer diese lieber als klassisches Paket möchte, sollte RPM Fusion einbinden. Durch derlei ist Fedora ein wenig komplizierter als Ubuntu, außerdem ist es etwas schwerer, bei Problemen Hilfe im Netz zu finden. Insgesamt ist Fedora aber fast so einsteigerfreundlich wie Ubuntu.

Neue Standardschriftart ist Googles Noto, das diese Position beim KDE-Projekt schon viele Jahre innehat. Der Wechsel zeigt sich bei Fedora Workstation aber nur bei genauerem Hinsehen, etwa in Thunderbird und Firefox, wenn Webseiten keinen Font vorgeben. Gnome selbst schert sich kein bisschen um den Wechsel, denn es greift zu eigenen Default-Schriften.

Ganz ohne Desktop arbeitet "Fedora Server", das auch zu einer Hauptausgabe von Fedora zählt. Zur einfachen Einrichtung und Wartung ist Cockpit vorinstalliert: Das per Webbrowser bedienbare Administrationstool dient zur grafischen Konfiguration und erleichtert Dateifreigaben via NFS oder Samba. Das Fedora-Projekt versorgt diese und alle andere Varianten voraussichtlich 13 Monate lang mit Aktualisierungen.

Fedora ist keine Rolling-Release-Distribution, daher bleiben Gnome, LibreOffice 7.3 und viele andere mitgelieferte Software auf dem jetzigen Versionsniveau. Wie das KDE-Plasma-Beispiel schon andeutet, hebt Fedora manche Komponenten trotzdem regelmäßig auf einen frischen Stand – bevor das passiert, lässt Fedora neue Versionen aber länger Abhängen als etwa Arch Linux. Diese moderate Update-Politik fährt Fedora sogar beim zentralen Bauteil der Distribution: dem Kernel, der Linux-Distributionen mit dem Gros der Treiber versorgt. Er fußt auf dem erst Mitte März freigegebenen Linux 5.17. Schon jetzt ist Fedora 36 damit Ubuntu 22.04 rund 20 Wochen voraus, denn Ubuntu setzt noch auf 5.15. Dort fehlen daher einige größere und Tausende kleinere zwischenzeitlich vorgenommene Änderungen, die die Hardware-Kompatibilität verbessern, beispielsweise zahlreiche Anpassungen, die Suspend-Probleme bei Ryzen-Notebooks beseitigen oder Zusammenarbeit und Performance von Systemen mit Intel-Alder-Lake-Prozessoren optimieren. Einige ausgewählte Anpassungen werden zwar von Ubuntu rückportiert, aber längst nicht alle.

Fedora 36 wird ähnlich wie Arch Linux oder openSUSE Tumbleweed ungefähr alle zwei Monate frischere Linux-Versionen wie 5.18, 5.19 und 6.0 als reguläres Update nachlegen. Dadurch lernt die Distribution nach und nach, bislang nicht oder nur dürftig unterstützte Hardware ordentlich anzusprechen. Gerade bei jetzt brandneuen oder erst in den kommenden Monaten erscheinenden PCs, Notebooks und Bauteilen macht das schnell den Unterschied zwischen "geht einfach" und "stundenlanges Fummeln".

Ähnlich verhält es sich mit der für Spieletauglichkeit und 3D-Performance wichtigen Grafikbibliothek und -Treibersammlung Mesa, die unter anderem die 3D-Treiber für AMD- und Intel-GPUs stellt. Fürs Erste verwenden Fedora und Ubuntu beide Mesa 22.0. Fedora dürfte im Jahresverlauf jedoch ein paar Mal nachlegen und so bei der Systemaktualisierung wahrscheinlich die für das zweite und dritte Quartal geplanten Mesa-Versionen erhalten. Bei Fedora verbessert sich so mit der Zeit das Zusammenspiel gerade mit modernsten Grafikchips, denn bei jedem Quartals-Release lernen die 3D- und Video-Treiber, weitere GPUs anzusprechen. Jede dieser Versionen beseitigt zudem Dutzende bekannter Probleme mit Spielen und steigert ihre 3D-Performance. Insbesondere aktuelle Games profitieren davon oft enorm.

Zum schnellen Auffinden von Dateien und Verzeichnissen auf der Kommandozeile installiert Fedora statt mlocate jetzt das modernere plocate. Die beiden ähneln sich, aber plocate erzeugt den Index deutlich zügiger und legt diesen zugleich erheblich platzsparender ab.

Der Standard-C-Compiler GCC macht einen Sprung von GCC 11 auf Version 12, die Sicherheitsverbesserungen im Gepäck hat und ungefähr zeitgleich zum neuen Fedora erschien. Mit LLVM 14, Glibc 2.35, Python 3.10, Go 1.18, Ruby 3.1 hält die Distribution auch Entwicklungswerkzeuge aktuell. Die Standard-Laufzeitumgebung für Java macht einen Satz von OpenJDK 11 auf 17. Zum Container-Betrieb liegt das jüngst veröffentlichte Podman 4.0 bei, das mit einem zweiten Netzwerkstack neue Ansätze zur Container-Vernetzung offeriert.

Fedora dient als zuverlässiges Arbeitspferd, das durch die moderate Update-Strategie zugleich ziemlich auf der Höhe der Zeit ist. Dadurch stemmt Fedora neue Hardware und Games deutlich besser als Ubuntu, bewegt sich zugleich aber nicht so schnell und viel wie Rolling-Release-Distributionen. Fedora trennt quelloffene und proprietäre Software klar, ohne es dem Nutzer zu schwer zu machen – dadurch ist es fast so einsteigerfreundlich wie Ubuntu und verlangt Nutzern viel weniger ab als noch vor einigen Jahren. Fedora verheiratet Aktualität mit Stabilität und bietet so einen attraktiven Mix.

Fedora Linux 36
Hersteller, URL Fedora-Projekt, getfedora.org
Systemvoraussetzungen Workstation-Variante (64-Bit-x86): 64-Bit-x86-Prozessor, 20 GByte Festplattenspeicher, 2 GByte Arbeitsspeicher, 2GByte USB-Stick
Supportzeitraum circa bis Mai 2023
Preis kostenlos
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(ndi)