Necrobotics: Tote Spinne ersetzt Robotergreifer

Maschinenbauingenieure der Rice University nutzen Spinnen als "biologisches Material" für einen Robotergreifer. Sie bezeichnen das als "Necrobotics".

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In das "Hydrauliksystem" einer toten Spinne wird Luft induziert, um ihre Beine als biologischen Greifer nutzen zu können.

(Bild: Rice University)

Lesezeit: 4 Min.

In der Roboterforschung nehmen sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler oft die Natur zum Vorbild, wenn sie neue Roboterfunktionen entwickeln. Anders gehen die Maschinenbauingenieure der Rice University im US-Bundesstaat Texas vor: Sie nutzen gleich das, was ihnen die Natur bietet: tote Spinnen. Deren Gliedmaße werden über ein Ventilsystem und den Blutdruck der Insekten gesteuert. Die Forscher nutzen das aus, um die Spinnen als eine Art "hydraulischen" Greifer zu verwenden, der mitunter mehr als das Eigengewicht der Spinne heben kann.

Veröffentlicht hat das Wissenschaftsteam der Rice University ihre Arbeit mit dem Titel "Necrobotics: Biotic Materials as Ready-to-Use Actuators" in Advanced Science. Zugleich nennen sie das Forschungsgebiet "Necrobotics", um deutlich zu machen, dass totes Material ehemaliger Lebewesen in Roboter integriert wird.

Zum Einsatz kommt bei dem Forschungsansatz eine tote Wolfsspinne. Im Gegensatz zu Säugetieren, die ihre Gliedmaßen über entgegengesetzt arbeitende Muskeln bewegen, nutzen Spinnen den Blutdruck, um ihre Beine zu strecken und einem antagonistischen Beugemuskel entgegenwirken. Befindet sich kein Blut in den Beinen, dann sind sie zusammengezogen – der Grund, warum tote Spinnen angezogene Beine haben. Um den Druck zu steuern, verwenden Spinnen eine Kammer in Kopfnähe, die sie zusammenziehen. Dann wird das Blut in die Beine geleitet und die Beine gezwungen, sich zu strecken. Das reicht für gezielte Beinbewegungen aus.

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Diese Eigenschaft nutzen die Forscherinnen und Forscher, um verendete Spinnen als natürlichen Mini-Greifer zu verwenden. "Zufällig ist es so, dass die Spinne nach ihrem Tod die perfekte Architektur für kleine, natürlich abgeleitete Greifer ist", sagt Daniel Preston, einer der Autoren der Studie. Die Spinne ist dabei nach nur einem Montageschritt voll funktionsfähig, schwärmt das Forscherteam. Langwierige Herstellungsverfahren, wie sie fluidisch angetriebene Aktoren und Greifer benötigen, entfallen damit.

Damit der Spinnengreifer funktioniert, induzieren die Forscherinnen und Forscher Luft in das hydraulische System, sodass sich die angezogenen Spinnenbeine strecken. Bei der verwendeten Wolfsspinne kann sie als Greifer umfunktioniert das 1,3-fache ihres Eigengewichtes heben und eine Kraft von 0,35 Millinewton ausüben. Dabei kann der Greifer verschiedene Objekte unterschiedlicher Form und Oberflächenstruktur aufnehmen. Eine Kombination aus inhärent nachgiebigen Beinen sowie den haarähnlichen Strukturen, die wie Klebstoff wirken, helfe dabei.

Spinnenarten verschiedener Größe würden jeweils unterschiedliche Greifkräfte entwickeln, mutmaßen die Forscher. Goliathspinnen, die ein Gewicht von 200 Gramm erreichen können, haben den Berechnungen des Forscherteams zufolge die Kraft, etwa 20 Gramm, also 10 Prozent ihres Körpergewichtes, zu heben. Winzige, deutlich leichtere Spinnen können dagegen das 300-fache ihres eigenen Gewichtes tragen, heißt es von den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern.

Ewig hält ein solcher biologischer Spinnengreifer aber nicht. Rund 700 Betätigungszyklen ermittelte das Forscherteam als Minimum. Nach 1000 Zyklen stellten sie Risse in den Gelenken, vermutlich aufgrund von Austrocknung, fest. Dann nimmt die Funktion des Systems ab. Die Forscher sind sich sicher, dass die Haltbarkeit verlängert werden könnte, wenn die Spinne mit Bienenwachs überzogen wird.

Dem Wissenschaftsteam ist bewusst, dass die Forschung aus ethischen Gesichtspunkten problematisch ist. In ihrer Studie schreiben sie: "Das biotische Rohmaterial (d. h. der Spinnenkadaver) wurde durch Einschläfern einer Wolfsspinne gewonnen, die 5 bis 7 Tage lang der Gefriertemperatur (etwa -4 °C) ausgesetzt wurde. Die Forscher stellen fest, dass es in der Literatur derzeit keine klaren Richtlinien für die ethische Beschaffung und humane Euthanasie von Spinnen gibt."

Die Forscherinnen und Forscher wollen dennoch ihre Untersuchungen fortführen. Ihrer Ansicht nach bieten Insekten das höchste necrobotische Potenzial und seien nebenher "biologisch abbaubar". In Zukunft wollen sie etwa Hochgeschwindigkeits-Gelenkbewegungen anhand von Peitschenskorpionen untersuchen und ihre Arbeit auf Mikro-Spinnen ausweiten.

(olb)