Designer-Bakterien: Wie Mikro-Roboter Medikamente im Körper ausliefern sollen

Mit synthetischer Biologie können Bakterien zu medizinischen Mikro-Robotern werden. Die sollen das größte Problem der pharmazeutischen Forschung lösen.

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Wenn Tech-Milliardäre wie Elon Musk von Marsmissionen träumen, Raumschiffe entwerfen und Forschende sogar schon Baustoffe aus Mars-Sand für Siedlungen mischen, fehlt meist eine Unbekannte in der Rechnung der Visionäre: Menschen werden krank. Mit 53 Millionen Kilometern Entfernung zum nächsten Arzt oder Apotheker ist krank werden kein Spaß.

Die NASA hat eine Liste mit 100 Erkrankungen erstellt, die sie im Weltraum erwartet. Sie reicht vom Ablösen der Fingernägel bis zum Herzstillstand. Aber nicht für jede Eventualität können Medikamente auf dem Weg zum Mars vorgehalten werden. Das Translational Research Institute for Space Health (TRISH) am texanischen Baylor College of Medicine setzt im Auftrag der NASA auf synthetische Biologie. Die Forschenden kreieren Organismen, mit denen sich die Astronauten selbst medizinisch versorgen können.

Wer Marsflüge plant, denkt naturgemäß etwas weiter, aber auch jenseits solcher im Wortsinn hochfliegenden Pläne für synthetisch-biologische Therapeutika, bahnt sich die synthetische Biologie ihren Weg in die medizinische Behandlung. Die ersten Bakterien-Therapeutika durchlaufen bereits frühe klinische Studien. Das ist absolutes Neuland, denn bislang ging es in der Pharmabranche darum, Bakterien zu bekämpfen oder sie in großen Stahltanks Medikamente wie Insulin herstellen zu lassen – nicht darum, sie als Medikamente zu nutzen.

Dieser Text stammt aus: Technology Review 4/2022

(Bild: 

Technology Review 4/2022 im heise shop

)

Die Synthetische Biologie könnte zur Schlüsseltechnologie des 21. Jahrhunderts werden. Sie liefert die Werkzeuge, wie Forschende den Code des Lebens verändern und ihn neu schreiben können. Das neue Heft ist ab dem 19.5. im Handel und ab dem 18.5. bequem im heise shop bestellbar. Highlights aus dem Heft:

Simone Schürle-Finke, Biomedizin-Ingenieurin an der ETH Zürich sieht eine der Zukünfte der synthetischen Biologie in der Medizin in lebenden Nano-Robotern – Bakterienschwärmen, die sich gezielt steuern lassen. Ihre Inspiration ist der Film "Die phantastische Reise" von 1966, in dem Menschen sich mitsamt einem U-Boot verkleinern und in die Blutbahn eines Wissenschaftlers injizieren lassen. Das Ziel ist eine OP in seinem Gehirn.

Mit dieser Idee im Hinterkopf wollte Schürle-Finke ursprünglich Mikro- oder Nano-Roboter bauen, die Wirkstoffe zum Krankheitsherd bringen. Aber wenn man sich in so kleinen Dimensionen bewege, werde alles schwierig, sagt sie. Weshalb nicht die natürliche Intelligenz der Bakterien nutzen und durch genetische oder materialtechnische Modifikationen die Kontrolle über die Organismen übernehmen – die Bakterien zu technisieren? "Living Micro-Robots", nennt sie diesen Mix aus lebendiger Basis mit Steuerungsfunktion.

Das zentrale Problem, mit dem die pharmazeutische Forschung seit jeher kämpfe und an dem ein Großteil aller fortgeschrittenen klinischen Studien scheitere, sei, ein hochspezifisch wirkendes Medikament in der richtigen Dosierung an die richtige Stelle zu transportieren. Lebende Therapeutika einzusetzen sei dabei bereits ein signifikanter Fortschritt, da sie sich selbstständig ihren Weg suchen und sich durch Vermehrung anreichern, so die Forscherin. Sie arbeitet nun daran, die Bakterien gezielt und schnell zum Ort des Geschehens zu manövrieren. Ihr Ziel sind Tumore, die ihre Living Micro-Robots dann eigenständig angreifen und zerstören.

Wie sie die bakteriellen Mikro-Roboter zu Tumoren lockt und welche Chancen synthetische Biologie in der Medizin außerdem noch bietet, lesen Sie im vollständigen Artikel "Die Medizin erwacht zum Leben" bei heise select (mit entsprechendem Zugang) und in der aktuellen Ausgabe 04/2022 von MIT Technology Review (im heise shop und im gut sortierten Zeitschriftenhandel erhältlich).

(jsc)