Zahlen, bitte! – Über 16 Millionen Farben machen das Bild echt

Die Bedeutung der Zahl 16.777.216 kennt nicht jeder – aber die Meisten, die in einen Farbbildschirm blicken, kommen mit ihr in Berührung. Zumindest theoretisch.

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Von
  • Tilo Gockel
Inhaltsverzeichnis

Die satte Anzahl von 16.777.216 Farben sorgt dafür, dass Fotos auf dem Monitor oder Handydisplay fast wie in der Realität wirken. Wer viel mit Computern zu tun hat, vermutet sicher eine Zweierpotenz dahinter und liegt richtig. Unsere Zahl ist das Ergebnis der Rechnung 2 hoch 8 hoch 3 – das ist die Menge darstellbarer Farben bei vielen unserer Fotos oder Grafiken. In einem 8-Bit-Farbbild mit den drei Farbkanälen Rot, Grün und Blau kann jeder Kanal 256 Werte annehmen. Multipliziert man alle Kanäle, so ergeben sich 256 × 256 × 256 = 16.777.216 mögliche Farbwerte. Bilder mit diesem Farbumfang werden auch Truecolor-Bilder genannt.

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Der Begriff Truecolor wurde eingeführt, um Grafikformate zu beschreiben, die Farben so darstellen können, dass das menschliche Auge keine Sprünge (kein „Banding“) mehr erkennt. Tatsächlich können wir Menschen nur rund 10 Millionen Farben unterscheiden, aber man braucht etwas Sicherheit, denn auch die Displays haben ihre Grenzen (genauer gesagt ihren „Gamut“). Je nach Technologie und Qualität können sie von den 16 Millionen Farben eines Digitalbildes nur einen Teil darstellen.

In der Summe scheint aber diese Farbanzahl (diese „Farbtiefe“) von 16 Millionen doch großzügig bemessen und auch zukunftssicher zu sein. "Weit gefehlt!", sagt der Bildbearbeiter vor seinem Photoshop, der gerade schon wieder mit Tonwertabrissen zu kämpfen hat. Vielleicht bearbeitet er gerade ein Bild mit viel Himmel oder viel Meer – schon bleiben von den 16 Millionen Farben nur noch die 256 Farben des Blaukanals übrig. Und eventuell bewegen sich diese Blautöne eher im mittleren Bereich, dann reichen sie nicht von 0 bis 255, sondern nur noch von 50 bis 100. Schon hat man keine 16 Millionen, sondern nur noch 50 Farbtöne zur Verfügung. Verändert man diese Töne nun in der Bearbeitung beispielsweise durch eine Erhöhung des Kontrasts, dann entstehen ebenjene gefürchtete Abrisse. Sie sind fürs Auge unschwer als Klötzchen oder Stufen im Bild zu erkennen und stören den realistischen Eindruck immens.

Zahlen, bitte!

In dieser Rubrik stellen wir immer dienstags verblüffende, beeindruckende, informative und witzige Zahlen aus den Bereichen IT, Wissenschaft, Kunst, Wirtschaft, Politik und natürlich der Mathematik vor.

Und es gibt noch andere Anwendungen, die mit den so üppig erschienenen 16 Millionen Werten nicht funktionieren. Gemeint sind HDR-Bilder –Bilder, die bei dem High-Dynamic-Range-Aufnahmeverfahren entstehen. Zwar sind diese Bilder sowieso nicht auf gängigen Monitoren darstellbar, aber dennoch benötigt man bei Verarbeitung dieser Bilder vor dem Komprimierungsschritt des Tone Mapping eine Möglichkeit, die Farbkanäle nicht nur mit 8 Bit zu codieren, sondern mit 16 Bit oder gar 32 Bit. Notgedrungen wurden hierfür dann spezielle Grafikformate wie OpenEXR oder Radiance HDR entwickelt, die nur dem Zwecke dienen, hochdynamische Daten ablegen zu können.

Die Bilddaten lassen sich leicht merken: 1000 x 1000 Pixel in 1.000.000 tatsächlich dargestellten Farben.

