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Was war. Was wird.

Das alte Jahr ist rum und im neuen wird wie es sich gehört der Champagner vorgeholt und fleißig gecomdext und gecebitet. Schließlich steht im Valley oder anderswo der nächste Forschungsdurchbruch kurz bevor.

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Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war

*** Weihnachten ist vorbei, die Betten und Kirchen leeren sich, die Bibeln werden zugeklappt, die Spielkarten weggeräumt. Selbst die Schlangen vor den Hackertempeln haben sich gelichtet, während in ihnen die Furcht vor dem Grauen grassiert, gerichtlich bestätigt. Die weihnachtliche Hackerei ist an anderen Orten schon vorbei, doch ein kleiner Reichstagsbrandanalogiekurzschluss kann immer noch erzündelt werden.

*** Glaubt man den Nachrichten, so ist uns zu Las Vegas ein Kindlein geboren, so zart und fein, so behütet von einer raelianischen Bischöfin, dass es nur ein Klon sein kann. Für die Raelianer-Sekte ist Eve natürlich die neue Heilandin -- für den Rest der aufgeklärten Welt ist ein Unglück passiert. Doch die Forscher, die über diesen Eingriff in "die Natur" jammern, produzieren unverdrossen Visionen von kommenden Weihnachten, bei denen der synthetische Braten auf den Tisch kommt und jedermann die Gedanken der Mitesser und Zetas lesen kann: Das Fest wird immer froher.

*** Während die einen um die Bibel kämpfen, feiern andere neue Technologien. Dass der Tablet PC ausgerechnet in Asien zum e-Bag umgetauft wird und das gute alte e-Learning reanimiert wird, stimmt zum Abschluss eines Jahres tröstlich. Die geflügelte Jahresendfigur, mit der Walter Benjamin dem Trümmerhaufen der Geschichte ein wenig Engelsglanz spendieren wollte, sie ist unvergessen. Tröstlich stimmt es zum Jahresende, dass Engel in Erscheinung treten können -- auch wenn das ausgerechnet in Form von Stock Options, dazu noch hoch im Norden geschieht und natürlich Nokia dafür verantwortlich ist. Sollte es einen Zusammenhang zwischen den Lichtgestalten und dem Vermögen mancher Firmen geben, so gäbe es um Seattle herum regen Flugverkehr. Rund 40 Milliarden Dollar warten bei Microsoft darauf, in Firmen wie Macromedia angelegt zu werden, damit Flash auf Linux verschwindet. Selbst Sun steht mit 5 Milliarden in der Kriegskasse nicht so verloren da, wie es uns die mit Java gesegnete Firma gerne Glauben macht.

*** Vor diesem Hintergrund sollte man das Hohelied auf den amerikanischen Unternehmungsgeist in Ruhe genießen, mit dem die FAZ in dieser Woche ihre Kolumne "Online aus dem Valley" einstellt. Da klagt ein Händler im Valley, dass er von 6000 ausgeschickten Weihnachtskarten 2200 zurück bekommt und prompt ist der Wegzug aus dem Valley ein Erfolg, der gegen die Deutschen gesetzt werden kann, die kaum bereit wären, sich sofort an einem anderen Ort nach einem Arbeitsplatz umzusehen. Auf benachbarten Seiten macht sich die FAZ gebührend über das Gerangel von Verdi und der IG Metall bei IBM lustig -- heißt es beim engelsgleichen Abgesang: "Irgendwann werden die Biotechnologie-Forscher im Valley oder anderswo den nächsten großen Forschungsdurchbruch erzielen und damit einen neuen Boom auslösen. In Kinofilmen wird immer mehr digitale Technik Einzug halten, und die Kinofilme selbst werden bald auch über Satellit digital in die Kinos übertragen werden. Hollywood und das Silicon Valley werden sich auf Standards einigen, um digitale Medieninhalte vor Raubkopierern zu schützen und damit einen weiteren Wachstumsmarkt erschließen. Menschen und ihre Bewegungen werden mit immer mehr Technik überwacht werden". Märkte, wohin das Auge blickt. Frohlocket, frohlocket ihr Hirten.

