Bitcoin-Wertverlust verschärft Finanzkrise in El Salvador

Bitcoin als gesetzliches Zahlungsmittel in El Salvador einzuführen, sei eine schlechte Entscheidung gewesen, meinen Kritiker. Der Kurseinbruch ist ihnen Beweis.

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Proteste gegen das Bitcoin-Gesetz in El Salvador

(Bild: Juan Carlos Caos/Shutterstock.com)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Andreas Knobloch

Der Wertverfall des Bitcoin und damit einhergehend der Kryptowährungsreserven des Landes verschärft die "tiefste Finanzkrise, die El Salvador in den letzten Jahrzehnten erlebt hat". Das sagte die salvadorianische Wirtschaftswissenschaftlerin Tatiana Marroquín gegenüber der spanischen Nachrichtenagentur [i]EFE[i]. Die aktuelle Talfahrt von Bitcoin & Co. gesellt sich aus Sicht Marroquíns passend zu der "beschleunigten" und "unreflektierten" Verschuldung der Regierung unter Präsident Nayib Bukele und seinen "willkürlichen Entscheidungen" in wirtschaftlichen und politischen Angelegenheiten.

Nach Angaben des Internationalen Währungsfonds (IWF) ist die Staatsverschuldung El Salvadors aufgrund der derzeitigen Regierungspolitik auf dem Weg zur "Untragbarkeit". Die Rating-Agentur Moody's warnte kürzlich vor der Möglichkeit eines Zahlungsausfalls bei den Schulden El Salvadors, die das Land in den Jahren 2023 und 2025 zurückzahlen muss. Moody's sieht keinen "glaubwürdigen Plan" zur Bewältigung dieser Schulden.

Die wirtschaftlichen Auswirkungen des russischen Einmarsches in der Ukraine, die hohe Inflation und steigende Zinssätze haben den Wert Bitcoins (und anderer Kryptoassets) um mehr als fünfzig Prozent gegenüber dem Allzeithoch vom Oktober einbrechen lassen. Das bekommen El Salvadors Staatsfinanzen ganz besonders zu spüren, auch wenn die Verluste aus dem Wertverfall Bitcoins alleine "nicht ausreichen, um das Land in den Bankrott zu treiben", so Marroquín.

Der Kurseinbruch der Kryptowährungen ist für Marroquín aber Beweis für die "schlechte Entscheidung" der Legalisierung Bitcoins als gesetzliches Zahlungsmittel in El Salvador. "Dieser Absturz und dieser harte Schlag, den das Narrativ der Kryptowährungen auf internationaler Ebene in Bezug auf El Salvador erlitten hat, entlarvt mit Nachdruck und ohne Zweifel die schlechte Entscheidung, die die Regierung mit der Einführung von Bitcoin getroffen hat, indem sie so viel Geld für die Implementierung von Bitcoin ausgab und öffentliche Gelder in diese investierte."

El Salvador hat im September letzten Jahres als erstes Land der Welt Bitcoin als offizielles Zahlungsmittel eingeführt und dafür mehr als 200 Millionen US-Dollar bereitgestellt. Die Regierung verspricht sich davon besseren Zugang zu Zahlungssystemen für Arme und leichtere Geldüberweisungen von Auslandssalvadorianern. Zudem hat Bukele hat für viel echtes Staatsgeld Bitcoin als "Währungsreserve" kaufen lassen, die jetzt viel weniger wert ist.

Kritiker sehen wegen der großen Wertschwankungen der Kryptowährung Risken für die währungspolitische Stabilität. Hinzu kämen fehlende Transparenz und die Gefahr von Geldwäsche. Insgesamt war es ein eher holpriger Start in die Bitcoin-Ära. Unter der Bevölkerung gab es immer wieder Proteste gegen Präsident Bukele und sein Bitcoingesetz.

Seit der Einführung des Bitcoin als reguläres Zahlungsmittel hat die Regierung mehrfach Bitcoin gekauft. Die von Präsident Bukele angekündigten Investitionen, zu denen außer den Tweets des Präsidenten keine weiteren Informationen vorliegen, wurden bei Bitcoin-Kursen zwischen 30.700 und 58.000 US-Dollar getätigt. Insgesamt hat die Regierung zwischen dem 6. September 2021 und dem 9. Mai 2.301 Bitcoins für mehr als 100 Millionen US-Dollar angehäuft, also zu einem durchschnittlichen Bitcoin-Kurs von gut 43.500 US-Dollar oder mehr. Aktuell (Stand 16. Mai) liegt der Kurs bei rund 29.600 US-Dollar – Tendenz fallend.

Die Angst der Anleger rühre heute daher, so Marroquín, "dass das Geld (durch den Kurseinbruch, Anm.) verloren ist, und von der Willkür der Verwaltung der öffentlichen Mittel". Laut der Ökonomin "ist der Präsident unfähig zu akzeptieren, dass er einen Fehler gemacht hat, was ein weiteres Zeichen dafür ist, wie unflexibel und unreflektiert die Regierung El Salvadors ist". Sie wirft Bukele vor, "mehr an das Bitcoin-Narrativ als an das Wohl El Salvadors" zu denken.

Ende Januar forderte der IWF El Salvador zur Aufgabe Bitcoins als Zahlungsmittel auf. Die Verwendung Bitcoins sei mit zu vielen Risiken verbunden – für die Finanzstabilität, die finanzielle Integrität und den Verbraucherschutz sowie die damit verbundenen steuerlichen Eventualverbindlichkeiten. El Salvador verhandelt seit geraumer Zeit mit dem IWF über ein Kreditpaket in Höhe von 1,3 Milliarden US-Dollar. Die ursprünglich für März geplante Ausgabe einer ersten Bitcoin-gesicherten Anleihe in Höhe von einer Milliarde US-Dollar musste die Regierung indes auf unbestimmte Zeit verschieben.

(akn)