Grün gegründet: Plastogaz will den Kunststoff-Kreislauf schließen

Die Kreislaufwirtschaft lebt von neuen Ideen und kreativen Köpfen. Jeden Dienstag stellen wir hier ein Greentech-Start-up mit seiner Geschäftsidee vor.

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(Bild: NAUFAL ARIEQ WIRA P / Shutterstock.com)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Manuel Heckel
  • Steffen Ermisch

Mitgründer: Felix Bobbink

Start-up: Plastogaz

Gründung: Juni 2019

Mitarbeiter: 5

Sitz: Lausanne

Geschäftsmodell: Entwicklung eines Verfahrens, mit dem gebrauchte mehrschichtige Kunststoffe wieder zum Ausgangsmaterial für die Plastikproduktion werden.

Herr Bobbink, wie wollen Sie es schaffen, den Kreislauf in der Kunststoffherstellung zu schließen?

Es gibt Massen an Plastikmüll, die aus verschiedenen Gründen mechanisch nicht recycelt werden können, sondern in der Schweiz häufig verbrannt werden – oder in anderen Ländern einfach in Deponien abgeladen werden. Da geht es vor allem um Material, das aus unterschiedlichen Plastikschichten besteht oder mit Fremdstoffen verunreinigt ist. Wir arbeiten an einem Verfahren, das die Moleküle in ihre ursprünglichen Bestandteile in flüssiger oder gasförmiger Form aufspaltet. Diese können dann wiederum als Ausgangsmaterial in der Kunststoffherstellung verwendet werden. So wird aus einer linearen Wertschöpfungskette ein Kreislauf.

Sind nicht genug Recycling-Verfahren auf dem Markt?

Es gibt jede Menge an Initiativen, wenn es um die Wiederverwendung von Plastik geht. Manche setzen beim Design des Recyclings an, andere bei der technischen Trennung, wiederum andere im chemischen Bereich. Dort entwickeln wir ein ganz neues Unterkapitel des Plastik-Recyclings.

Felix Bobbink

(Bild: Plastogaz)

Sie setzen auf das katalytische Hydrocracken – dabei werden die Moleküle in ihre ursprünglichen Bestandteile zerlegt. Die passiert unter hohem Druck und bei hohen Temperaturen mithilfe von Wasserstoff und Katalysatoren. Welche Vorteile soll das bieten?

Das Verfahren ermöglicht es uns, sehr sauber und präzise zu arbeiten – und so das gewünschte Endmaterial zu erhalten. Katalysatoren senken auch den Energiebedarf für die Umwandlung. Die Herausforderung besteht jedoch darin, die richtigen Katalysatoren zu finden, mit denen der Kunststoff umgewandelt werden kann und die die Prozessbedingungen überstehen. Wir arbeiten in der Regel mit Nanostrukturen auf Metallträgern, die wir selbst synthetisieren.

Und damit lassen sich dann irgendwann alle Plastikverpackungen verarbeiten?

Nein, frustrierenderweise sind die einzigen Lösungen, die universell funktionieren, die Deponierung und die Verbrennung – was beides keine Kreislauflösungen sind. Im Moment zeichnet sich ab, dass unser Verfahren am besten bei Material funktioniert, das einen hohen Anteil von Polyolefinen hat. Die gehören aber zu den meistverwendeten Kunststoffen.

Wie ist diese Idee entstanden?

Ich habe meine Doktorarbeit über die Kohlendioxid-Katalyse geschrieben. In einem Projekt mit Kollegen beschäftigten wir uns mit der Katalyse zur Umwandlung von natürlichen Stoffen, etwa Cellulose oder Holzabfällen, in Produkte mit hohem Mehrwert. Wir haben auch mit einem Stoff gearbeitet, der eng mit Kunststoff verwandt ist – und auch den konnten wir umwandeln. Bei dem ganzen Prozess war auch Glück im Spiel. Da ist uns der Gedanke gekommen, dass diese Methode auch in eine kommerzielle Anwendung münden könnte.

Und wie sieht der Weg aus?

Aktuell sind wir in der Laborphase und arbeiten an einem Reaktor, mit dem sich etwa hundert Gramm Plastik pro Reaktion katalysieren lassen. Die Idee ist, in den kommenden zwei Jahren eine Pilotanlage zu bauen, die mehrere Kilogramm pro Stunde schafft. Klappt das, werden wir ein vorkommerzielles Demonstratorsystem bauen. Und wenn der Prozess irgendwann fertig ist, lässt er sich einfach einführen und es können große Produktionsanlagen entstehen, die mehrere Tausend Tonnen Kunststoff pro Jahr umwandeln können. Bislang haben wir uns unter anderem mit Forschungsstipendien finanziert.

Klingt nach keinem einfachen Unterfangen.

Es gibt viele Hürden. Die Entwicklung ist technisch wirklich anspruchsvoll, selbst für routinierte Forscher wie uns. Und sie ist sehr kapitalintensiv. Im Scherz sagen wir oft: "Hätten wir doch nur eine App programmiert."

Und wie gelingt es, sich über so einen langen Zeitraum zu motivieren?

Ich kenne dieses langwierige Arbeiten schon von meiner Doktorarbeit. Das Gute ist, dass wir jetzt schon mit Partnern aus der Industrie arbeiten und ein wenig von unserem Wissen einbringen können. Insgesamt kann man es aber mit der Entwicklung von Medizin vergleichen: Auch das ist ein sehr zeitaufwendiger Prozess, der immer wieder scheitern kann. Wenn es aber gelingt, dann ist der Erfolg umso größer.

(jle)