c't 3003: Was bei Windows 11 immer noch kaputt ist

Vor über einem halben Jahr hat Microsoft Windows 11 veröffentlicht. Wurden die größten Kritikpunkte inzwischen behoben?

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Lesezeit: 10 Min.
Von
  • Jan-Keno Janssen
Inhaltsverzeichnis

Windows 11 ist nicht sonderlich beliebt. Aber woran liegt das? Hört Microsoft überhaupt auf die Kritik?


Transkript des Videos:

In diesem Video werfen wir mal einen Blick auf Windows 11 ein halbes Jahr nach der Veröffentlichung und schauen, welche der anfänglichen Probleme von Windows 11 inzwischen behoben sind. Also zum Beispiel den Gruppierungszwang in der Taskleiste, die Teams-Verwirrung und die völlig kaputten Widgets. Bleibt dran!

Liebe Hackerinnen, liebe Internetsurfer, herzlich willkommen hier bei…

Vor etwas mehr als einem halben Jahr ist Windows 11 offiziell veröffentlicht worden. Ja, und ich sag mal: Es war nicht das Produkt, das die Welt mit Jubelstürmen gefeiert hat. Die Leute sind nicht sonderlich heiß drauf, und zwar auch heute noch nicht: Schaut man sich die Zahlen von AdDuplex von April 2022 an, die 5000 Microsoft-Store-Apps ausgewertet haben, die auf Rechner mit Windows 10 und 11 laufen – dann kommt Windows 11 nur auf einen Anteil von läppischen 20 %, der Rest ist immer noch Windows 10. Und das hat keine finanziellen Gründe, denn das Update auf Win 11 ist kostenlos – auch wenn Microsoft immer mal wieder damit gedroht hat, man müsse bis zu einem bestimmten Zeitpunkt updaten, danach wird’s kostenpflichtig – hat Microsoft das nie durchgezogen. Stand heute lässt sich auch eine 13 Jahre alte Windows-7-Lizenz gratis auf Win 11 upgraden. Aber viele Leute machen's trotzdem nicht.

Wir haben uns deshalb mal angeschaut, ob das Gemecker der ersten Monate irgendwas gebracht hat, das heißt, ob Microsoft die konstruktive Kritik angenommen hat und Dinge behoben hat. Auf vier Sachen haben wir uns konzentriert:

Wenn die c’t-Redaktion stellvertretend für die restliche Welt steht, dann ist das hier definitiv mit Abstand das größte Problem. Nämlich: Ruft man ein Programm mehrfach auf, also zum Beispiel mehrere Texte in Word gleichzeitig offen hat, dann gruppiert Windows die Icons in der Taskleiste automatisch zusammen – das heißt, dass nur noch ein Icon zu sehen ist, und die einzelnen Instanzen sieht man erst, wenn man mit der Maus drauf geht. Das ist übrigens auch schon in Windows 10 so. AAAABER: In Windows 10 lässt sich diese Funktion ganz einfach abstellen. Einfach Rechtsklick auf Taskleiste, dann "Taskleisteneinstellungen", dann "Schaltflächen der Taskleiste gruppieren" und dann auf "nie".

Bei c’t haben das sehr viele Leute so eingestellt, denn: Arbeitet man mit mehreren Dokumenten leidet die Übersicht enorm, wenn man nicht weiß, welches Dokument welches ist. Man kann das einfach nicht nicht richtig sehen, auch mit der Vorschau nicht. Hier zum Beispiel bei Teams: Welches Fenster ist jetzt nochmal welches? Und ganz allgemein: Das Umschalten dauert in der Praxis länger als bei nicht-gruppierten Icons.

