Grün gegründet: Der Stoff von Traceless Materials, der sich biologisch abbaut

Die Kreislaufwirtschaft lebt von neuen Ideen und kreativen Köpfen. Jeden Dienstag stellen wir hier ein Greentech-Start-up mit seiner Geschäftsidee vor.

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(Bild: Traceless Materials)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Manuel Heckel
  • Steffen Ermisch

Mitgründer: Anne Lamp

Start-up: Traceless Materials

Gründung: September 2020

Mitarbeiter: 16

Sitz: Hamburg

Geschäftsmodell: Produktion eines pflanzlichen Materials, das Kunststoffe ersetzen soll und auch abseits industrieller Kompostieranlagen von Mikroorganismen zersetzt wird.

Frau Lamp, Ihr Start-up entwickelt eine biologisch abbaubare Plastik-Alternative. Wofür braucht es die, wo sich Kunststoffe doch recyceln lassen?

Anne Lamp von Traceless Materials

(Bild: Traceless)

Es spricht überhaupt nichts dagegen, wenn man Kreisläufe technisch schließt. Im Moment scheitert es aber oft daran, dass Verpackungen aus verschiedenen Kunststoffen zusammengesetzt sind, die nur schwer recycelbar sind. Und oft landen Verpackungen leider nicht in der Gelben Tonne, sondern im Wald oder im Meer.

Aber es gibt doch auch Kunststoffe, die kompostierbar sind. Hergestellt werden daraus zum Beispiel Plastiktüten für den Biomüll.

Das Problem ist, dass diese Tüten nur unter Idealbedingungen in industriellen Kompostieranlagen zersetzt werden. Unser Material baut sich dagegen auch in der freien Natur innerhalb von zwei bis neun Wochen komplett ab. Das ist möglich, weil wir pflanzliche Ausgangsmaterialien nutzen und diese nicht synthetisch polymerisieren. Im Kern extrahieren wir verschiedene Polymerketten, die in der Natur vorkommen, und ordnen sie neu an. Das Prinzip ist vergleichbar mit der Papierherstellung: Da nutzt man Cellulose – ein Bio-Polymer, das Hauptbestandteil von pflanzlichen Zellwänden ist.

Grün gegründet: Start-ups für die Zukunft

Wie funktioniert das technisch?

Wir trennen die einzelnen Bestandteile durch verschiedene verfahrenstechnische Prozessschritte in Fraktionen auf, das sind unsere Basismaterialien. Durch unsere spezielle Auftrennung und Behandlung haben diese Materialien dann verschiedene plastikähnliche Eigenschaften. Sie können je nach Prozesseinstellung für verschiedene Weiterverarbeitungen optimiert werden – zum Beispiel für den Spritzguss, die Extrusion oder für die Beschichtung von Papier.

Warum nutzt das Prinzip bisher noch niemand?

Die Kunststoffindustrie hat immer versucht, Biopolymere so herzustellen, dass sie genauso funktionieren wie bei bestehenden, erdölbasierten Produkten. Unser Ansatz war es dagegen, ein ganzheitlich nachhaltiges Material herzustellen, das im biologischen Kreislauf funktioniert. Und dieses Material verhält sich ähnlich wie Plastik.

Wenn für die Produktion Ihres Materials Pflanzen angebaut werden, kann das neue Probleme erzeugen: Landwirtschaftliche Flächen sind begrenzt – und werden schon für die Lebensmittelproduktion gebraucht.

Wir nutzen – anders als viele Hersteller von "Bio"-Kunststoffen – keine Lebensmittel als Rohstoff, sondern Nebenprodukte der Agrarindustrie, beispielsweise Reste aus der Stärkeproduktion aus Mais. Die werden bisher zur Energieerzeugung oder als Beifutter in der Viehzucht genutzt. Unsere Ökobilanz zeigt, dass durch unsere Aktivitäten kein zusätzlicher Bedarf an Agrarflächen entsteht.

Wann wird es erste Produkte aus Traceless-Material geben?

Noch im Laufe des Jahres. Verpackungen werden das erste Anwendungsfeld sein, weil diese besonders häufig in der Natur landen. Otto beispielsweise wird mit uns Versandtüten herstellen. Es gibt auch ein großes Interesse aus der Lebensmittelindustrie und von Konsumgüterkonzernen. Wir bauen gerade in Buchholz eine Pilotanlage. Dort können wir rund sechs Tonnen im Jahr herstellen. Das ist noch nicht viel – aber es wird reichen, um erste Marktpiloten umzusetzen.

Sie haben ein halbes Jahr nach der Gründung eine erste Finanzierungsrunde unter anderem mit High-Tech-Gründerfonds abgeschlossen. Wie weit trägt Sie das?

Im vergangenen Herbst haben wir zusätzlich eine EU-Förderung in Höhe von 2,4 Millionen Euro erhalten. Darauf haben wir lange hingearbeitet. Die nächste Herausforderung wird es sein, Geld für den Aufbau einer größeren Produktionsstätte einzuwerben. Nur in großtechnischer Produktion können wir preislich konkurrenzfähig sein.

(jle)