Verschwörer zum Selberbasteln

Die Welt ist unsicher, täglich bimmelt irgendwo der Terroristenalarm. Man kann's mit Furcht betrachten, mit Humor nehmen oder Kunst daraus machen -- wie zwei Schweizer Künstler, die den virtuellen "SuPerVillainizer" vorstellen.

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Lesezeit: 2 Min.
Von
  • Gerald Himmelein

Als die Superschurken ihre Pläne zur Weltzerstörung nur auf der Leinwand auslebten, machten sie noch richtig Spaß. Kein James Bond ohne Goldfinger oder Blofeld, kein John McClane ohne Hans Gruber, kein Harry Tasker ohne Salim Abu Aziz, kein Austin Powers ohne Doctor Evil.

Seit dem 11. September 2001 ist Schluss mit lustig; jetzt weilt der Buhmann mitten unter uns. Jede Woche erschrecken uns die Geheimdienste mit neuen Terror-Warnungen. Kritiker werfen den Regierungen vor, die allgemeine Verunsicherung dafür auszunutzen, um neue Überwachungsinitiativen und -gesetze durchzuboxen, darunter auch zur Sammlung und Sichtung von E-Mails.

Zwei Schweizer Künstler, Annina Rüst und "LAN", sehen nicht ein, dass jetzt jeder "ein potentielles Opfer der elektronisch organisierten Überwachungsmaschine" werden könne. Um der automatisierten Erstellung von Feindprofilen entgegenzuwirken, haben sie einen "SuPerVillainizer" online gestellt (Villain -- engl. "Schurke").

Das Programm dient zur Generierung von Schurken und Bösewichten, die mit echten E-Mail-Konten ausgestattet werden und alsbald beginnen, virtuelle Verschwörungen zu planen. Der Inhalt der Verschwörung wird vom SuPerVillainizer generiert, Sprache und genauer Inhalt können aber auch nachgebessert werden. Durch die Nutzung unterschiedlicher SMTP-Server sausen die virtuellen Verschwörungen durch das Internet, freizügig mit "Trigger"-Wörtern für die elektronischen Überwachungssysteme garniert. SuPerVillainizer ist ein vollautomatisierter E-Mailer, der aus Open-Source-Software zusammengestöpselt wurde.

Die Künstler rufen Freiwillige dazu auf, dem Projekt ihre unbenutzten E-Mail-Accounts zur Verfügung zu stellen, um das Netz der automatisierten Verschwörer zu erweitern. Ziel des Projekts sei es, das "Enemy Profiling" der Geheimdienste zu neutralisieren: "Hier wird das Überwachungssystem ad absurdum geführt, weil es ja gerade annimmt, dass jeder und jede potentiell verdächtig ist." Die Welt sei nicht einfach so in Schwarz/Weiß einzuteilen, wie Politiker und Geheimdienste dies gern tun. Das System ist bereits aktiv und hat bisher über 45.000 Mails versendet -- mit Absendernamen wie "achsel_des_boesen", "Bush" und "Andreas Baader".

Freilich sind virtuelle Verschwörungen nichts Neues: Wenige Wochen vor dem Anschlag auf das World Trade Center hatte Electronic Arts das Online-Verschwörungsspiel "Majestic" veröffentlicht, das die elektronischen Verschwörungen auch in die reale Welt trug: Je nach Einstellung erhielt der Spieler sogar Faxe und Telefonate mit Drohungen und Hinweisen zur Lösung des Spiels. Majestic war allerdings kein kommerzieller Erfolg und wurde zum 1. Mai 2002 eingestellt. (ghi)