Großbritannien und die Schweiz bringen CRISPR in die Landwirtschaft

Die umstrittene Genschere soll in ersten europäischen Ländern in der Landwirtschaft zum Einsatz kommen. Die EU gibt sich zurückhaltend – noch.

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(Bild: Scharfsinn/Shutterstock.com)

Lesezeit: 3 Min.

Die synthetische Biologie gilt als Heilsbringer: Mit neuen Methoden wie dem Gen-Editier-Werkzeug CRISPR/Cas sollen ganz neue Eigenschaften in die Tier- und Pflanzenwelt eingebracht werden, die bislang undenkbar waren. Krankheiten könnten einfacher geheilt und vielleicht sogar der Klimawandel mit neuen Mikroorganismen abgemildert werden. Die Frage ist nur: Wie sollte man die neue Methode regulieren?

In Europa gibt es hierzu im wohl ersten breiten Anwendungsbereich, der Landwirtschaft, ganz unterschiedliche Einschätzungen. Während die Europäische Kommission es ablehnt, die Verfahren breit in der Pflanzenzucht zuzulassen, gehen die beiden Nicht-EU-Länder Schweiz und Großbritannien nun voran: In beiden Staaten sollen Landwirten die Methoden der Genschere nicht vorenthalten werden.

Beispiel Eidgenossenschaft: Hier hat der Nationalrat im Frühjahr mit 112 zu 74 Stimmen beschlossen, CRISPR/Cas, das für "Clustered Regularly Interspaced Short Palindromic Repeats / CRISPR-associated" steht, grundsätzlich für den Nahrungsmittelanbau zu genehmigen, um etwa neue Getreidesorten herzustellen. Bis 2024 soll dies vorliegen.

In Großbritannien entschied man sich wiederum bereits im September 2021 dazu, die Voraussetzungen für Echtwelttests auf Feldern für CRISPR/Cas zu vereinfachen. Seither ist ein spezielles Risikoprüfverfahren nicht mehr notwendig, das zuvor Pflicht gewesen war. Die Argumentation lautet dabei stets, dass es sich um biotechnische Präzisionszüchtungen handelt, bei denen eben keine Fremdgene ins Pflanzengenom eingebracht werden, weshalb diese von bestehenden Regulierungen auszunehmen sind. Im Prinzip könnten diese Veränderungen auch durch ganz normale Züchtungen erreicht werden, doch CRISPR/Cas beschleunige den Vorgang eben.

Gen-Editiermethoden - eine kleiner Einblick (6 Bilder)

Das System aus CRISPR (Clustered Regularly Interspaced Short Palindromic Repeats) und der Cas9-Nuklease haben die Molekularbiologinnen Jennifer Doudna und Emmanuelle Charpentier 2012 entdeckt. Dank seiner einfachen Handhabe und geringer Kosten erlebt die Gentherapie derzeit ein Revival.
(Bild: Text: Inge Wünnenberg; Grafik: Brian Sipple)

Weder die Entscheidung aus der Schweiz noch die aus Großbritannien bedeuten, dass es demnächst CRISPR/Cas-veränderte Nahrung im Supermarkt gibt. Stattdessen eröffnen sie weitergehende Forschungsmöglichkeiten und weisen einen Weg in Richtung Kommerzialisierung. "Wir werden vielversprechende Genom-editierte Pflanzen auf dem Feld in nächster Zukunft testen können und prüfen, welche sich unter echten Umweltbedingungen eignen", sagte etwa die Pflanzenbiologin Wendy Harwood vom John Innes Centre in Norwich gegenüber dem Journal Nature. Das bedeutet: CRISPR/Cas verlässt das Gewächshaus und damit abgeschlossene, kontrollierte(re) Systeme.

Mehr über die Genschere CRISPR

Auf EU-Ebene ist man bislang deutlich vorsichtiger. Hier sieht man in CRISPR/Cas keine Änderung zur regulären, alten Gentechnik und will die Genschere bislang genauso stark regulieren wie ältere Verfahren, die deutlich weniger präzise arbeiten. Allerdings könnte sich auch hier etwas ändern, wie das Fachmagazin "Transkript" schreibt. Deutschland und Frankreich, wo sich die Ampel in Sachen CRISPR/Cas bislang nicht recht festlegen will, könnten ein Zünglein an der Waage werden, um solche "neuen Züchtungsverfahren" vielleicht doch nicht als Gentechnik zu regulieren.

(bsc)