EU spielt Poker mit dem Breitband-Markt

Wettbewerber der Alt-Monopolisten werfen der Brüsseler Kommission vor, bei der Öffnung des Zukunftsmarkts der Hochgeschwindigkeitszugänge ins Netz klein beizugeben.

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Konkurrenten der Alt-Monopolisten im Telekommunikationsmarkt fürchten, im europäischen Geschäft für Breitband-Internet außen vor gehalten zu werden. Die EU-Kommission hat in ihrem aktuellen Jahresbericht über die Umsetzung des Reformpakets für den Telekommunikationssektor zwar die Notwendigkeit ausgemacht, den Wettbewerb auf dem Markt für Hochgeschwindigkeitszugänge zum Internet anzukurbeln. Regulierungsmaßnahmen wurden angekündigt.

Doch auf einem Treffen von Kommissionsmitgliedern mit Branchenvertretern Mitte der Woche drohten die Alt-Monopolisten damit, ihre Investitionen in den Breitbandmarkt zu drosseln, falls Brüssel ihnen das Geschäft mit dem schnellen Internet vermassle. Prompt haben die entscheidenden Kommissionsmitglieder nach Information der European Internet Service Provider Association (EuroISPA) daraufhin am Donnerstag eine Klausel, die eingesessenen Netzbetreiber zum Anbieten von Großhandelstarifen für die Breitbandanbindung von Direktkunden verpflichtet hätte, von ihrer Regulierungsagenda gestrichen.

"Wir sind sehr besorgt um den Wettbewerb in diesem Zukunftsmarkt", erklärte ein EuroISPA-Sprecher gegenüber heise online. Die Wahlmöglichkeiten der Verbraucher und das Wachstum des Internet in Europa stünden auf dem Spiel. Damit stelle sich die Kommission letztlich selbst gegen ihre eigenen Ziele zur Förderung von Hochgeschwindigkeitszugängen ins Netz, wie sie beispielsweise im Aktionsplan eEurope nachzulesen sind.

Der Verband der deutschen Internetwirtschaft eco betrachtet die Entwicklung ebenfalls kritisch. "Wenn die Kommission keine Notwendigkeit zur DSL-Regulierung sieht, müsste der deutsche Regulierer gesondert begründen, warum er nach einer Prüfung eventuell doch ein Eingreifen als sinnvoll erachtet", erläutert eco-Justiziarin Hannah Seiffert das Problem. Gunnar Bender, Leiter der Lobbyabteilung bei AOL Deutschland, fordert daher, dass die Voraussetzungen für einen florierenden Wettbewerb im DSL-Markt im Rahmen der anstehenden Novellierung des Telekommunikationsgesetzes (TKG) fest verankert werden.

Auch beim Verband der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten (VATM) schrillen die Alarmglocken. "Neuen Betreibern werden Steine auf ihren Weg gelegt, mehr eigene Infrastrukturen aufzubauen", sagt der Berliner VATM-Repräsentant Harald Geywitz. Gerade in Randmärkten werde das Breitbandnetz daher kaum noch Verbreitung finden.

Die Herausforderer der eingesessenen Spieler machen sich dafür stark, dass ihnen -- wie von Brüssel zunächst erwogen -- der so genannte Bitstrom-Zugang für DSL-Anschlüsse gewährt wird. Dabei muss der etablierte Betreiber einen Hochgeschwindigkeitszugang zum Kunden installieren und diese Verbindung dann Dritten für die Bereitstellung von eigenen Breitbanddiensten zur Verfügung stellen. Eine solche Leistung sehen Konkurrenten der Telekom hier zu Lande als unabdingbar für die Entbündelung des Zugangs zum Teilnehmeranschluss an. Erst auf dieser Basis seien sie im Stande, eigene separate DSL-Angebote gewinnbringend zu betreiben.

Der Kommission selbst weiß, dass "die etablierten Betreiber den Markt für schnelle Internetdienste über das Telefonnetz durch ihre Vorreiterrolle, teilweise auch mit Verdrängungswettbewerb und anderen wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen, für sich einzunehmen scheinen". Mitte des Jahres befanden sich auf dem DSL-Markt von den 7,52 Millionen Kundenanschlüssen in der EU etwa 5,86 Millionen in der Hand der Alt-Monopolisten. Nur 4 Prozent der Endkunden wurden über entbündelte Teilnehmeranschlüsse versorgt.

Bereits im siebten, 2001 vorgelegten Umsetzungsbericht zur Rahmenrichtlinie für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste hatte die Kommission speziell auf den Fall Deutschland hingewiesen, wo "die Endkunden-DSL-Angebote des etablierten Betreibers offenbar nicht kostendeckend sind". Die Lage sei hier zu Lande besonders gefährlich, hieß es damals, da die Leitungsmiete niedriger sei als das Entbündelungsentgelt für Betreiber. Dadurch scheine es kaum Spielraum für neue Marktteilnehmer zu geben. Um Regulierungsauflagen zuvorzukommen, hat die Telekom inzwischen beispielsweise ihre DSL-Preise erhöht. (Stefan Krempl) / (anw)