Openinfra Summit: Die nächsten 10 Jahre – Wissenschaft und Daten

Die Openinfra Foundation tagt in Berlin: ein Jahrzehnt offener Infrastruktur, Nachwuchs für die Community und umweltfreundliches Rechnen stehen vor der Tür.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht
OpenInfra Summit Berlin, 7. - 9. Juni 2022

(Bild: Silke Hahn)

Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Dr. Udo Seidel
  • Silke Hahn
Inhaltsverzeichnis

Vom 7. bis zum 9. Juni 2022 lädt die Openinfra Foundation zu ihrer Hauskonferenz nach Berlin ein – zum ersten Mal seit über zwei Jahren als Präsenzveranstaltung. Zuletzt hatte die Community sich 2019 in Shanghai getroffen. Rund 1000 Teilnehmer sind der Einladung gefolgt und können sich in 100 Vorträgen zu elf verschiedenen Themen neue interessante Informationen und Ideen abholen.

Der dritte Tag des Openinfra-Summits ist in vollem Gange. Da am ersten Tag einige Vorträge komplett ausgebucht waren und nicht jeder Interessent teilnehmen konnte, haben die Veranstalter neue Kapazitäten für die weiteren Tage geschaffen. Dass die Nachfrage so hoch ist, hat laut der Foundation gute Gründe: Neben der pandemiebedingten Pause spielt offenbar auch der Umstand eine Rolle, dass fast die Hälfte der Teilnehmer zum ersten Mal auf dem Summit ist.

Der Slogan der Konferenz lautet: Das nächste Jahrzehnt offener Infrastruktur aufbauen ("Build the Next Decade"). Zur Verwirklichung dieses ambitionierten Ziels hat sich die Foundation Gedanken gemacht und durchläuft nun eine Rückbesinnung auf das, was die Fundamente eines großen und erfolgreichen Open-Source-Projektes sind: das Ökosystem, die Entwickler und die Benutzer. Für die Foundation sind das die drei wesentlichen Kräfte ihrer Tätigkeit, wie in mehreren Talks und Präsentationen deutlich wurde.

Eine spannende Frage ist die Finanzierung des Gesamtkonstruktes, für die das Openinfra-Team eine wichtige Entscheidung getroffen hat. Einzelne Projekte im Bereich offener Infrastruktur sollen nun direkt finanziert werden. So könnten sich Firmen oder Organisationen gezielt für bestimmte Technologien engagieren. Dabei soll ihnen auch die Erfahrung der Stiftung beim Managen und Verwalten quelloffener Softwareprojekte zur Verfügung stehen. Einfach gesagt möchte die Organisation das bei OpenStack, Kata Containers und StarlingX bewährte Modell auf andere Projekte ausweiten.

Auch zum Thema Entwickler und Benutzer hat sich das Openinfra-Team Gedanken gemacht. Als Starthilfe für künftige Anwender gibt es nun den Bereich "Infra-Lösungen und -Beratung". Hier finden sich verschiedene kommerzielle Anbieter, die beim Einstieg in OpenStack und Co. professionell unterstützen. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt bieten bereits über 15 Firmen solche Unterstützung an. Wie neue talentierte Entwicklerinnen und Entwickler zu Openinfra finden, ist ebenfalls Thema des Summit: Hier hat die Stiftung insbesondere das akademische Umfeld in den Blick gefasst.

Marketplace der OpenInfra Foundation mit Beratungsangeboten für Einsteiger

(Bild: OpenInfra Foundation)

Die Foundation hat in den vergangenen Jahren Verbindungen zu Universitäten überwiegend im US-amerikanischen Raum geknüpft, beispielsweise zur Boston University und zur Oregon State University. Mit ihrem Engagement möchte sie den Studierenden zeigen, wie das Ökosystem um die quelloffene Software funktioniert. Zudem verbindet sie Mentoren aus dem OpenInfra-Umfeld mit interessierten Young Professionals und der Forschung. Während des Summits bieten zahlreiche Projekte Sitzungen zum Kennenlernen potenzieller neuer Mitentwickler. Für Neugierige ist das eine Chance, um im OpenInfra-Universum erste Schritte zu tun. Apropos Universität, eine der "Speziellen Interessengruppen" (SIG) der Foundation hat sich das Thema Forschung auf die Fahnen geschrieben. Die SIG gibt es schon seit Frühjahr 2016 und sie versteht sich vor allem als ein soziales Netzwerk.

Auf der Anwendungsseite waren die Vorträge der Hauptbühne breit gefächert. Interessant war dabei der Beitrag aus der Forschungsabteilung der BBC. Unter Verwendung verschiedener Technologien und Datenquellen erlaubt BBC Research es den Nutzerinnen und Nutzern, ihre Cloud mit möglichst geringer Kohlendioxid-Emission zu benutzen. Mittels Running Average Power Limit (RAPL) und Linux-Kernel erfasst die Abteilung den Energieverbrauch pro Prozess. Wer mehr dazu mehr wissen möchte, sollte sich auf GitHub das Projekt Scaphandre von Hubblo anschauen.

