Im Falle einer Invasion Taiwans: "Niemand kann TSMC mit Gewalt kontrollieren"

China will einen diplomatischen US-Besuch in Taiwan verhindern; Staatschef Xi Jinping drohte mit Vergeltung. TSMC sieht die Situation derweil gelassen.

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(Bild: Taiwan Semiconductor Manufacturing Co., Ltd.)

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Die Spannungen zwischen den USA und China wachsen dieser Tage wieder. Grund ist ein möglicher Besuch von Nancy Pelosi in Taiwan: Pelosi ist Sprecherin des Repräsentantenhauses der Vereinigten Staaten, womit dieser Besuch einen diplomatischen Charakter hätte – auch wenn das Weiße Haus bestreitet, in den Plänen involviert zu sein oder ein Mitspracherecht bei der Situation zu haben.

Sowohl die Volksrepublik China (alias Festland-China) als auch Taiwan sehen sich jeweils als das wahre China an, Taiwan nennt sich selbst Republik China. Die Kommunistische Partei Chinas erkennt die Unabhängigkeit Taiwans seit jeher allerdings nicht an und drohte schon wiederholt mit der Wiedereingliederung – notfalls mit Gewalt.

Um den Konflikt nicht zu eskalieren, gibt es einen Status quo, bei dem die meisten westlichen Länder Taiwan offiziell nicht als eigenständigen Staat anerkennen, ihn aber weitgehend als einen solchen behandeln. Diplomatische Besuche waren bislang ein Tabu – Pelosi wäre die ranghöchste US-Politikerin seit Jahrzehnten, die nach Taiwan reist.

In einem Telefonat mit US-Präsident Joe Biden sagte Xi Jinping: "Die öffentliche Meinung darf nicht verletzt werden. Und wer mit dem Feuer spielt, verbrennt sich. Ich hoffe, die US-Seite kann das klar erkennen." Das Telefonat zwischen den beiden Staatschefs soll länger als zwei Stunden gedauert haben.

Taiwan ist für die komplette Welt ein wichtiger Standort, weil der weltweit größte Chipauftragsfertiger TSMC dort die meisten seiner Halbleiterwerke unterhält und die modernsten CPUs, GPUs, Smartphone-Prozessoren und andere Chips produziert. US-Hersteller wie Apple, AMD, Nvidia und Qualcomm, aber inzwischen auch Intel sind auf TSMC genauso angewiesen wie chinesische Firmen. Im zweiten Quartal 2022 machten chinesische Abnehmer rund 13 Prozent von TSMCs Umsatz aus, also weit mehr als 2 Milliarden US-Dollar.

TSMC wird wegen seiner Fertigungsexpertise als das wertvollste asiatische Wirtschaftsgut betrachtet, was sich auch im Börsenwert von derzeit gut 425 Milliarden Euro widerspiegelt. Aber auch UMC als weltweit drittgrößter Chipauftragsfertiger sitzt in Taiwan und ist unter anderem für die Automobilindustrie wichtig.

Somit dienen TSMC und UMC gewissermaßen auch als Schutzschild für Taiwan: Je stärker die gesamte westliche Welt an der Unabhängigkeit Taiwans interessiert ist, desto weniger wird sie eine Invasion durch China zulassen. Derzeit pumpen die taiwanischen Firmen und die Regierung Unsummen in die lokale Halbleiterfertigung.

In einem seltenen (Kurz-)Interview mit dem US-Sender CNN äußerte sich TSMCs Vorstandsvorsitzender Mark Liu zum schwelenden Konflikt: "Niemand kann TSMC mit Gewalt kontrollieren. Wenn jemand mit militärischer Gewalt oder durch eine Invasion eindringt, werden die TSMC-Halbleiterwerke nicht mehr funktionsfähig sein, denn es handelt sich um so hochentwickelte Produktionsanlagen, die von der Echtzeit-Anbindung mit der Außenwelt – mit Europa, mit Japan, mit den USA – abhängt, von Materialien über Chemikalien bis hin zu Ersatzteilen, technischer Software und Diagnose. Und es ist die Anstrengung aller, diese Halbleiterwerke funktionsfähig zu machen. Wenn man sie also mit Gewalt übernimmt, kann man sie nicht mehr betriebsfähig halten."

Laut Liu hat China selbst ein großes Interesse daran, dass die taiwanischen Halbleiterwerke weiterlaufen, da viele benötigte Chips schließlich von dort stammen. Der führende chinesische Chipauftragsfertiger SMIC hat inzwischen zwar einen lauffähigen 7-Nanometer-Prozess, produziert bisher aber nur sehr kleine, simpel aufgebaute Chips in vergleichsweise geringer Kapazität.

Zudem appelliert Liu mit Blick auf Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine, dass niemand vom Krieg profitiert. Alle Seiten eines Konflikts würden nur verlieren.

(mma)