Hänselei wegen Sprachassistentin: Mädchen darf Zweitnamen bekommen

Ein Mädchen, das wegen seines Vornamens häufig erniedrigende Befehle hören musste, darf sich einen zweiten Vornamen zulegen, entschied ein Verwaltungsgericht.

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Symbolbild: Eine in Deutschland bekannte Sprachassistentin ist Alexa in Amazon-Geräten.

(Bild: dpa / Britta Pedersen)

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Ein minderjähriges Mädchen, dessen Vorname genauso lautet wie eine bekannte Sprachassistentin, darf sich einen zweiten Vornamen zulegen. Das hat das Verwaltungsgericht Göttingen entschieden. Das Mädchen setzte sich damit gegen die Verwaltung seiner Heimatstadt durch, die einen zweiten Vornamen nicht zulassen wollte (Az. 4 A 79/21).

Ihre Tochter leide, weil ihr Name mit dem eines bekannten Sprachassistenten identisch sei, erheblich unter Mobbing und Hänseleien, hatten die Eltern dem Verwaltungsgericht vorgebracht. Personen würden der Klägerin immer wieder Befehle erteilen, dies verunsichere und belaste die Klägerin seelisch sehr.

Die Stadtverwaltung hatte sich geweigert, den Vornamen zu ändern, und dafür Paragraf 3 des "Gesetzes über die Änderung von Familiennamen und Vornamen" vorgebracht. Darin heißt es, "ein Familienname darf nur geändert werden, wenn ein wichtiger Grund die Änderung rechtfertigt" – und dieser liege nicht vor, meinte das Gericht. Die seelische Belastung der Klägerin sei nicht durch ärztliche oder psychologische Gutachten belegt.

Der Wunsch der Eltern, den Namen zu ändern, beruhe vielmehr auf ihrer nachträglichen Reue und auf Befürchtungen, ihre Tochter könne gemobbt werden, argumentierte die Stadtverwaltung. Ein Produktname könne nicht automatisch dazu führen, dass gleichlautend benannte Menschen ihren Vornamen ändern dürfen. Insgesamt könne mit einiger Fantasie jeder Name ins Lächerliche gezogen werden.

Das Verwaltungsgericht meinte hingegen, es handele sich nicht nur um den Produktnamen, sondern auch um das Schlüsselwort, mit dem die Sprachassistentin aktiviert werde. Dadurch sei der Name "in einem besonders herausragenden Maße missbrauchsgeeignet". Da die Sprachassistentin zudem sehr bekannt sei, müsse auch künftig mit weiteren Hänseleien gerechnet werden.

Die seelische Belastung der Klägerin sei ein wichtiger Grund im Sinne des Namensänderungsgesetzes, sie müsse nicht den Grad einer behandlungsbedürftigen Krankheit erreicht haben, begründete das Gericht weiter. Die Eltern hätten in der mündlichen Verhandlung zahlreiche Vorfälle beschrieben, bei welchen die Klägerin aufgrund ihres Vornamens belästigt worden sei. Es sei nachvollziehbar, dass es wegen dieser Vorfälle zu einer seelischen Belastung gekommen sei. Dieser könne die Klägerin nichts entgegensetzen, weil sie dafür zu jung sei.

Der Name sei nicht bloß dazu geeignet, einen Wortwitz zu bilden, sondern lade vielmehr dazu ein, beleidigende und erniedrigende Befehle an Personen mit dem gleichen Namen zu erteilen. Zudem sei in der Rechtsprechung bereits geklärt, dass ein wichtiger Grund dann vorliegt, wenn die privaten Interessen an der Namensänderung die öffentlichen überwiegen. Schließlich handele es sich um den Vornamen, der im Gegensatz zum Familiennamen weniger als Unterscheidungs- und Zuordnungsmerkmal diene. Die Klägerin habe bisher nicht erheblich am Rechtsverkehr teilgenommen. Außerdem bleibe durch die Hinzufügung lediglich eines zweiten Vornamens ein gewisser "Wiedererkennungswert" beim Namen der Klägerin erhalten.

Die Stadt kann innerhalb eines Monats gegen die Entscheidung beim Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht in Lüneburg einen Antrag auf Zulassung der Berufung stellen. Um welchen Sprachassistenten es sich konkret handelt, teilte das Verwaltungsgericht Göttingen auch auf Anfrage von heise online nicht mit, um die Beklagte zu schützen. Es gehe auf der anderen Seite auch darum, die Öffentlichkeit für das Problem zu sensibilisieren.

Die in Deutschland bekannteste Sprachassistentin ist die hier vor sechs Jahren eingeführte Alexa, die Amazon in seinen Echo-Geräten verwendet. Statistiken der Gesellschaft für deutsche Sprache zufolge war der Name in der Rangliste der beliebtesten weiblichen Vornamen von Platz 200 im Jahr 2010 auf Platz 1064 (2019) abgestürzt. Daneben gibt es beispielsweise Cortana von Microsoft und Siri von Apple.

(anw)