Schweizer Richterin verlangt Website-Sperrung von Providern

Eine Anordnung eines Schweizer Untersuchungsrichters löste heute große Verunsicherung und mitunter auch Empörung bei den IP-Providern im Alpenstaat aus.

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Von
  • Holger Bleich

Eine Anordnung einer Schweizer Untersuchungsrichterin löste heute große Verunsicherung und mitunter auch Empörung bei den IP-Providern im Alpenstaat aus: Die Netz-Betreiber sollen demnach binnen fünf Tagen den Zugang zu einer inkriminierten Website blockieren. Ansonsten drohe ihnen nach Schweizer Recht Geldstrafe und Freiheitsentzug. Empfänger der Anordnung waren viele große Schweizer Access-Provider, wie zum Beispiel Bluewin und Swisscom.

Gegen den Betreiber der betroffenen Website appel-au-peuple.org liegen nach Angaben der Untersuchungsrichterin vier Anzeigen, unter anderem wegen Ehrverletzung, vor. Bereits im September 2001 habe man ihm untersagt, seinen Auftritt online zu halten. Nachdem ihm sein Provider Sunrise die Site entzogen habe, sei er dem Zugriff der Schweizer Behörden entwichen, in dem er die inkriminierten Inhalte beim US-amerikanischen Provider Geocities veröffentlichte. Am 9. Dezember 2002 schließlich habe er ein 24-stündiges Ultimatum verstreichen lassen, um auch dort die Inhalte zu entfernen. Die restriktive Untersuchungsrichterin aus dem Kanton Waadt verlangt jetzt von den Providern, den Zugriff auf Inhalte unter drei URLs zu sperren sowie die Domain appel-au-peuple.org von ihren DNS-Servern zu entfernen.

Christian Schwarzenegger, Jura-Professor an der Universität Zürich, hält die Sachlage für keineswegs eindeutig. Im Gespräch mit heise online wies er darauf hin, dass die Untersuchungsrichterin ihre Verfügung auf eine Besonderheit der kantonalen Strafprozessordnung von Waadt stütze. Paragraf 177 dieser Ordnung gestatte es der Richterin, den "Zugang zu Orten" zu verbieten, an denen Straftaten stattfinden. In diesem Fall sei das nach Meinung des Richterin eben das Internet. Schwarzenegger hält diese Argumentation für anfechtbar.

Der Jurist empfiehlt Providern, die der Anordnung nicht innerhalb der fünftägigen Frist Folge leisten wollen, umgehend Einspruch zu erheben. Falls dies nicht rechtzeitig geschehe, sei damit zu rechnen, dass Anklage gegen die entsprechenden Provider erhoben werde. Der Einspruch, also ein so genannter Rekurs gegen die verhängte Zwangsmaßnahme, bewirke außerdem, dass die Anordung des Richters einer rechtlichen Prüfung unterzogen würde.

Sofort nach Erhalt der Verfügung begannen Schweizer Carrier-Administratoren eine lebhafte Diskussion auf der Mailing-Liste swinog. Man war sich schnell einig darüber, dass man die Anordnung nicht hinnehmen will. Einige große Provider kündigten bereits an, Einsprache gegen die Anordnung einlegen zu wollen. Bis zum morgigen Freitag will der Schweizer Verband Inside Telecom (VIT), eine Interessenvertretung für Telco-Anbieter, ein entsprechendes Musterschreiben für seine Mitglieder ausarbeiten. (hob)