In Windows 11 lässt sich das Problem mit Bordmitteln nicht beheben, es gibt nicht mal irgendwelche Registry-Hacks. Will man das Verhalten ändern, braucht man zusätzliche Software, zum Beispiel Start11 oder StartAllBack. Beide kosten Geld, Start11 mindestens 7,99 Euro, StartAllBack 4,99 US-Dollar. Kostenlos ist der ExplorerPatcher auf GitHub. Ich hab das mal ausprobiert: Klappt ganz gut. ABER: All diese Software greift tief in eure Windows-Installation ein. Sobald Microsoft was patcht, könnte das fiese Probleme geben. Nur, dass ihr gewarnt seid. Das einmal pro Jahr geplante Funktionsupdate 22H2 soll im Spätsommer für Windows 11 kommen; und bislang sieht es nicht so aus, als würde die Option, um den Taskleisten-Gruppierungszwang zu deaktivieren, hier integriert werden.

Bewertung: Microsoft hat kein bisschen reagiert auf die Kritik am Taskleisten-Gruppierungszwang, zumindest gibt es mit dem ExplorerPatcher ein kostenloses, inoffizielles Tool.

Windows 11 hat standardmäßig ein CHAT-Icon auf der Taskleiste, hinter dem sich Teams verbirgt. Wer aber denkt, ah cool, Teams nutze ich eh, brauche ich das nicht installieren: Nein, Pustekuchen, das vorinstallierte ist sehr wahrscheinlich nicht das Teams, das ihr beruflich benutzt – man kann sich daran nämlich nur mit privaten Accounts anmelden. Ja, und Microsoft hat seit neuestem noch mehr Verwirrung in petto. Wenn man nämlich den Client herunterladen will, gibt es den einmal „für zu Hause oder kleine Unternehmen“ und für „Beruf, Schule und Studium“.

Hä? In meiner Logik würde „Zuhause, Schule und Studium“ zusammengehören und halt „Beruf und kleine Unternehmen“. Also quasi Teams für die Freizeit und Teams für die Arbeit. Aber für Microsoft war das offenbar zu logisch, und hat das deshalb komplett verquer zusammengesetzt, sodass zumindest ich nicht mehr weiß, welche Version was ist. Arbeite ich bei einem kleinen Unternehmen? Zumindest laut EU-Definition sind kleine Unternehmen welche, die maximal 10 Millionen Euro Umsatz erwirtschaften. Muss ich also jetzt wissen, wie viel Umsatz mein Arbeitgeber macht, um die richtige Teams-Version auszuwählen? Oder wie? Also wirklich jetzt, bei einer vorinstallierten Software bei dem populärsten Desktop-Betriebssystem der Welt, da sollte man doch vorher vielleicht mal etwas genauer hingucken, ob das alles logisch ist für die Kundschaft?

Eigentlich ist das nämlich ganz einfach zu erklären: Es gibt nämlich einmal das sogenannte MICROSOFT-KONTO und einmal das sogenannte GESCHÄFTSKONTO. Das erste kann man sich als Privatmensch selbst anlegen (früher hieß das „Windows Live-ID“) – und NUR DAS lässt sich mit der vorinstallierten Teams-Version nutzen. Das GESCHÄFTSKONTO dagegen ist ein Konto, das von einer Administratorin oder einem Administrator erstellt wurde; zum Beispiel bei eurem Arbeitgeber, eurer Schule oder eurer Uni. Und das funktioniert dann mit der anderen Teams-Version.

Bewertung: Microsoft hat rein gar nichts verbessert bei der Teams-Verwirrung.

Ja, apropos WENN MAN WAS MACHT, VIELLEICHT KURZ VORHER DRÜBER NACHDENKEN: Auch die sogenannten Widgets sind standardmäßig bei Windows 11 aktiviert. Ja, und es ist einfach so, die Widgets sind nach wie vor ein kompletter Verkehrsunfall. Ah, Verkehrsunfall, das passt gut, denn hier sollten jetzt eigentlich Verkehrsmeldungen stehen. Also SOLLTEN. Stattdessen gibt es dieses geile Icon mit so einem zerrissenen Bild oder was das darstellen soll – das habe ich jedenfalls zum letzten Mal im Internet vor circa 150 Jahren gesehen, wenn da irgendwelche Bilder nicht richtig laden wollten.

