Moderne Mainframe-Anwendungen: Frische Köpfe statt neuer Technik

Neu ist immer besser – oder? Wann und für wen die Modernisierung von Mainframe-Anwendungen Sinn ergibt, erklärt Heidi Schmidt im Interview.

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Lesezeit: 9 Min.
Von
  • Berthold Wesseler
Inhaltsverzeichnis

Unternehmen mit Tradition und Historie befinden sich oft in einem Teufelskreis bezüglich ihrer Mainframe-Anwendungen: Ihre Software ist über Jahrzehnte gewachsen und funktional umfangreich, technisch aber teilweise veraltet. Erfahrene Entwickler und Anwender gehen in Rente, ihr Expertenwissen geht verloren. Es fehlt zunehmend an Transparenz und Dokumentation der Prozessabläufe. Die notwendige Weiterentwicklung und Veränderung der Systeme wird dadurch komplexer und fehleranfälliger. Den Unternehmen drohen kurzfristig der technische Stillstand und mittel- bis langfristig der Verlust von Kunden und Märkten.

Die Mainframe-Interviews, Folge 8: Anwendungsmodernisierung - und wann sie sinnvoll ist

Wir wollen den Schleier des Mythos Mainframe lüften – und haben dazu wahre Kenner des Mainframe befragt. In dieser Folge sprechen wir mit Heidi Schmidt, Gesellschafterin der TIMETOACT Group & Geschäftsführerin der Ravensburger PKS GmbH, zu ihrem Spezialthema „Anwendungsmodernisierung“, welches sie unter dem Slogan „Wir gestalten die Zukunft“ sowohl für Mainframe- als auch IBM Power i -Anwendungen anbietet.

Blicken wir zunächst auf den Alters-Mix der Anwendungsprogramme auf dem Mainframe: Wie würden Sie den charakterisieren? Gibt es überhaupt noch Neuentwicklungen für den Mainframe?

Der große Vorteil, den IBM für Mainframe-Anwender von Anfang an zur Verfügung stellte, ist der hundertprozentige Investitionsschutz für die eigen entwickelten Anwendungsprogramme. Will heißen: Die Systemarchitektur sorgte immer schon dafür, dass die Kunden ihre in Software gegossenen Prozesse und damit Unternehmenswerte ohne große Mühe von einer Technologiegeneration auf die nächste mitnehmen konnten.

Dies war zum Beispiel im Windows- oder Unix-Umfeld meistens nicht der Fall. Somit haben wir natürlich „alte“ Programme auf dem Host – aber das muss ja nichts Schlechtes sein, wenn das Programm ausgereift, stabil und fehlerfrei läuft. Dann bringt es nichts – außer weiteren Kosten – dieses Programm noch mal neu zu schreiben!

Und natürlich gibt es auch Neuentwicklungen auf dem Mainframe – vielleicht oft nicht mehr in Cobol oder PL/1, sondern in Java. Gerade in Zeiten von Cloud und DevOps wird ja die Plattform, auf der ihre Anwendungen dann laufen, für Entwickler und Anwender immer weniger relevant. Es geht vielmehr um den Service, um die Zuverlässigkeit und um die Sicherheit der Daten – alles Punkte, bei denen der Mainframe allen anderen Plattformen überlegen ist.

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Sie sagen, dass Mainframes das operationale Tagesgeschäft stützen. Dann sollten die eingesetzten Anwendungsprogramme ja auch immer auf dem aktuellen Stand der Technik sein. Beobachten Sie das auch tatsächlich so in der Realität?

Die Anwendungen laufen stabil – das kann ich in jedem Fall bestätigen! Aber die teilweise über 40 Jahre alten Programme und der Vorteil, dass man den vorhandenen Code einfach immer „mitnehmen“ konnte auf neue Rechnermodelle, haben leider des Öfteren dazu geführt, die technischen Schulden, die sich bei jedem System ansammeln, nicht zu bereinigen.

Viele unserer Kunden kämpfen heute genau mit diesem Problem: Die technischen Schulden der Vergangenheit, wie zum Beispiel monolithische Code-Strukturen, fehlende Dokumentation usw. müssen bereinigt werden, damit auch der Nachwuchs eine Chance hat, in Zukunft von der Qualität und dem Leistungsspektrum der vorhandenen Anwendungen zu profitieren.

Wie oft werden Sie mit dem Thema „technische Schulden“ bei Ihren Mainframe-Kunden konfrontiert?

Immer! (lacht) Aber das hat natürlich schlichtweg mit unserem Firmenzweck zu tun. Wir bei PKS haben es zu unserer Hauptaufgabe gemacht, den Unternehmen bei der Beseitigung ihrer technischen Schulden mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Und der Bedarf ist in den letzten Jahren nur eins: gewachsen. Denn technische Schulden lösen sich nicht von selbst auf! Sie sind vielmehr spannenderweise sowohl bei einer Weiterentwicklung der Anwendung als auch bei ihrer Ablösung der Schlüssel zum Erfolg.