De-Globalisierung: Kann Europa sich selbst mit Lithium versorgen?

In unserer Serie zur De-Globalisierung schauen wir, inwiefern sich Deutschland und Europa von Import-Abhängigkeiten lösen könnte. Wie sieht es bei Lithium aus?

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Solebecken zur Gewinnung von Lithiumcarbonat in der Wüste des US-Bundesstaats Nevada.

Lithium-Gewinnung in der Wüste von Nevada.

(Bild: Neil Lockhart/Shutterstock.com)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Rainer Kurlemann
Inhaltsverzeichnis

(This article is also available in English)

Es ist fast 200 Jahre her, da beschäftigte sich Christian Gottlob Gmelin mit Gesteinen unterschiedlicher Herkunft. Der deutsche Chemiker hat eine Nachweismethode für das chemische Element Lithium entwickelt. 1826 entdeckt Gmelin, dass das Mineral Zinnwaldit aus dem Erzgebirge Lithium enthält.

Damals interessierte sich kaum jemand für den Rohstoff Lithium, heute ist das anders. Das Metall könnte den nach der Wiedervereinigung beendeten Bergbau im Erzgebirge wiederbeleben. In Zinnwald, an der Nähe der tschechischen Grenze, hat die Deutsche Lithium GmbH in diesem Sommer ihre Serie von Probebohrungen fortgesetzt. Das Bergbauunternehmen will die Dicke der Lagerstätte und den Lithiumgehalt des Gesteins ermitteln.

Über Rohstoffe und De-Globalisierung:

Shenzhen, Hafen von Yantian

(Bild: zhangyang13576997233 / Shutterstock.com)

Die vergangenen Monate haben schmerzlich gezeigt, dass die Abhängigkeit von Ressourcen einen hohen Preis hat. Doch lässt sich das Rad noch zurückdrehen? Werfen wir also einen Blick auf die Versorgungslage. Wie weit sich Europa mit strategisch wichtigen Rohstoffen selbst versorgen könnte und was das für die Industrie bedeutet, wollen wir mit einer Rohstoff-Artikelserie erkunden.

23 Bohrungen mit bis zu 400 Meter Tiefe haben die Ingenieure seit 2011 im Erzgebirge durchgeführt. Das Ergebnis ist ermutigend. Die Lagerstätte ist vermutlich mehr als 100 Meter dick. Die Firma schätzt, dass auf der deutschen Seite des Erzgebirges 125.000 Tonnen Lithium abgebaut werden könnten. Die Vorkommen auf der tschechischen Seite sollen noch größer sein. Die Region sei eine der größten Lagerstätten Europas, berichtet Deutsche Lithium.

Lithium ist ein wichtiger Rohstoff für Aluminiumlegierungen und den Bau von Batterien. Die weltweite Jahresproduktion lag 2020 bei etwa 100.000 Tonnen. Die Deutsche Rohstoffagentur (Dera) rechnet damit, dass der globale Bedarf an diesem Metall bis zum Jahr 2040 auf das Vier- bis Sechsfache der heutigen Fördermenge steigen wird. Mehr als die Hälfte des Lithiums stammt aktuell aus Bergbaubetrieben in Australien, ein Drittel aus Salzseen in Argentinien und Chile, 14.000 Tonen liefert China.

Lithium gehört nicht zu den seltenen Elementen. Experten schätzen laut US Geological Survey das bekannte Reservoir auf 80 Millionen Tonnen. 50 Millionen davon lagern in Argentinien, Chile und Bolivien. Die europäischen Reserven werden in dieser Studie mit 4,7 Millionen Tonnen beziffert.

Deutschland hat bisher versucht, Liefersicherheit durch ein Joint-Venture mit einem süddeutschen Unternehmen in Bolivien zu erreichen. Das südamerikanische Land will eine jährliche Produktion von 40.000 Tonnen Lithium aufbauen. Der damalige Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) unterzeichnete 2018 eine entsprechende Absichtserklärung. Doch nach dem Regierungswechsel in Bolivien sind nun offenbar nur noch vier chinesische, ein US-amerikanisches und ein russisches Unternehmen im Rennen.