*** Die Welt krankt an vielem, etwa an Viren wie dem Opaserv L-Virus, der gestern die Seiten der Business Software Alliance verwüstete. Das ist insofern bedauerlich, als die bewegende Bitte dieser Organisation derzeit nicht verlinkt werden kann, mit der sie gegen die unchristliche Deadline der Europäischen-Copyright-Direktive argumentiert. Wie es aussieht, sind nur Griechenland und Dänemark rechtzeitig fertig geworden. Passend zu diesen betrüblichen Nachrichten muss im Wochenrückblick erwähnt werden, dass der Vater der DVD bei Warner Brothers gefeuert wurde. Mit ihm scheiterte vorerst der Plan, DVDs für weniger als 10 Dollar zu einem Konsumartikel zu machen, der all die Plackerei mit dem Kopieren überflüssig macht. Ja, dann würden sie um uns schwirren wie das Kroppzeugs, das heute vor 35 Jahren im Raumschiff Enterprise gesichtet wurde und für die populärste Folge der populärsten Sendung aller Zeiten sorgte.

*** Zu diesem schönen Jubiläum zwischen den Jahren kommen aber auch traurige Nachrichten. Am letzten Sonntag starb Joe Strummer von den Clash, den das Feuilleton genüsslich als Gutmensch in Armee-Uniform hinterher winkt. Wer "Should I stay?" einem London Calling vorzieht, hat wenig kapiert. Wenn Schweine fliegen, kann man die Sonne nicht mehr sehen. Vom anderen Ende ist ebenfalls ein kleiner Tod zu berichten, nachdem mit Cubase die letzte deutsche Musiksoftware mit einer größeren Fan-Gemeinde in fremde Hände wechselt.

*** Zum guten Schluss des Rückblicks auf eine kleine Woche kommt ein Notat in eigener Sache über das, was Computerjournalisten eigentlich so treiben. Es betrifft ein Gutachten, das Professor Löffelholz verfasst hat. "Sind Computerzeitschriften eigentlich journalistische Organisationen?", fragte sich der Kommunikationsfachmann und beantwortet dies mit einem klaren Nein. Mit wissenschaftlichen Methoden soll sein Gutachten zeigen, dass es keinen Unterschied zwischen einem von der Telekom herausgegebenen magazinartigen Blättchen und einem Produkt gibt, das in einem Haus wie dem Heise Verlag erscheint. Da haben wir es mal wieder schwarz auf weiß: überall, sogar hier zwischen den Jahren, herrscht Betrug, "ist der Journalismus aufgrund einer partiellen Kolonialisierung durch Auftragskommunikation zerstört". Wenn das kein gutes Omen für das neue Jahr ist.

Was wird

Mit dem Jahreswechsel und dem Sprung in das Tupac-Jahr 2003 stehen eine Menge Ereignisse bevor, die der kranken durchkolonialisierten Branche Aufschwung geben sollen. In den USA startet die Consumer Electronics Show, in Schweden die unterkühlte Variante der abgehalfterten Comdex und nah am Valley der universalen Wiedergeburt öffnet die MacWorld ihre Pforten und nur Traumtänzer werden dabei von den Anfängen schwärmen. Doch damit nicht genug!

Was gibt es für einen Branchenverlautbarungsaufguss Schöneres als von den Jubiläen zu schwärmen, die vor uns liegen. Etwa der 30. Jahrestag des Microcomputers. Noch glänzender, noch beeindruckender und noch großartiger ist freilich die Tatsache, dass vor 20 Jahren die größte (europäische) und schönste Microsoft-Tochter gegründet wurde, was in Bavarien mit einem großen Firmenfest gefeiert wird. Für all die Jahre der Inspiration ist ein schnödes Danke wohl zuwenig. (Hal Faber) / (em)