Grüne Gentechnik: CRISPR-Tomaten produzieren Vitamin D

Forscher haben das Erbgut des Nachtschattengewächses so verändert, dass es das Provitamin anreichert, um eine neue Quelle gegen Vitamin-Mangel zu schaffen.

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(Bild: Phil Robinson)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Veronika Szentpetery-Kessler

Pflanzen sind normalerweise schlechte Vitamin-D-Quellen. Tomaten etwa bilden zwar eine Vorstufe des Sonnenvitamins. Dieses Provitamin D entsteht allerdings vorwiegend in den Blättern, die nicht verzehrt werden können, und in geringeren Mengen in unreifen Früchten. Nun ist es Wissenschaftlern des Pflanzenforschungsinstituts "John Innes Centre" im britischen Norwich gelungen, das Provitamin Vitamin D auch im Fruchtfleisch und der Schale von Tomaten anzureichern. Bestrahlten sie die Tomaten anschließend mit UV-Licht, entstand das fettlösliche Vitamin.

Wie die Forscher um Erstautorin Jie Li und Forschungsgruppenleiterin Cathy Martin im Fachjournal "Nature Plants" schreiben, wollen sie mit dieser sogenannten Biofortifikation dem Vitamin-D-Mangel entgegenwirken, der weltweit eine Milliarde Menschen betrifft. Unser Körper kann zwar das Provitamin D herstellen und es in der Haut mithilfe der Sonneneinstrahlung fotochemisch in das Vitamin umwandeln. Darüber können wir bei ausreichendem Aufenthalt im Freien 80 bis zu 90 Prozent des Bedarfs decken. Den Rest müssen wir über Nahrung aufnehmen, meist tierischer Herkunft wie Fettfische und Eier.

Zu wenig Vitamin D kann bei Kindern zu schweren Störungen des Knochenwachstums mit bleibenden Verformungen des Skeletts, zu verminderten Muskelspannung und geringer Muskelkraft sowie zu einer erhöhten Infektanfälligkeit führen. Auch bei Erwachsenen kann ein Mangel auf Dauer Knochenverformungen und -schmerzen sowie Osteoporose verursachen. Darüber hinaus gibt es Hinweise darauf, dass zu wenig Vitamin D auch das Risiko für Bluthochdruck, Diabetes Typ-2, Immunproblemen, Demenz und bestimmte Krebsarten und die Erkrankungsschwere von COVID-19 erhöhen kann.

Wie aber kommt nun das Vitamin in die Tomaten, wenn nur die Blätter die Vorstufe bilden und diese dann über Zwischenschritte zu anderen Verbindungen umbauen: zum Beispiel zu Abwehrmolekülen mit antimikrobiellen, fungiziden und insektiziden Eigenschaften. Für deren Herstellung gibt es allerdings noch einen zweiten Syntheseweg über andere Substanzen.

Das gab den Forschern die Idee, den Provitamin-D-Syntheseweg zu unterbrechen, damit die Vitamin-Vorstufe nicht weiter umgewandelt wird, sondern sich anreichert. Dafür schalteten sie mithilfe des Geneditierwerkzeugs CRISPR im Erbgut des Nachtschattengewächses die Bauanleitung für das Enzym Sl7-DR2 aus, das das Provitamin D weiterverarbeitet.

Der Eingriff störte offenbar weder das Wachstum noch den Ertrag der Pflanzen und führte tatsächlich dazu, dass sich das Provitamin D auch in den reifen Früchten anreicherte. Bestrahlten die Forscher die Blätter und in dünne Scheiben geschnittenen Tomaten dann mit UVB-Licht, erhielten sie pro Frucht Vitamin-D-Mengen, die jenen in zwei mittelgroßen Eiern oder in 28 Gramm Thunfisch gleichen, wenn die Scheiben sonnengetrocknet werden.

Den Forschern zufolge könnte man auch den Vitamin-D-Gehalt der Blätter nutzen und für vegane Vitamin-D-Zusätze extrahieren. Pro Gramm Trockengewicht enthalten die Blätter bis zu 200 Mikrogramm Vitamin D. Das ist bedeutend höher als die Menge in Höhe von 0,3 Mikrogramm pro Gramm Trockengewicht in den Tomaten selbst. Die von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit empfohlene tägliche Zufuhrmenge für Erwachsene beträgt 100 Mikrogramm Vitamin D und für Kinder 50 Mikrogramm.

Nun sei es wichtig, festzustellen, ob die gebildete Vitamin-D-Menge in den Tomaten auch bei Lagerung stabil bleibt und ob sich die gentechnische Veränderung auf die Stressresistenz der Pflanzen auswirkt, schreiben Dominique Van Der Straten und Simon Strobbe von der Universität Ghent in einem Kommentar über Jie Lis Publikation. Der doppelte Syntheseweg für die Abwehrsubstanzen sei ein möglicher Selektionsvorteil und eine geringere Synthesemenge könnte sich theoretisch auf die Stressresistenz auswirken. Das aber sei insbesondere im Hinblick auf den Klimawandel wichtig, der vermehrt zu abiotischem Stress führen könnte.

(vsz)