Im alltäglichen Umgang begegnet man diesen Exoten kaum, hier kommt man mit dem altbekannten JPEG-Format gut über die Runden. JPEG wurde 1992 von der Joint Photographic Experts Group vorgestellt und hat dann in sehr kurzer Zeit die alten Formate GIF, PCX und PNG abgelöst. Mit JPEG konnten die Bilder endlich in Truecolor dargestellt werden, und blieben dennoch dank einer neuartigen Kompression auf der Basis der Cosinus-Transformation erfreulich klein. Auch heute noch, dreißig Jahre später, ist JPEG der Quasistandard, aber nun stehen neue Konkurrenten in den Startlöchern! Da gibt es JPEG XR, HEIF, FLIF, WebP und noch einige andere mehr –Konkurrenten, die mit Multi-Channel-Support, HDR-Unterstützung, mit besserer Kompression und mit Ton und Bewegtbild aufwarten.

Wenn Ihnen die Kürzel nicht viel sagen, ist das wohl ein deutlicher Beleg dafür, dass Totgesagte länger leben – JPEG hat bis dato alle überlebt. Neue, in allen Belangen bessere Grafikformate gibt es schon seit JPEG2000, aber es fehlt am Durchsetzungsvermögen. Bei JPEG2000 und JPEG XR war die Dringlichkeit in Hinblick auf die neuen Features noch nicht wirklich groß oder es standen lizenzrechtliche Details im Weg. Bei anderen Formaten wie FLIF oder JPEG XL fehlt ganz einfach die unterstützende Lobby. Ganz anders bei WebP, dass sich dank der starken Mutter Google rasch durchsetzen konnte. Dennoch ist auch die Verbreitung von WebP zumindest im Vergleich zu JPEG eher homöopathisch.

Tipp vom Fotografen

Wir geben Ihnen die Lösung, wie Sie reagieren müssen. wenn Sie einmal selbst Bilder bearbeiten und besagtes Banding auftritt: Früher hat man dafür den Spritzer-Filter in Photoshop bemüht.

Mittlerweile ist der bessere Weg, eine Bildkopie anzulegen. Dabei stellen Sie sie auf 16 Bit pro Kanal um. Das Bild glätten Sie mit dem Gauss‘schen Weichzeichner.

Dann holen Sie die dieserart korrigierten Banding-Bereiche auf einer Maske ins Bild. Das Bild wird natürlich allein durch die Umstellung auf 16 Bit nicht besser, aber der Weichzeichner generiert dann Zwischentöne, die tatsächlich ebenjene Banding-Stufen füllen und verschwinden lassen. Probieren Sie es einmal aus!

Bei HEIF liegen die Vorteile auf der Hand, aber wieder ist die Unterstützung lückenhaft. Nativ und durchgängig mitsamt Photoshop wird es nur in der MacOS-Welt unterstützt, aber selbst dort fehlt noch immer Safari. Aktuell wird HEIF von keinem einzigen offiziellen Browser-Release unterstützt. Ein weiterer Grund für die stockende Verbreitung der neuen Standards ist, dass die bisher gebotenen Features nicht wirklich beeindruckend sind. JPG XR unterstützt HDR, aber 32-bit-TIFF kann das genauso. HEIF unterstützt Animationen, aber die zwei Sekunden dauernden Live Photos der iPhone Kamera App nerven mehr, als sie nützen.

Was den JPEG-Killern zum Durchbruch verhelfen könnte, wäre ein neues, wichtiges Feature. Man denke beispielsweise an die Depth Maps in HEIF und AVIV. Hier ist ein relevanter Nutzen die mittlerweile von fast allen aktuellen Smartphones unterstützte Unschärfesimulation für Porträtaufnahmen. Andere Möglichkeiten der Nutzung könnten Anwendungen im Bereich der Virtual Reality oder Augmented Reality sein.

Bis dahin bleibt JPEG der Standard. Wie auch der Farbumfang von 16.777.216, der für realitätsnahe Bilder sorgt.

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(mawi)