Know-how Farben (Teil 3): Mit kleinen oder großen Schritten durch den Farbraum

Seite 2: Verlorene Zwischentöne

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Stellen Sie sich vor, Ihr Navigator würde die Entfernung zur nächsten Stadt immer in Lichtjahren angeben, wobei nur ganzzahlige Werte zulässig sind. Ortungsmäßig würde die ganze Erde, ja das ganze Sonnensystem zu einem Punkt zusammenschrumpfen. München und der Mars lägen in der numerisch gleichen Entfernung. So ähnlich, wenn auch nicht ganz so extrem, geht es den Bildfarben in einem zu groß gewählten Farbraum. Je größer der Farbraum ist, desto größer müssen auch die Schritte ausfallen, die nötig sind, um ihn zu durchqueren – uns stehen ja insgesamt nur 255 Schritte zur Verfügung. Je größer die Schritte sind, desto mehr Zwischenfarben werden zwangsläufig pro Schritt übersprungen. Das bedeutet, dass sie alle den gleichen digitalen Wert erhalten und so zu einer einzigen Farbe verschmelzen. Wenn Sie Wert auf Zwischentöne legen, ist der kleinstmögliche Farbraum der beste. Die folgende Abbildung zeigt dies an einem Farbverlauf von einem Pastell-Grün (RGB = 128,127,0) zu Rot (255,0,0). Wir haben den Verlauf in sRGB angelegt, dort verläuft er lückenlos über 128 Farben. Jedes Farbfeld ist 12 Pixel breit, und von Feld zu Feld ändern sich die Rot- und Grün-Werte stets um genau 1. Nach der Konvertierung in den deutlich größeren Prophoto-RGB-Farbraum enthält der Verlauf nur noch 103 Farben. Einige benachbarte Felder sind zusammengefallen, die farblichen Abstände zu den neuen Nachbarfeldern wurden größer, der Verlauf ist deshalb nicht mehr völlig glatt. Diesen Banding genannten Effekt werden Sie nur mit geübten Augen und an einem guten Monitor sehen können, er verstärkt sich aber durch Bildbearbeitungen oft deutlich und kann dann sehr störend werden. Wir haben dies durch eine Schärfung demonstriert und damit auch gleich die Bruchstellen im Verlauf hervorgehoben.

Im größeren Farbraum Prophoto RGB stehen einem definierten Farbverlauf weniger Farbabstufungen zur Verfügung als im kleineren sRGB – das ist eine Erkenntnis, die man nicht unbedingt erwartet. (Die unteren Hälften der beiden Verläufe wurden mit den jeweils gleichen Einstellungen geschärft.)

(Bild: ralph Altmann)

Im Histogramm wird der Tonwertverlust noch deutlicher. Der originale, in sRGB angelegte Verlauf zeigt eine exakt gleichmäßige Verteilung: Im Grünkanal sind die Tonwerte von 0 bis 127, im Rotkanal die Tonwerte von 128 bis 255 in gleicher Häufigkeit im Verlauf vertreten. Nach der Konvertierung in Prophoto RGB sind im Grünkanal nur noch 42 unterschiedliche Tonwerte vorhanden, auch die Breite des Rotkanals ist stark geschrumpft. Die Rückkonvertierung nach sRGB stellt die verlorenen Zwischenfarben nicht wieder her, es bleiben zahlreiche Lücken.

Das Histogramm mit aktivierter Einzelkanalanzeige zeigt: Schon die bloße Konvertierung in einen größeren Farbraum mit sofortiger Rückkonvertierung führt zu einem Verlust an Zwischenfarben.

(Bild: Ralph Altmann)