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Technology Review 4/22: Mit Synthetischer Biologie den Code des Lebens hacken

Lebendige Medikamente, autonome Bioroboter: Die junge Fachdisziplin der Synthetischen Biologie verbindet Natur und Ingenieurwissenschaften.

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Inhaltsverzeichnis

Die Synthetische Biologie könnte zur Schlüsseltechnologie des 21. Jahrhunderts werden. Denn Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf der ganzen Welt beobachten biologische Systeme nicht mehr nur, sie manipulieren sie direkt mit Methoden aus den Ingenieurwissenschaften. Damit verändern sie den Code des Lebens und schreiben ihn in gewisser Weise neu.

Bei einer solchen elementaren Stoßrichtung ist es klar, dass Forscherinnen und Forscher auf ein komplexes Terrain treffen. In der neuen Ausgabe von MIT Technology Review beleuchten wir dieses Fachgebiet und seine Möglichkeiten und Herausforderungen.

So bauen Forscherteams winzige biologische Maschinen aus Froschzellen. Sie haben in einer Nährflüssigkeit gelernt, kugelförmige Stammzellen in zu einem rundlichen Haufen zusammenzukehren – biologische Kehrmaschinen gewissermaßen. Xenobots und Bioroboter nennen die Forschenden ihre autonom agierenden lebendigen Zellhaufen. Doch es soll nicht bei Kehraufgaben bleiben: Eines Tages beispielsweise sollen die Bots aus Patientenzellen bestehen und Wirkstoffe im Körper zustellen oder Mikroplastik in den Weltmeeren einsammeln. Doch bis dahin ist noch viel zu tun.

Zur Synthetischen Biologie gehört auch der Einsatz von KI. Mit der KI AlphaFold von DeepMind ist es gelungen, die Proteinfaltung deutlich besser vorherzusagen als bisher – ein Meilenstein für die Forschung und für das Verständnis elementarer Prozesse des Lebens. Denn die dreidimensionale Struktur von Proteinen bestimmt, wie sie sich im Körper verhalten und miteinander interagieren. Doch die Struktur zahlreicher wichtiger Proteine ist den Biologen noch immer unbekannt. Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz zur Berechnung dieser Strukturen könnte daher ein unschätzbares Hilfsmittel zum Verständnis vieler Krankheiten werden, von Krebs bis hin zu Rinderwahn – und sie würde die Entwicklung neuer Therapien und Impfstoffe erheblich beschleunigen.

Dieser Text stammt aus: Technology Review 4/2022

(Bild: 

Technology Review 4/2022 im heise shop

)

Die Synthetische Biologie könnte zur Schlüsseltechnologie des 21. Jahrhunderts werden. Sie liefert die Werkzeuge, wie Forschende den Code des Lebens verändern und ihn neu schreiben können. Das neue Heft ist ab dem 19.5. im Handel und ab dem 18.5. bequem im heise shop bestellbar. Highlights aus dem Heft:

In der Medizin könnte die Synthetische Biologie weiterhin hilfreich sein. Denn bislang hatte man dort zwei Wege zur Heilung: Krankes auf dem OP-Tisch herausschneiden – und im Idealfall ersetzen. Oder mit chemischen Verbindungen im Körper Prozesse an- oder abschalten. Mit Synthetischer Biologie könnten sich Medikamente künftig auf die Situation im Körper einstellen und sogar Entscheidungen treffen. Medikamente würden damit sozusagen lebendig und könnten im Falle von Krebs als winzige Bio-Roboter direkt an den Tumorzellen angreifen.

Auch wenn es sich in vielen Bereichen noch um Grundlagenforschung handelt, zeigen die Beispiele, wie breit die Anwendungen sind und welches Potenzial in der Synthetischen Biologie steckt. Gleichzeitig birgt dieses mächtige Werkzeug auch Risiken. Böswillige Akteure könnten versuchen, Biowaffen herzustellen oder gezielt die DNA einzelner Menschen zu hacken. "Die DNA wird zum Sicherheitsrisiko", sagt Zukunftsforscherin Amy Webb im Interview. Sie plädiert für ein internationales Kontrollsystem, das den globalen Pool an genetischen Daten regelt, um Missbrauch zu verhindern.

Aber auch abseits der Synthetischen Biologie schauen wir auf neue Entwicklungen in Technik und Wissenschaft. Dazu gehört etwa der Einsatz von KI-Software im Bewerbungsprozess. Für Unternehmen scheint dies hilfreich zu sein, um durch eine maschinelle Auswertung die geeigneten Bewerberinnen und Bewerber herauszufinden. Aber auch die Bewerberinnen und Bewerber haben sich auf diese Lage eingestellt. Längst gibt es Tricks, um die KI hinters Licht zu führen und sich so die Einladung zum Vorstellungsgespräch zu sichern.

Ausgetrickst fühlten sich sicher auch die russischen Truppen, die vor einiger Zeit Traktoren aus der Ukraine gestohlen hatten. Sie ließen sich einfach nicht starten. Per Fernzugriff hatte der US-Landmaschinenhersteller John Deere die Traktoren unbrauchbar gemacht. Doch zeigt diese einfache Vorgehensweise auch neue Abhängigkeiten: Die Landwirte sind nicht mehr Herr ihrer Maschinen und die durch den Einsatz auf den Feldern produzierten Daten laufen auf firmeneigenen Plattformen zusammen.

Die neue Ausgabe 4/2022 der MIT Technology Review ist ab sofort im heise shop bestellbar und ab 19.5. im gut sortierten Zeitschriftenhandel erhältlich.

(jle)