Balkonkraftwerke: Die Rolle von Vermietern und Kommunen

Mit einem Balkonkraftwerk spart man Stromkosten und hilft bei der Energiewende, sofern man den Vermieter überzeugt. Einige Kommunen fördern sogar den Einbau.

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Von
  • Jan Mahn
Inhaltsverzeichnis

Als elektrotechnischer Laie – das ist jeder, der nicht zertifizierte Elektrofachkraft oder -sachverständiger ist – hantiert man fast jeden Tag mit elektrischen Verbrauchern in unterschiedlichen Leistungsklassen. Mal wenige Watt wie das Handyladegerät, mal 2000 oder 3000 Watt von Wasserkochern, Fritteusen und Kochplatten. Solange man die Geräte nicht aufschraubt oder umbaut, darf man auch als elektrotechnischer Analphabet den Stecker in die VDE-Norm-konforme Steckdose stecken, das Gerät in Betrieb nehmen und wieder abschalten, ohne dafür ein Formular ausfüllen zu müssen.

Ganz anders sieht es aus, wenn ein Gerät über denselben Schuko-Stecker Energie ins Stromnetz einspeist, anstatt sie zu entnehmen – wie es die Balkonkraftwerke tun, die wir kürzlich ausführlich vorgestellt haben. Die Wechselrichter gibt es auch mit Schuko-Stecker zu kaufen, gespeist werden diese von Photovoltaikmodulen, auf die die Sonne scheint. Die kleinen Wechselrichter könnte man hochgestochen "mobile Elektrokleingeräte mit negativem Verbrauch" nennen und naiv annehmen, dass man sie wie Geräte mit positivem Verbrauch einfach einstöpseln dürfe. Die Energie, die das eigene Balkonkraftwerk ins heimische Stromnetz einspeist, muss man nicht mehr teuer vom Stromanbieter einkaufen – so spart man als Kraftwerksbetreiber bares Geld.

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Doch so einfach ist es in Deutschland nicht: Wechselrichter sind aus rechtlicher Sicht keine "negativen Kleinverbraucher”, sondern Energieerzeugungsanlagen und als solche müssen sie beim Netzbetreiber angemeldet und entsprechend der sogenannten Technischen Anschlussbedingungen des Netzbetreibers angeschlossen werden. Dass Balkonkraftwerke überhaupt existieren, liegt an einer Ausnahmeregelung für Energieerzeugungsanlagen bis 600 Watt: Für die gelten vereinfachte Bedingungen, anmelden darf sie der Betreiber selbst, auf einem vereinfachten Formular. Große Anlagen dagegen darf nur ein vom Netzbetreiber zugelassener Elektrofachbetrieb registrieren. Auf ihren Technischen Anschlussbedingungen dürfen die Netzbetreiber aus rechtlicher Sicht auch bei den kleinen Anlagen bestehen und darin fordern, dass die Anlage gemäß geltender Norm angeschlossen wird.

Die direkte Folge: Auf den Formularen zur Anmeldung muss man vielerorts versichern, den Wechselrichter mit einer separat zugeleiteten Einspeisesteckdose (vom Hersteller Wieland) und nicht über eine ordinäre Schuko-Dose angeschlossen zu haben. Im Normungsgremium des VDE wird über Sinn und Unsinn dieser Forderung seit Jahren gestritten und entschieden ist die Frage noch lange nicht – derzeit erfüllt nur die Wieland-Steckdose die Norm.

Dass die Netzbetreiber hier oft hart bleiben, bringt ihnen harsche Kritik ein: Sie hätten, so die Kritiker, kein Interesse an dezentraler Energieerzeugung, weil ihnen dadurch ja Einnahmen entgingen, würde jeder Haushalt einen Teil des Stroms selbst erzeugen. Für die Netzstabilität spiele es schließlich keine Rolle, welcher Steckdosentyp beim Stromkunden installiert ist. Die indirekte Folge: Spätestens seit den Energiepreissteigerungen Anfang 2022 wächst die Anzahl derer, die auf die Anmeldung beim Netzbetreiber ganz verzichten und die Anlage entgegen der Norm per Schuko anschließen. Laut einer Studie der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) Berlin ist das mehr als die Hälfte aller Betreiber.

