Chatkontrolle: EU-Kommission bringt Verordnung für Kinderporno-Scans auf den Weg

Auch verschlüsselte Dienste von WhatsApp, Apple & Signal sollen mit Anordnungen gezwungen werden können, Fotos und Videos von Kindesmissbrauch aufzuspüren.

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Ylva Johansson am Mittwoch in Brüssel.

(Bild: EU-Kommission/Christophe Licoppe)

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Die EU-Kommission hat am Mittwoch den Entwurf einer Verordnung zur Bekämpfung von Kindesmissbrauch veröffentlicht. Damit sollen auch Anbieter verschlüsselter Messenger wie WhatsApp, Signal, Threema oder Apples iMessage dazu gezwungen werden können, Fotos und Videos von Kindesmissbrauch in den Nachrichten ihrer Nutzer ausfindig zu machen sowie gegen Grooming vorzugehen. Zur Koordination mit den Behörden in den Mitgliedsländern soll eine neue EU-Zentralstelle aufgebaut werden.

Folgen die betroffenen Unternehmen einer solchen Vorgabe nicht, drohen ihnen hohe Geldstrafen von bis zu 6 Prozent ihres weltweiten Jahresumsatzes. Welche Techniken dabei zum Einsatz kommen sollen, schreibt die Kommission nicht vor. Sie will sich hier bewusst "neutral" verhalten. Eine umfassende Inhaltekontrolle ist bei Diensten mit Ende-zu-Ende-Verschlüsselung aber derzeit nicht möglich.

Praktisch dürften WhatsApp & Co. daher nicht darum herumkommen, besonders umstrittene Methoden anzuwenden. Sie müssten möglicherwiese ihre kryptografischen Verfahren aufweichen oder andere Lösungen wie einen Hashabgleich oder Scans direkt auf den Endgeräten ("Client-side Scanning", CSS) einsetzen. Ein solches CSS gefährdet laut Experten die Sicherheit der Nutzer massiv und öffnet die Türen für Massenüberwachung.

Zunächst müssen dem Vorschlag der Kommission zufolge alle Anbieter von Hosting- oder interpersonellen Kommunikationsdiensten in der EU eine Risikobewertung zum möglichen Missbrauchs ihrer Dienste für die Verbreitung von Abbildungen sexuellen Kindesmissbrauchs oder für Grooming vornehmen. Sie sollen bereits ergriffene Abhilfemaßnahmen aufzeigen. Anbieter von App-Stores sollen gezwungen werden, eine Altersüberprüfung durchzuführen.

Wenn die bisherigen Aktivitäten der Betreiber in den Augen der zuständigen Behörden nicht ausreichen, können diese eine Anordnung erlassen. Hosting-Anbieter können damit verpflichtet werden, Material über sexuellen Kindesmissbrauch zu löschen oder den Zugang dazu in allen Mitgliedstaaten zu sperren. Zugangsprovider können gezwungen werden, URLs zu blockieren, die auf einschlägige Bilder oder Videos hinweisen, die selbst nicht entfernt werden können.

Die Kommission will auch Rechte der Opfer stärken, deren Missbrauchsdarstellungen noch im Internet kursieren. Sie sollen von der geplanten EU-Zentralstelle informiert werden. Damit könnten sie sich dann auch an die Anbieter der betreffenden Hosting-Dienste wenden oder Hilfe über die zuständigen Ämter in Anspruch nehmen, wenn sie das Löschen oder eine Sperre erwirken wollen.

Die Kommission bemüht sich, ihre Initiative als verhältnismäßig darzustellen. Anordnungen zum Aufdecken von Missbrauchsmaterial "sind zeitlich begrenzt und zielen auf eine bestimmte Art von Inhalten in einem bestimmten Dienst ab", betont die Kommission. Die Anbieter müssten zudem Methoden verwenden, "die nach dem Stand der Technik in der Branche den geringsten Eingriff in die Privatsphäre darstellen" und die Quote von Fehlalarmen "so weit wie möglich begrenzen".

Die EU-Zentralstelle soll von den Anbietern gemeldete Fälle überprüfen, bevor sie sie an die Strafverfolgungsbehörden und Europol weiterleitet. Das neue Amt soll aber direkt bei der EU-Polizeibehörde in Den Haag angesiedelt sein, um Kosten zu sparen und die Kooperation mit den Ermittlern zu verbessern. Sowohl Anbieter als auch Nutzer hätten zumindest das Recht, jede sie betreffende Maßnahme vor Gericht anzufechten.

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"Verschlüsselung ist ein wichtiges Instrument für den Schutz der Cybersicherheit und der Vertraulichkeit der Kommunikation", erklärt die Kommission in einer Frage-Antwort-Liste. "Gleichzeitig könnte ihre Verwendung als sicherer Kanal von Kriminellen missbraucht werden, um ihre Handlungen zu verbergen." Dies würde die Bemühungen behindern, "die Täter des sexuellen Kindesmissbrauchs vor Gericht zu bringen".

Würden durchgängig verschlüsselte Dienste von der Pflicht befreit, gegen die Verbreitung von Missbrauchsmaterial vorzugehen, "hätte dies schwerwiegende Folgen für die Kinder", betont die Kommission. Pro Tag könnten nach Schätzungen des US-amerikanischen National Centre for Missing and Exploited Children (NCMEC) derzeit bis zu 2100 einschlägige Hinweise unterbleiben.

Innenkommissarin Ylva Johansson wandte sich bei der Präsentation des Vorschlags an Missbrauchsopfer direkt: "Ihr sollt diese Albträume nicht noch einmal durchleben müssen." Polizeibeamte versprach sie "bahnbrechende europäische Gesetze, die ihnen helfen, Straftäter zu fassen". 85 Millionen einschlägige Fotos und Videos seien allein 2021 von fünf Unternehmen an das NCEMC gemeldet. Es gebe eine "6000-prozentige Steigerung in der EU".

Die Vorgaben seien "maßgeschneidert", unterstrich die Schwedin. Neben dem EU-Zentrum würden auch Datenschutzbehörden einbezogen. Es gehe nicht um das Ausschnüffeln privater Kommunikation, sondern nur darum, "diese spezifische Inhalte zu finden". Gebraucht werde ein Magnet, der nur die Nadel sehe, nicht das Heu. Was zähle, "ist das Ergebnis".

(vbr)