Leak: Tiktok lässt Beziehung zu China öffentlich herunterspielen

Tiktoks PR-Abteilung soll Informationen kleinreden und zurückhalten. Das zeigen interne Dokumente. Es geht etwa um den Mutterkonzern Bytedance und junge Nutzer.

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(Bild: XanderSt/Shutterstock.com)

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Die PR-Abteilung von Tiktok ist offenbar angewiesen, heikle Themen herunterzuspielen und gezielt unkonkrete oder unvollständige Informationen herauszugeben. Das legt ein Bericht des Portals Gizmodo nahe, der sich auf zwei interne Dokumente von Tiktok stützt, die dem Portal vorliegen. Dabei handele es sich um Anweisungen für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der PR-Abteilung.

Das umfangreichere Dokument enthalte diverse Schlüsselbotschaften, die Tiktok verbreiten wolle, so der Bericht von Gizmodo. Gleich in den ersten vier Zeilen kommen offenbar neben dem Allgemeinplatz, dass TikTok als Marke bzw. Plattform hervorgehoben werden solle, drei deutliche Anweisungen: Kleingeredet werden sollen Tiktoks Muttergesellschaft Bytedance, die Verbindung zu China und das Thema KI. Das weist darauf hin, dass diese Themen bei Tiktok als besonders problematisch für das eigene Image gelten.

Zu den unliebsamen Themen gehört wohl auch das geringe Alter der Tiktok-Nutzerschaft. Laut den geleakten Dokumenten solle die PR-Abteilung stets betonen, dass junge Menschen Tiktok lieben würden, die App aber nur für Menschen ab 13 Jahren gedacht sei. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Öffentlichkeitsarbeit dürfen daher auch nicht von "Kindern" sprechen, sondern von jungen Menschen.

Mögliche Bedenken, dass diese jungen Menschen in der Tiktok-App das Geld ihrer Eltern ausgeben könnten, solle die PR-Abteilung entkräften: Die App habe ein Ausgabelimit, sollen die Mitarbeitenden kontern. Dass dieses bei 1000 US-Dollar pro Tag liege, erfahren die PR-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter offenbar nur "zur internen Information".

Um auf Anfragen zu China oder dem Mutterkonzern Bytedance zu reagieren, bekommen die PR-Beauftragten in den internen Dokumenten eigens O-Töne an die Hand. Auf Fragen zur Beziehung zwischen Tiktok und ByteDance solle die PR-Abteilung antworten, dass Tiktok-Mitarbeitende sich nicht zur Dachgesellschaft äußern könnten. Sie bekommen aber anscheinend detaillierte Informationen zu Bytedance – unter der Anweisung "NICHT VERWENDEN". Möglichen Fragen nach der Beziehung zu China sollen die Tiktok-Mitarbeitenden offenbar ausweichen, indem sie die Beziehungen zu den USA und zu globalen Investoren betonen.

Ebenfalls ein kritisches Thema ist anscheinend der Empfehlungs-Algorithmus von Tiktok. Hier sollen sich die Öffentlichkeitsbeauftragten laut den geleakten Dokumenten nicht auf Diskussionen einlassen ("No algo talk"), sondern behaupten, dass der personalisierte Feed die Entdeckung neuer Musik fördere. Dieser Punkt im Abschnitt "Musik" sei sogar rot hervorgehoben, so der Bericht von Gizmodo über die Dokumente.

Auch auf die Moderation bei Tiktok gehen die Dokumente offenbar ein. In der Öffentlichkeit solle betont werden, dass Tiktok ein junges Unternehmen sei und aus seinen Fehlern gelernt habe. Nun seien lokale Teams für die Moderation von Inhalten zuständig und würden dies an den jeweiligen Markt anpassen. 2019 war bekannt geworden, dass die Moderationsteams auf Tiktok angewiesen waren, Inhalte zu zensieren, die etwa mit dem Tiananmen-Platz zu tun hatten. Die jetzt geleakten Dokumente legen nahe, dass diese Praxis bei Tiktok für manche Märkte nach wie vor als angemessen angesehen wird.

Was den Datenschutz angeht, zeigt Tiktok mit dem Finger auf andere. Die PR-Anweisungen betonen hier offenbar, dass andere Plattformen ebenfalls Daten sammeln würden. Im Vergleich mit vielen davon sammele Tiktok ebenso viel oder weniger Daten, auch die Art der gesammelten Daten sei ähnlich. Tiktok rühme sich damit, im Gegensatz zu anderen Plattformen keine detaillierten Standortdaten zu sammeln, so Gizmodo. Ein Bearbeitungskommentar in dem internen Dokument markiere den Abschnitt mit drei roten Ausrufezeichen.

Welchen Einfluss die geleakten Dokumente auf die Öffentlichkeitsarbeit bei Tiktok haben, zeige sich laut Gizmodo in mehreren Presse-Statements. Diese hätten oft einen ähnlichen Wortlaut wie die Schlüsselbotschaften aus den Dokumenten – und das beziehe sich nicht nur auf Stellungnahmen gegenüber Medien, sondern etwa auch auf die Aussage einer Führungskraft von Tiktok vor dem Parlament des Vereinigten Königreichs und auf Briefe von Tiktok an US-Senatoren. Eine Anfrage von heise online nach einer Stellungnahme von Tiktok läuft.

(gref)