Dadurch ist eine problematische Situation entstanden: Politischer Wille und Realität bewegen sich in unterschiedliche Richtungen. Auf allen Ebenen, von Brüssel über Berlin bis in fast jeden Gemeinderat hinein, lautet das erklärte Ziel: Weg von fossilen Energieträgern, hin zu erneuerbaren Quellen – jeder Haushalt, der tagsüber mit einem Balkonkraftwerk seinen eigenen Strom erzeugt, hilft angesichts der aktuellen Lage. Es gibt sogar lokale Förderprogramme, die beim Kauf der etwa 800 Euro teuren Anlagen unterstützen.

Zu den Förderern von Balkonkraftwerken gehören Braunschweig in Niedersachsen und Freiburg in Baden-Württemberg. In Braunschweig gab es gleich 400 Euro, wenn man eine 600-Watt-Anlage installiert. Doch das Programm hatte mehrere Haken: Im Antrag musste man versichern, dass man das Kraftwerk über eine separat zugeleitete Einspeisesteckdose angeschlossen hat und man musste auch die Rechnung eines Elektrikers einreichen. Und dann sind die 400 Euro plötzlich nicht mehr viel Geld: Gibt es nicht schon eine Direktverbindung zwischen der Balkonsteckdose und dem Sicherungskasten, muss ein Elektriker ein neues Kabel quer durch die Wohnung verlegen – vorausgesetzt, der Vermieter hat zugestimmt. Doch für Braunschweiger gibt es noch eine andere schlechte Nachricht: Laut Homepage der Stadtverwaltung stapeln sich bei der zuständigen Behörde noch 500 nicht bearbeitete Anträge, daher ist das Programm vorübergehend ausgesetzt.

In Freiburg sieht das anders aus: Dort gibt es pauschal 200 Euro, wenn man den Antrag stellt. Darin muss man lediglich ankreuzen, VDE-Normen eingehalten zu haben und dass ein Wieland-Stecker vorhanden ist. Als Nachweis reicht laut Formular ein Foto einer Wieland-Steckdose, eine Rechnung eines Elektrofachbetriebs ist nicht nötig. Ganz so hoch wie in Braunschweig ist die Nachfrage in der 230.000-Einwohner-Stadt Freiburg noch nicht: Auf eine Anfrage der Grünen antwortete die Stadt Ende Juni 2022, dass seit 2019 nur 204 Haushalte diese Förderung beansprucht hätten.

Ebenfalls wollten die Grünen von der Stadt erfahren, ob es Möglichkeiten gebe, die zweite große Hürde abzubauen – zumindest für Mieter der kommunalen "Freiburger Stadtbau GmbH". Denn der Vermieter muss bei einer Installation am Balkongitter stets zustimmen. Doch aus der Frage, ob man die Anlagen für Stadtbau-Mieter generell erlauben könne, windet sich die Stadt raus: "Aufgrund der Altersklassen und der damit verbundenen unterschiedlichen technischen Ausstattung im Wohnungsbestand der Freiburger Stadtbau GmbH kann keine generelle Einwilligung zur Anbringung einer Mini PV-Anlage erteilt werden." Stattdessen setze man auf individuelle Abstimmungen und schließe mit jedem Betreiber einen zusätzlichen Vertrag zum bestehenden Mietvertrag.