Und ich betone nochmal: Das ist hier jetzt nicht irgendwelche Beta-Software, sondern das ist Windows 11 auf dem aktuellen Stand an einer Gigabit-Internetleitung. Tatsächlich tauchte das Verkehrsbild dann auch irgendwann auf – und zwar genau 1 Minute 20 nach dem ersten Widgets-Start und mehrmaligen Aus- und einklappen. So und dann noch: Microsoft, wieso soll ich in Osterode am Harz wohnen? Das ist von meinem echten Standort mehr als 100 Kilometer entfernt. Und meine Adresse habt ihr auch, weil ich sie im Microsoft-Account angegeben habe.

Joah, und dann sind da noch die News: Das ist zu großen Teilen der reinste Klatschpresse-Clickbait-Schrott, und man kann zwar auf „keine News mehr von xy“ anzeigen klicken – nur wird das halt sehr oft ignoriert, sodass man den Kram immer noch sehen muss. Abhilfe: Rechtsklick auf die Taskleiste, Widgets hier auf „aus“. Und weg ist der Kram. Geht übrigens genauso mit diesem komischen „Chat“ aka Teams für zu Hause oder kleine Unternehmen.

Bewertung: Es hat sich nicht geändert mit den schrottigen Widgets.

Ich hatte ja anfangs schon gesagt: Ein Windows-11-Update klappt mit ewig alten Windows-Lizenzen, Microsoft scheint also mit Privatleuten, die Windows selbst installieren, kein Geld verdienen zu wollen. Sondern das Geld kommt von PC-Herstellern und Unternehmen. Und: Langfristig will Microsoft statt mit Lizenzen lieber Geld mit seinen Office-Abos und seinem App-Store (genannt Microsoft Store) verdienen. Und dazu müssen natürlich möglichst alle dazu gezwungen werden, einen Microsoft-Account zu verwenden – ohne Account keine Softwarekäufe oder Abos. Tja, und während in den Anfangszeiten von Windows 11 nur bei der Installation von Windows 11 Home so lange gemeckert wurde, bis man einen Account angegeben oder angelegt hat; wird das künftig auch bei der Pro-Version so sein – bislang konnte man da ganz offiziell Offline-Konten anlegen. Als Trick klappt bislang noch, mehrfach eine falsche Mail-Adresse anzugeben – aber die Frage ist, wie lange noch.

Bewertung: Der Accountzwang wird künftig eher noch schlimmer als besser.

Von den häufig kritisierten Windows-Problembereichen – also die Sachen, die ihr hier so kommentiert oder die sonst die c’t-Redaktion so erreichen, hat Microsoft einfach im ersten halben Jahr gar nichts verbessert. Eigentlich ganz schön schade. Stattdessen gibt es im für den Spätsommer geplanten ersten Feature-Update (auch bekannt als 22H2) irgendwelche ganz anderen Detailverbesserungen, nach denen niemand gefragt hat, wie zum Beispiel eine kleinere Taskleiste für Tablets oder dass die Boot-Animation wieder geändert wurde, statt dem hier gibt es jetzt das hier. Das ist auch ganz nett, aber besser wäre es doch, erstmal die von der Kundschaft geforderten Sachen zu fixen?

Obwohl ich hier natürlich den Finger in die Wunde lege, favorisiere ich Windows 11 dennoch gegenüber Windows 10; und benutze das privat auch (noch!) als Hauptbetriebssystem. Vor allem, weil es einfach DEUTLICH moderner aussieht als Windows 10 und sich schwuppsiger anfühlt. Vor allem ist Windows 10 keine langfristige Alternative, denn es wird nur bis Oktober 2025 Updates geben. Aber wie schon gesagt: Microsoft sollte vielleicht in Zukunft besser auf die Kundschaft hören; denn der Windows-Marktanteil sinkt seit Jahren stetig. Und mit Linux, macOS und ChromeOS gibt es starke Alternativen.


c't 3003 ist der YouTube-Channel von c't. Die Videos auf c’t 3003 sind eigenständige Inhalte und unabhängig von den Artikeln im c’t magazin. Redakteur Jan-Keno Janssen und die Video-Producer Johannes Börnsen und Şahin Erengil veröffentlichen jede Woche ein Video.

(jkj)