Studie: Alkoholsucht durch psychedelische Drogen therapierbar

Könnten sich Rauschmittel zur Bekämpfung eines anderen Rausches nutzen lassen? New Yorker Wissenschaftler sagen: durchaus.

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Pilze

Der Spitzkegelige Kahlkopf (Psilocybe semilanceata) enthält Psilocybin.

(Bild: Arp / Mushroomobserver, Lizenz cc-by-sa-3.0)

Lesezeit: 3 Min.

Alkoholsucht ist eine Volkskrankheit: Sie betrifft deutlich mehr Menschen, als sich viele bewusst sind. So konsumierten 2021 laut Epidemiologischem Suchtsurvey (ESA) fast acht Millionen Personen zwischen 18 und 64 in Deutschland "Alkohol in gesundheitlich riskanter Form", als "problematisch" bezeichnet wird dieser Konsum sogar bei neun Millionen Menschen.

Bei der schwierigen Suche nach Behandlungsmöglichkeiten mit langfristigen Erfolgen ohne Rückfälle gibt es jetzt einen ganz neuen Vorschlag: Eine Forschergruppe an der Grossman School of Medicine der New York University setzt einen Stoff aus Pilzen ein, den man eigentlich als psychedelische Droge kennt.

Dass solche speziellen Rauschmittel Menschen mit psychologischen Problemen – von der schweren Depression bis zu kaum zu behandelnden Traumata – potenziell helfen können, ist schon seit längerem bekannt. Sie scheinen bestimmte neurologische Bahnen im Gehirn zu öffnen, die in dessen Normalzustand bei dieser Personengruppe nicht zugänglich sind. In Kombination mit einer Psychotherapie zeigt der Ansatz mit dem Psilocybin genannten Stoff erste spannende Erfolge.

Wie bei Depressionen und anderen psychologischen Erkrankungen gibt es auch bei der Alkoholsucht spezifische Veränderungen im Gehirn, die die Sucht stets wieder aufs Neue antreiben. Dieser krankhafte neue "Default Mode" des Gehirns lässt sich nur extrem schwer rückgängig machen, weshalb es zu so vielen Rückfällen kommt.

Die Forschergruppe um den Psychiater Michael Bogenschutz, der auch Direktor des NYU Langone Center for Psychedlic Medicine ist, nutzte Psilocybin, eine der bekanntesten "Shroom"-Substanzen. Im Versuch erhielt die eine Gruppe den Pilzstoff, die andere ein harmloses Antihistaminikum. Kombinierte man dies mit Psychotherapie unter Einfluss des Stoffes, zeigte sich, dass der starke Alkoholkonsum bei der Psilocybin-Gruppe um 83 Prozent zurückging, bei der Placebogruppe um nur 51 Prozent. Acht Monate nach der ersten Dosis hatte die Hälfte der Gruppe das Trinken ganz aufgegeben, die Placebo-Probanten nur zu einem Viertel – weiterhin jeweils mit psychotherapeutischer Unterstützung.

Die in "JAMA Psychiatry" publizierte Untersuchung ist die erste placebokontrollierte Studie ihrer Art. Laut Bogenschutz ergeben sich mit der zunehmenden Forschung an psychedelischen Behandlungsformen neue Anwendungsmöglichkeiten. Auch die Therapie anderer Süchte wie Kokain oder Opioiden sei denkbar – und sogar das Rauchen.

Bis dahin müssen jedoch noch deutlich größere Studien durchgeführt werden, die an der NYU derzeit in Zusammenarbeit mit anderen Einrichtungen vorbereitet werden. Ganz ungefährlich ist Psilocybin nicht: Es kann zu Psychosen führen. Eines ist der Stoff allerdings nach bisherigen Erkenntnissen nicht: suchterzeugend.

(bsc)