And now for something completely different – Die Chip-Krise

Eigentlich sollte auf diesem Blog schon längst eine Serie zum Raspberry Pi Zero 2 W beginnen. Doch die Chip-Krise hat dies verhindert.

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(Bild: Rowan Morgan/Shutterstock.com)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Dr. Michael Stal
Inhaltsverzeichnis

Eigentlich sollte auf diesem Blog schon längst eine Serie zum Raspberry Pi Zero 2 W beginnen. Doch die Chip-Krise hat dies verhindert, weil sich momentan kein Raspberry-Pi-Board erwerben lässt; zumindest nicht zu vernünftigen Preisen, also für 15 Euro statt für Wucherpreise um die 50 bis 100 Euro. Woran das liegt, möchte der vorliegende Artikel beleuchten.

Der Pragmatische Architekt – Michael Stal

Prof. Dr. Michael Stal arbeitet seit 1991 bei Siemens Technology. Seine Forschungsschwerpunkte umfassen Softwarearchitekturen für große komplexe Systeme (Verteilte Systeme, Cloud Computing, IIoT), Eingebettte Systeme, und Künstliche Intelligenz. Er berät Geschäftsbereiche in Softwarearchitekturfragen und ist für die Architekturausbildung der Senior-Software-Architekten bei Siemens verantwortlich.

Als wegen des Coronavirus Sars-CoV-2 die jetzige Wirtschaftskrise im Frühjahr 2020 begann, hoffte die Halbleiterindustrie gerade, sich von ihrer eigenen Wirtschaftsflaute zu erholen. Doch das Virus bereitete dieser Hoffnung schon bald ein jähes Ende. Kunden der Chipproduzenten stornierten übereifrig viele Aufträge, etwa die Automobilindustrie. Kurz darauf erholte sich die Nachfrage zwar wieder so stark, dass die Produktionskapazitäten nicht mithalten konnten, aber bis heute leiden viele Branchen und auch die Maker-Szene unter diesem Problem.

Der ein oder andere mag sich noch daran erinnern, dass durch das Corona-indizierte Homeoffice der Bedarf nach Consumer-Electronics (beispielsweise Webcams, Spielekonsolen, Streaming-Hardware) stark anstieg, was das Problem weiter verschärfte.

Von dem Chip-Mangel sind auch zahlreiche Boards aus der Raspberry Pi Familie betroffen

Es gab allerdings parallel zur Pandemie auch noch andere Ursachen.

Pleiten, Pech und Pannen: Im Winter 2021 fielen wegen eines dramatischen Kälteeinbruchs im texanischen Austin mehrere Fabs aus. Zusätzlich gab es in Japan einen Großbrand in einer für die Automobilindustrie wichtigen Halbleiterfabrik. Das alles in einer Zeit, in der wegen Corona ohnehin weniger Arbeitskräfte verfügbar waren. Zu schlechter-letzt kam Ende des Jahres 2021 wegen Komplett-Lockdowns die Halbleiterproduktion im chinesischen Xian zum Stopp.

Donald Trump: Aufgrund der US-Sanktionen und Handelsbeschränkungen gegenüber China durch Präsident Trump sollten chinesische Elektronikhersteller weniger Halbleiterprodukte aus den USA beziehen können. Das brachte die Firmen dazu, zum einen große Hamsterkäufe benötigter Komponenten zu tätigen und zum anderen, sich stärker auf eigene Füße zu stellen.

Bitcoin & Co: Da wäre auch noch der Run auf Kryptowährungen. Dieser Trend hat zu riesigen Serverfarmen geführt, die mit großem Aufwand Mining betreiben, also das energieintensive Erschaffen neuer Bitcoins. Durch den Anstieg der Energiepreise war das Mining schon bald nicht mehr rentabel, weshalb die professionellen Miner ihre Zelte in China aufschlugen, was der chinesische Staat aber sinnvollerweise schon bald unterbunden hat. Um Mining weiterhin rentabel zu gestalten, bedarf es vieler Rechenressourcen in Gestalt von Hochleistungsgrafikkarten. Das führte schon vor der Pandemie zu Engpässen und letztendlich dazu, dass die Preise für Grafikkarten alle Preisindizes nach oben durchbrachen.

