Binance: Händler im Iran konnten Kryptobörse trotz US-Sanktionen nutzen

Lücken im Compliance-Programm von Binance ermöglichten es Iranern, über die Kryptobörse Geschäfte zu machen. Mögliche Konsequenzen für Binance sind unklar.

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(Bild: Nadezda Murmakova/Shutterstock.com)

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Von
  • Andreas Knobloch
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Die weltweit größte Kryptobörse Binance hat trotz US-Sanktionen und des Verbots für Unternehmen, dort Geschäfte zu tätigen, weiterhin den Handel von Kunden im Iran abgewickelt. Das ergab eine Untersuchung der Nachrichtenagentur Reuters.

Reuters berichtete am Montag unter Berufung auf mehrere Interviews mit Händlern, dass Iraner trotz der 2018 verhängten US-Sanktionen gegen ihr Heimatland weiterhin an der Binance-Kryptobörse tätig waren. Im Jahr 2018 führten die Vereinigten Staaten Sanktionen wieder ein, die drei Jahre zuvor als Teil des Atomabkommens mit dem Iran ausgesetzt worden waren. Im November desselben Jahres informierte Binance Händler im Iran, dass es sie nicht mehr bedienen würde, und forderte sie auf, ihre Konten aufzulösen.

Laut Reuters sagten jedoch mehrere Händler, dass sie das Verbot umgangen und ihre Binance-Konten noch bis September 2021 genutzt hätten. Erst dann hätten sie den Zugang verloren, als Binance die Kontrollen zur Bekämpfung von Geldwäsche verschärfte. Bis zu diesem Zeitpunkt konnten Kunden handeln, indem sie sich lediglich mit einer E-Mail-Adresse registrierten. "Es gab einige Alternativen, aber keine von ihnen war so gut wie Binance", sagte eine Händlerin aus Teheran. "Sie brauchte keine Identitätsüberprüfung, also nutzten wir sie alle". Auch war es den Händlern wohl ein Leichtes, die Beschränkungen über virtuelle private Netzwerke (VPNs) und Tools zur Verschleierung von Internetprotokolladressen (IP) zu umgehen.

Reuters fand weitere elf Personen im Iran, die in ihren LinkedIn-Profilen angaben, mit Kryptowährungen auf Binance zu handeln. Binance ist laut CoinMarketCap die nach Handelsvolumen mit Abstand größte Kryptobörse der Welt.

Offen ist allerdings die Frage, an welche Ländervorschriften sich Binance halten muss. Die Kryptobörse entzieht sich immer wieder Regulierungsauflagen. Die Holdinggesellschaft von Binance hat ihren Sitz auf den Kaimaninseln, und die Hauptbörse Binance.com ist in den USA nicht verfügbar. US-Amerikanische Kunden nutzen stattdessen Binance.us, ein separates Unternehmen, das immer noch von Firmenchef Changpeng Zhao kontrolliert wird. Der Gründer der Kryptobörse Binance soll zu den reichsten Menschen der Welt gehören.

Auch sind es von den USA unilateral verhängte Sanktionen gegen den Iran. Anwälte, die mit Reuters sprachen, sagten, dass Binance aufgrund seiner Firmenstruktur zwar vor direkten US-Strafmaßnahmen geschützt, aber von extraterritorrialen Sanktionsverfügungen betroffen sein könnte, die Unternehmen aus Drittstaaten daran zu hindern suchen, Geschäfte mit Ländern wie dem Iran zu machen. Mögliche Sanktionen gegen Binance würden davon abhängen, ob sanktionierte Parteien auf der Plattform gehandelt haben und ob iranische Kunden durch ihre Transaktionen das US-Handelsembargo umgangen haben, so mehrere Anwälte gegenüber Reuters. Die Nachrichtenagentur hat nach eigenen Angaben keine Beweise dafür gefunden, dass sanktionierte Personen Binance nutzen.

Nachdem der damalige US-Präsident Donald Trump im Mai 2018 das Atomabkommen mit dem Iran platzen ließ und die Wiedereinführung der US-Sanktionen anordnete, fühte Binance den Iran zu einer Liste von "sanktionierten Ländern" in seinen Nutzungsbedingungen hinzu und erklärte, dass es Dienste dort "einschränken oder verweigern" könne. Im November 2018 warnte es seine Kunden im Iran per E-Mail, ihre Kryptowährungen "so schnell wie möglich" von ihren Konten abzuheben. Im August 2019 stufte Binance den Iran – zusammen mit Kuba, Syrien, Nordkorea und der Krim – als "HARD 5 SANCTIONED"-Gebiet ein, in dem man keine Geschäfte tätigen würde.

Klar aber scheint: Binance hat bis letztes Jahr seine Nutzer nur unzureichend auf Einhaltung der Compliance-Vorschriften überprüft, obwohl laut Reuters einige hochrangige Mitarbeiter des Unternehmens Bedenken geäußert hatten. Demnach war sich Zhao bewusst, dass Krypto-Nutzer die Kontrollen von Binance im Allgemeinen umgehen. Im November 2020 sagte er in einem Interview, dass "Nutzer manchmal intelligente Wege finden, um unsere Sperren zu umgehen, und wir müssen einfach intelligenter sein, was die Art und Weise angeht, wie wir sperren."

Es ist nicht das erste Mal, dass Binance gennant wird, weil es Nutzern oder sogar den Regierungen sanktionierter Länder geholfen hat. Im April berichtete Reuters, dass die Kryptobörse zugestimmt habe, die Namen von Personen, die an politische Gegner des russischen Präsidenten Wladimir Putin Geld gespendet haben, an die russischen Behörden weiterzugeben.

Laut einem anderen Bericht wurden 2,35 Milliarden US-Dollar über Binance gewaschen. Nordkoreas Hacker, russische Drogendealer, europäische Anlagebetrüger – sie alle sollen die Kryptobörse zur Geldwäsche genutzt haben. Vor Jahresfrist warnte Großbritannien vor Binance und schränkte die Tätigkeit der Kryptobörse ein. Diese habe keine Berechtigungen für "regulierte Tätigkeiten" in Großbritannien, hieß es.

(akn)