Tech-Konzerne wollen Schaltsekunde abschaffen, um Internet-Abstürze zu vermeiden

Die Synchronisierung der Uhren mit der Erdrotation verursache mehr Probleme als Vorteile, heißt es. Wichtige Regierungsbehörden unterstützen den Vorstoß.

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Bahnhofsuhr

Bahnhofsuhr - Uhr auf einem Bahnsteig im Bahnhof Düsseldorf Flughafen

(Bild: MediaPortal der Deutschen Bahn)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Andreas Knobloch
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Die Tech-Giganten Google, Microsoft, Meta und Amazon haben am Montag eine öffentliche Kampagne zur Abschaffung der Schaltsekunde gestartet. Seit dem Jahr 1972 haben die Zeitmessungsbehörden der Welt 27 Mal eine Schaltsekunde in die als Internationale Atomzeit (TAI) bekannte Weltzeituhr eingefügt.

Die Schaltsekunde wurde eingeführt, um die Weltzeit mit der Erdrotation zu synchronisieren, damit die Zeit mit dem Stand der Sonne harmonisiert. Anstatt des Wechsels um Mitternacht von 23:59:59 auf 00:00:00, wird eine zusätzliche Sekunde (23:59:60) eingefügt. Das verursacht jedoch eine Menge Anpassungsschwierigkeiten für Computer.

Die Zeitverschiebung verursacht mehr Probleme – wie Internetausfälle – als sie Vorteile bringt, heißt es vonseiten der Techfirmen. Außerdem sei es letztlich sinnlos, sich mit Schaltsekunden zu befassen, da sich die Rotationsgeschwindigkeit der Erde in der Vergangenheit kaum verändert habe.

"Wir gehen davon aus, dass wir, wenn wir uns einfach an die TAI ohne Schaltsekundenbeobachtung halten, für mindestens 2.000 Jahre gut dastehen sollten. An diesem Punkt müssen wir vielleicht eine Korrektur in Betracht ziehen", zitiert das Techportal CNET aus einer Email des Forschers Ahmad Byagowi von der Facebook-Muttergesellschaft Meta.

Die Tech-Giganten und zwei wichtige Regierungsbehörden sind sich laut CNET einig, dass es an der Zeit ist, die Schaltsekunde abzuschaffen. Demnach unterstützen das US National Institute of Standards and Technology (NIST) und sein französisches Pendant, das Bureau International de Poids et Mesures (BIPM), den Vorstoß.

Diese staatliche Unterstützung ist von entscheidender Bedeutung, da letztlich Regierungen und Wissenschaftler – und nicht Technologieunternehmen – für das globale Uhrensystem verantwortlich sind.

Über die Abschaffung der Schaltsekunde diskutieren Wisschenschaftler schon seit Jahren. Immer wieder steht bei Treffen der International Telecommunication Union (ITU) die Zukunft der Schaltsekunde auf dem Tableau. Allerdings konnten sich 2005 die Gegner der Schaltsekunde vorerst nicht durchsetzen.

Die Umstellung auf die Schaltsekunde führte 2012 zu einem massiven Ausfall von Reddit sowie zu ähnlichen Problemen bei Mozilla, LinkedIn, Yelp und dem Flugbuchungsdienst Amadeus. Eine falsche Schaltsekunde störte Linux-Systeme.

Im Jahr 2015 dann vertagte die ITU die Entscheidung über die Schaltsekunde auf 2023. Im Jahr 2017 legte eine Schaltsekundenstörung bei Cloudflare einen Teil der Server der Kunden des Netzwerkinfrastrukturunternehmens lahm.

Tech-Unternehmen versuchen auf unterschiedliche Weise, mit den Problemen durch das Hinzufügen der Schaltsekunde umzugehen. Google setzt dafür in seinem NTP-Server beispielsweise auf eine Technik, die die Schaltsekunde über eine gewisse Zeitperiode "schmiert". Der Suchmaschinengigant hat die Idee des "Schaltsekundenabstrichs" entwickelt, der die Schaltsekunde in vielen kleinen Schritten im Laufe eines Tages ändert. Facebook wiederum bietet einen öffentlichen NTP-Dienst auf Basis von chrony an, um die Genauigkeit von 10 Millisekunden auf 100 Mikrosekunden zu verbessern. Viel lieber wäre den Tech-Konzernen aber eine Abschaffung der Schaltsekunde.

(akn)