In Südamerika wird Lithium häufig nicht bergmännisch gewonnen, hier wird lithiumsalzhaltiges Wasser an die Oberfläche gepumpt, das dort verdunstet. Die verbleibenden Lithiumsalze müssen dann nur noch aufgearbeitet werden; Deutschland besitzt die Technologie dafür. Lithium wird nicht als Metall gehandelt, sondern überwiegend als Lithiumcarbonat oder -hydroxid.

Unabhängig davon, ob Lithium in Bergwerken oder Salinen gewonnen wird: Global gesehen spielen europäische Firmen bei der Gewinnung dieses Rohstoffs keine Rolle. Europa ist von den Herstellern und den Abbauländern abhängig. Das soll sich ändern. Lithium gehört zu den Rohstoffen, bei denen im Rahmen der europäischen Rohstoffallianz (ERMA) der politische Wille besteht, die Abhängigkeit zu beenden.

Wissenschaftler haben mehrere große Lithiumlagerstätten entdeckt: Nicht nur im Erzgebirge, auch im britischen Cornwall, in Spanien, Portugal, Serbien und Finnland könnte sich der Bergbau lohnen. Allerdings sind die Lithium-Bergleute nicht überall beliebt. Denn anders als beispielsweise bei der Kohle ist der Lithiumgehalt in den Gesteinen oft niedrig. Was aus den Bergwerken geholt wird, muss zunächst gemahlen, dann angereichert und schließlich chemisch bearbeitet werden. Das ist nicht nur teuer. Bei der Aufarbeitung entsteht bis zu zehnmal soviel Abraum wie Lithiumerz und sie kann auch die Umwelt belasten.

Die größte Lithiumquelle Europas könnten unterirdische Wasservorkommen sein: die Tiefenwasser des Oberrheingrabens, eine 300 Kilometer lange Tiefebene zwischen Frankfurt und Basel. Dort stehen mehrere Geothermiekraftwerke, in denen warmes Wasser aus der Tiefe geholt und nach der Wärmeabgabe wieder in die Tiefe gepumpt wird. Pro Jahr strömen dort bis zu zwei Milliarden Liter Thermalwasser durch die Leitungen.

Die Wissenschaftler am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) wollen dem Wasser demnächst nicht nur Wärme entziehen, sondern auch das Lithium abtrennen. Dazu benutzen sie in ihren ersten Anlage Ionensiebe, die bis zu 70 Prozent des Lithiums aufnehmen sollen, während das Wasser an ihnen vorbeiströmt, bevor es wieder in die Tiefe geleitet wird. Diese Methode ist im Vergleich zu anderen Arten der Lithiumgewinnung besonders umweltfreundlich. Nach den Analysen des KIT liegt der Lithiumanteil dieser Thermalwässer bei bis zu 180 Milligramm pro Liter.

Das Unternehmen Vulcan Energy verfolgt deshalb das gleiche Ziel im Oberrheingraben. Es hat nach eigenen Angaben bereits Verträge mit Automobilherstellern, die das heimische Lithium für ihre Batterieproduktion verwenden wollen.

Der Weg in eine Unabhängigkeit von ausländischen Produzenten könnte auch über das Recycling von Batterien führen. Allerdings äußert sich die Deutsche Rohstoffagentur dazu bisher skeptisch: "Die meisten bestehenden Recyclinganlagen für Lithium-Ionen-Batterien konzentrieren sich hauptsächlich auf die Rückgewinnung von Kobalt, Nickel sowie Kupfer und nicht auf die Rückgewinnung von Lithium", schreiben die Experten. Der Rohstoff Kobalt sei bei Weitem das wertvollste Metall in Lithium-Ionen-Batterien und somit verantwortlich für die Rentabilität beim Recycling, heißt es weiter.

Wie schnell diese Konzepte Lithium liefern können, wird auch vom politischen Willen der Beteiligten abhängen. Das Zeitfenster, in dem Europa mit den notwendigen Investitionen beginnen müsse, werde immer kleiner, heißt es in einem offenen Brief der Branchenvertreter an EU-Binnenmarkt-Kommissar Thierry Breton. Die Frage, ob der Preis von europäischem Lithium konkurrenzfähig gegenüber dem Weltmarktpreis ist, ist noch nicht geklärt. In vielen Abbauländern müssen die Bergbaufirmen nur geringe Umweltauflagen erfüllen und können deshalb zu geringen Kosten produzieren.

(jle)