Ähnliche Fragen wie die Grünen in Freiburg stellten auch wir exemplarisch zwei Vermietern – und zwar den Schwergewichten Vonovia und Deutsche Wohnen. Von beiden Unternehmen wollten wir wissen, ob sie Balkonkraftwerke ihrer Mieter grundsätzlich unterstützen, vielleicht sogar generell gestatten, sofern es die Bedingungen vor Ort zulassen. Der erste Teil der Antwort von Deutsche Wohnen überraschte: Demnach habe man von rund 150.000 Haushalten aus dem eigenen Bestand erst eine einzige Anfrage zu dem Thema erhalten. Angesichts von allein 20.000 bei der Bundesnetzagentur gemeldeten Anlagen in Deutschland erscheint das sehr wenig. Grundsätzlich verweist Deutsche Wohnen auf andere Klimaschutzprojekte des Unternehmens, man sei aber "kleineren alternativen Möglichkeiten gegenüber offen". Generell genehmigen könne man die Anlagen nicht, allein weil jedes fünfte Gebäude im Bestand denkmalgeschützt sei. Zu guter Letzt kommt das Argument, das unsere Redaktion in Berichten von Lesern öfter erreichte. Deutsche Wohnen schreibt: "Nicht zuletzt hat jeder Anbau auch Auswirkungen auf das äußere Erscheinungsbild eines Gebäudes, ein Umstand, bei dem man auch die Gesamtbewohnerschaft eines Hauses im Blick haben muss."

Vonovia verweist ebenfalls zunächst auf eigene Photovoltaikprojekte auf den Dächern und Pläne für Mieterstrom, erkennt aber auch den Sinn von Balkonkraftwerken an: "Wir müssen daher so viel grünen Strom wie möglich dezentral erzeugen. Dafür können auch diese Module eine Rolle spielen." Auf die Frage, ob Mieter solche Module ohne Rücksprache anbringen dürfen, wird die Vonovia-Pressesprecherin dann überraschend deutlich: "Dort, wo keine Eingriffe am Gebäude notwendig und eine regelkonforme Installation (FI-Schalter, Steckkontakt, Blendwirkung) sichergestellt werden kann, haben unsere Mieterinnen und Mieter die Möglichkeit, diese Technologien beispielsweise auf/an ihrem Balkon zu installieren. Bauliche Maßnahmen dürfen unsere Mieterinnen und Mieter nicht am Gebäude vornehmen." Wir haben Ihnen die vollständige Antwort von Vonovia verlinkt, falls Sie an den Positionen des Konzerns im Einzelnen interessiert sind.

Unterschätzen darf man die Befestigungsfrage als Balkonkraftwerk-Einsteiger nicht. Mit "mal eben ans Geländer schrauben" ist es nämlich nicht getan. Tipps zur Installation haben wir bereits in [1] gegeben. Günstiger und wegen des Aufstellwinkels effizienter wäre es, aus den Balkonkraftwerken kleine Dachanlagen zu machen. Daher ein kleines Gedankenexperiment: Angenommen, man würde auf einem Mehrfamilienhaus zwei 300-Watt-Module pro Wohnung und zwei weitere für den Allgemeinstrom von einem Fachbetrieb installieren lassen. Dann könnte man die Mikrowechselrichter für je zwei Module zwischen Zähler und Wohnung anschließen und so die Kosten für jede installierte 600-Watt-Anlage deutlich senken. Auf diese Weise bräuchte man weder Balkonhalterungen noch Balkonsteckdosen. Bisher sind uns keine Gebäude bekannt, in denen dieses Gedankenexperiment bereits realisiert wurde – wir freuen uns aber über Rückmeldungen und weitere pragmatische Ideen. Bisher ist der steuerrechtlich und zählertechnisch nicht ganz triviale Mieterstrom für solche Szenarien das Mittel der Wahl. Der Besitzer des Mehrfamilienhauses baut dabei eine große Anlage aufs Dach und tritt gegenüber seinen Mietern selbst als Stromanbieter auf, hat dann aber auch das Risiko von Zahlungsschwierigkeiten sowie die Verwaltungsarbeit durch Ablesen und Abrechnen.

Die Welt werden Balkonkraftwerke allein nicht retten. Die im Vergleich zu großen Anlagen und Kraftwerken mickrig erscheinenden 600 Watt pro Haushalt leisten aber einen sinnvollen Beitrag zur Energiewende.

Dass es für die Kleinkraftwerke bis heute so hohe Hürden gibt, frustriert viele Interessenten verständlicherweise – und es ist schwer, zum Abbau der Hürden konkrete Forderungen an "die Politik" zu formulieren. Die Gemengelage aus Vermietern, VDE, Netzbetreibern und Kommunen, denen oft die lokalen Stadtwerke gehören, ist nicht leicht zu entwirren.

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(jam)