Rohstoffe: Eine wichtige Ingredienz zur Fertigung von Halbleiterprodukten sind die dafür benötigten Ressourcen. Damit ist nicht etwa nur Silizium gemeint, das es sprichwörtlich wie Sand am Meer gibt. Für die Veredelung zu Reinstsilizium sind entsprechende Produktionskapazitäten notwendig, und für Elektronik sind seltene Erden und Metalle unabdingbar. Diese sind aber sehr beschränkt auf unserem Planeten verfügbar. Viele Länder und Firmen konkurrieren um sie. Bis zur Entwicklung geeigneter Ersatzstoffe kann es noch eine Weile dauern.

Erst für Ende 2022 haben einige Marktanalysten das Ende dieser Knappheit prognostiziert. Es würden demnach noch einige Monate vergehen, bis sich die Situation wieder einigermaßen beruhigen könnte. Der CEO von Intel, Pat Gelsinger, prophezeit sogar, dass das limitierte Angebot für Chips sich noch bis ins Jahr 2024 erstrecken dürfte. Keine guten Nachrichten also sowohl für die Industrie als auch für Konsumenten.

Was Maker jetzt tun können:

  • Bei Single-Board-Computern wie der Raspberry-Pi-Familie hilft nur, sich bei den bekannten Händlern auf den entsprechenden Online-Seiten anzumelden, um mitzukriegen, dass neue Tranchen zu vernünftigen Preisen wieder verfügbar sind. Erfahrungsgemäß erhalten die größeren Händler immer wieder Lieferungen, die sie aber relativ schnell verkaufen. Allerdings sind Boards wie Raspberry Pi Zero und Zero 2 W jetzt schon über einen längeren Zeitraum nicht mehr in den Lagern der Händler vorzufinden.
  • Im Bereich der Microcontroller-Boards ist die Lage momentan relativ entspannt. Boards wie die der Arduino-Familie, ESP8266- & ESP32-Boards sowie Raspberry Pi Picos sind problemlos verfügbar. Ein Hamstern ist also unnötig. Dennoch empfiehlt es sich, für geplante Projekte die notwendigen Komponenten frühzeitig einzukaufen – sicher ist sicher!
  • Bei den Boards von beispielsweise Microchip oder STM existieren aber durchaus einige Produkte, die voraussichtlich erst 2023 wieder zur Verfügung stehen. Lady Ada von Adafruit gibt dazu einige Hinweise und Informationen in ihrer jungen YouTube-Playlist "Chip Shortage". Unter dem Titel "The Great Search" hat Adafruit in Zusammenarbeit mit Digi-Key weitere YouTube-Videos bereitgestellt. In diesen Episoden erläutert Lady Ada, wie der Maker für bestimmte Funktionalitäten wie etwa Schaltern herausfinden kann, welche konkreten Produkte es gibt, die alle oder die meisten gewünschten Anforderungen erfüllen. Dadurch lassen sich auch Alternativen zu vergriffenen beziehungsweise nicht verfügbaren Bausteinen finden. Diese YouTube-Videos sind zwar weniger unterhaltend, dafür aber sehr informativ und hilfreich. Wer sich dafür interessiert, sollte auf YouTube nach "The Great Search" und "Adafruit" suchen oder den Adafruit-Blog konsultieren.

Die Chip-Krise dürfte uns noch einige Zeit begleiten. Speziell bei der Herstellung leistungsfähigerer und damit komplexerer Chips kommt die momentane Knappheit zum Tragen. Das führt beispielsweise bei Automotive-Anwendungen zu Problemen, aber auch bei Consumer-Produkten.

Zum Glück sind nicht alle Produktkategorien gleichermaßen davon betroffen. Im Microcontroller-Bereich schaut es noch besser aus. Trotzdem erscheint es ratsam, eigene Maker-Projekte bezüglich der Bill of Material rechtzeitig vorab zu planen und die eigene Logistik entsprechend anzupassen. Dieser Blog wird jedenfalls darauf Rücksicht nehmen, zumal es keinen Sinn ergibt, Projekte oder Boards vorzustellen, die der interessierte Maker nicht oder nur zu Wucherpreisen anschaffen kann.

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