Energiekrise: Grüne und FDP zanken über Atomkraft, Söder für Fracking im Norden

Sollen die letzten Atomkraftwerke in Deutschland weiterlaufen? Die Grünen stellen sich in dieser Debatte gegen ihren Bundeskoalitionspartner.

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Atomkraftwerk Emsland

(Bild: RWE)

Lesezeit: 4 Min.

In der Debatte über die Verlängerung der Laufzeiten der in Deutschland verbliebenen Atomkraftwerke stellt sich die Parteispitze der Grünen gegen Forderungen des Koalitionspartners FDP. Nachdem sich der Parteichef der Liberalen Christian Lindner am Wochenende erneut dafür ausgesprochen hatte, die AKW weiterzubetreiben, erwiderte die Grünen-Co-Vorsitzende Ricarda Lang, Lindner wolle damit einen Wiedereinstieg in die Atomkraft. "Und das wird es mit uns auf jeden Fall nicht geben."

In Richtung des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) schrieb Lang auf Twitter, "sinnvoller als Fracking im Norden wäre Windkraft in Bayern". Damit antwortete sie auf eine Anregung Söders, eigene Gaskapazitäten zu nutzen. Es sei sinnvoll zu prüfen, ob es neue und umweltverträgliche Methoden gebe. Solche Kapazitäten gebe es vor allem in Niedersachsen. Der dortige Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) erwiderte Söder auf Twitter in ähnlichem Wortlaut wie Lang: "Wie wär's mit Windkraft in Bayern?"

Weils Parteikollege Mathias Miersch, stellvertretender Bundestagsfraktionsvorsitzender der SPD, bezeichnete Lindners erneute Forderung indirekt als "populistischen Schnellschuss". In der Frage der Laufzeitverlängerung für AKW müsse zunächst der von der Bundesregierung veranlasste, momentan laufende Stresstest abgewartet werden. Wie die Grünen-Vorsitzende Lang regte Miersch an, kriegsbedingte Gewinne der Energiebranche mit einer Abgabe zu belegen, um so die erheblichen Mehrkosten durch verteuerte Energie auszugleichen. Die FDP hat sich bereits gegen eine solche Übergewinnsteuer ausgesprochen.

Lindner geht davon aus, dass die deutschen Atomkraftwerke notfalls bis 2024 am Netz bleiben müssten. Die Co-Fraktionsvize der Grünen im Bundestag, Katharina Dröge, sieht so wie ihre Parteichefin in der Forderung einen möglichen Schritt in Richtung Wiedereinstieg in die Atomkraft in Deutschland. Sie betonte, die 15 Prozent des Stroms, die mithilfe des Gases erzeugt würden, könnten niemals durch die Atomenergie ersetzt werden. Ob Atomkraft einspringen müsse, um eine mögliche Stromlücke zu schließen, müsse der Stresstest ergeben.

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Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hatte vormals betont, es gebe in Deutschland kein Strom-, sondern ein Gasproblem. Mitte Juli veranlasste er eine weitere Sonderanalyse der Stromversorgung in Deutschland; dies auch vor dem Hintergrund einer verschärften Stromknappheit in Frankreich, da dort zurzeit viele Atomkraftwerke nicht am Netz sind und Deutschland Strom dorthin exportiert. Auf diesen Umstand kam auch Dröge zu sprechen; Frankreich zeige, dass Atomkraft nicht krisenfest sei.

Der Präsident des Bundesamtes für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE), Wolfram König, hat sich in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (FAS) gegen eine Laufzeitverlängerung ausgesprochen. "Eine solche Abschätzung müsste nicht nur die Sicherheit der Atomkraftwerke berücksichtigen, sondern auch die Entsorgung der radioaktiven Abfälle." Das BASE hatte vergangene Woche bereits seine Argumente ausführlich dargelegt. In der FAS fasste König zusammen, die gesamtgesellschaftlichen Kosten einer Verlängerung der AKW-Laufzeiten seien erheblich.

Unkonventionelles Fracking, also die Gewinnung von Erdgas durch Ressourcen-strapazierenden Aufschluss von Gesteinsschichten wie Ton, Schiefer und Mergel, ist seit 2017 in Deutschland verboten. Das Flüssiggas (LNG), das nun als Ersatz für das russische Erdgas nach Deutschland importiert wird, wird zum Teil aus solchem Fracking stammen. Laut Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) gibt es die größten Vorkommen von Schiefergas in Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und auf Rügen. 2016 schätzte die BGR die Vorkommen an Schiefergas in Deutschland auf bis zu 2340 Milliarden Kubikmeter, etwa 90 Milliarden werden in Deutschland jährlich verbraucht. "Konventionelles Fracking" wird in Sand- und Karbonatgesteinen betrieben. Aus solchen Lagerstätten stammten 2017 ein Drittel der in Deutschland geförderten Gasmengen.

Drei AKW sind noch in Deutschland in Betrieb (7 Bilder)

Seit März 1984 ist Block C des AKW im bayerischen Gundremmingen in Betrieb. Block A war von 1967 bis 1977 in Betrieb. Der 1984 ans Netz gegangene Block B wurde am 31. Dezember 2017 abgeschaltet, Block C – ebenfalls 1984 in Betrieb genommen – folgte Ende 2021. (Bild: kkw-gundremmingen.de)

(anw)