BBC Research beim OpenInfra Summit 2022 in Berlin

Über eine bekannte Schnittstelle des National Grid Electricity System Operator holt sich das BBC-Team die Information, wie groß das Volumen der Kohlendioxid-Emission der verwendeten Energie ist. Die Daten visualisieren sie mittels Prometheus und Grafana. Beispielsweise hatte ein vorgestelltes Projekt 10,3 Kilowattstunden verbraucht und dabei 1,4 Kilogramm Kohlendioxid freigesetzt. Ließen die Nutzer ihre intensiven Rechenvorgänge an einem windigen Tag laufen, sei der Fußabdruck geringer, da der Strom dann vorwiegend aus erneuerbaren Energien mit minimalem Kohlendioxidausstoß stammt.

Ebenfalls aufschlussreich war der Vortrag von Fungible über datenverarbeitende Einheiten (Data Processing Units, kurz: DPUs). Aufhänger war das am Vortag gezeigte Datenwachstum auf über 180 ZetaByte im Jahr 2025. Die Verarbeitung erfordert entsprechend starken Netzwerkverkehr. Laut Fungible könne dies rasch zum Bottleneck werden und Engpässe erzeugen. Das Thema Datenverarbeitung vor Ort ist beim Edge Computing eine schon länger bekannte Herausforderung. Eine weitere, ebenfalls bekannte Hürde ist die Verwendung nicht-spezialiserter CPUs. Kenner der Szene verweisen hier auf ASICs oder GPU-basierte Ansätze, und DPUs funktionieren ähnlich.

Sie enthalten Hardware-basierte Beschleuniger für Datenspeicherfunktionen. Zudem sind sie für Openinfra-kompatible Software wie Cinder optimiert. DPUs sind ein neuer Ansatz, um die Datenverarbeitung näher zu den Daten zu bringen. In den beim Summit präsentierten Benchmarks konnte Fungible zeigen, dass die Einheiten erhebliche Leistungssteigerung und Zeitersparnis bewirken können. Zudem fügen sie sich ein in das System disaggregierter Infrastruktur, die Hardware-Ressourcen als Dienstleistung behandelt.

Fungible beim OpenInfra Summit 2022 in Berlin

Die Openinfra Foundation hat ihre Wurzeln im Gründungsjahr Jahr 2012 – damals legte sie los als Verwaltungsorgan für OpenStack, eine Open-Source-Infrastruktur für das Cloud-Computing. Inzwischen beschäftigt sich die Foundation auch mit weiteren Technologien wie Machine Learning, Edge Computing und hybriden Clouds. Dabei greift sie auf die Unterstützung von über 60 Platin-, aber auch Gold- und Silber-Mitgliedern sowie Partnerunternehmen und die OpenStack-/Openinfra-Community zurück.

Zu den Projekten der Openinfra Foundation zählt neben OpenStack, der Edge-Computing-Infrastruktur StarlingX und dem Tool zum Lifecycle-Management Airship insbesondere die CI/CD-Plattform Zuul, die 2022 bereits ihren zehnten Geburtstag feiert und in Version 6.0 vorliegt. Laut Openinfra-Verantwortlichen plant offenbar Tesla die Nutzung von Zuul für das autonome Fahren, und auch BMW und Volvo haben die Technologie im Einsatz. Verbreitet sind ebenfalls die vor rund fünf Jahren eingeführten virtualisierten Kata Containers.

Der von der Openinfra ausgerichtete Summit findet vom 7. bis 9. Juni 2022 im Berlin Congress Center nähe Alexanderplatz statt, das Programm lässt sich auf der Veranstaltungswebsite durchstöbern. Kurzentschlossene haben auch am dritten Tag noch die Möglichkeit, dazuzustoßen. Wer für sich oder die eigene Organisation an Zusammenarbeit mit der Open Infrastructure Foundation interessiert ist, findet weiterführende Hinweise zur Mitgliedschaft auf deren Website.

Am 9. Juni 2022 endet der Openinfra Summit, weitere Präsenzveranstaltungen sind geplant. Die nächste Hauskonferenz findet vom 13. bis 15. Juni 2023 im kanadischen Vancouver statt. Offenbar mag die Foundation diese Stadt, denn innerhalb von acht Jahren lädt sie nun schon zum dritten Mal dorthin ein. Projekt-Teams sollten sich auch den 17. bis 20. Oktober 2022 vormerken, wenn in Ohio das nächste Project Team Gathering (PTG) stattfindet.

(sih)