Telegram-Umfrage zur Weitergabe von Daten – das ist gesetzlich geregelt

Bei Telegram-Nutzern taucht eine Umfrage auf; darin fragt der Messengerdienst, in welchen Fällen er IP-Adresse und Telefonnummer an die Polizei geben soll.

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(Bild: Screenshot Telegram)

Lesezeit: 4 Min.

In der aktuellen Datenschutzerklärung von Telegram heißt es, IP-Adressen und Telefonnummern von Terrorverdächtigen könnten auf Anfrage der Regierung, durch einen Gerichtsbeschluss, offengelegt werden. Nun schreibt der Messenger anscheinend alle Nutzenden in Deutschland an, um über diesen Passus abzustimmen. Die "Servicemeldung" taucht als Chat auf. In einer zweiten Nachricht gibt es vier Antwortmöglichkeiten. Ulf Buermeyer von der Gesellschaft für Freiheitsrechte erklärt: "Die Umfrage handelt letztlich von der Frage, ob Telegram sich in Zukunft an Verpflichtungen nach deutschem Recht halten soll oder nicht."

Die Antwort-Optionen besagen nämlich, dass erstens die aktuelle Datenschutzerklärung bestehen bleibt, wie sie ist. Eine zweite Option sieht vor, dass die Fälle, in denen Telegram Daten weitergibt, auf "schwere Straftaten" erweitert wird – ohne richterlichen Beschluss. Option drei sollen Menschen auswählen, die finden, der Messenger solle unter keinen Umständen IP-Adressen und Telefonnummern aushändigen. Wer an der Umfrage nicht teilnehmen möchte, kann sich enthalten – oder die Nachricht ignorieren.

Schon wenige Minuten nachdem die ersten Nachrichten in der Redaktion von heise online auftauchten, lag die Zahl der Votes, die in der Nachricht abgegeben ist, bei mehr als 800.000.

"Die Umfrage ist insofern manipulativ formuliert, als sie zwei Fragen vermischt, nämlich die inhaltliche Frage, bei welchem Verdacht Daten herausgegeben werden sollen, und die prozeduale Frage, ob ein Richtervorbehalt gelten soll", sagt Buermeyer. Es gibt nur die Möglichkeit, bei Terror mit Richtervorbehalt oder die Antwort, bei schweren Straftaten ohne richterlichen Beschluss. "Es geht Telegram also letztlich vermutlich darum, durch diese suggestive Fragestellung ein bestimmtes Ergebnis zu erzeugen: Die deutschen User wollen, dass alles bleibt, wie es ist."

Telegram weist auch darauf hin, dass der Dienst niemals Informationen über Chats oder Kontakte an Dritte weiterreicht, "auch nicht an staatliche Einrichtungen". Trotzdem wolle man dem Missbrauch der Plattform durch terroristische Gruppen entgegnen.

Chats können bei Telegram auf zwei Wegen verschlüsselt werden: Im Normalfall zwischen dem Server und dem Client, der Dienst hat also Zugriff. Sogenannte "Geheime Chats" sind aber Ende-zu-Ende-verschlüsselt – hier sollte Telegram nicht hineinschauen können. Dies will der Messenger mit einem Visualisierungsschlüssel beweisen.

Terrorverdächtig kann also werden, wer entweder in einem öffentlichen Chat oder in einem geheimen Chat, der auf anderem Wege öffentlich geworden ist, entsprechende Inhalte verbreitet. Strafverfolgungsbehörden, die dies lesen, können dann vor Gericht erwirken, dass zu dem Telegram-Nutzer gehörende IP-Adresse und Telefonnummer herausgegeben werden.

Freilich gibt es für solche Fälle bereits gesetzliche Regelungen. Eine Änderung der Datenschutzerklärung allein wäre also nur in Richtung "aufweichen" möglich, was unwahrscheinlich von Nutzerinnen und Nutzern erwünscht wird. Telegram könnte sonst neben der Datenschutzerklärung auch die Verschlüsselung der Nachrichten erweitern, so dass potenziell weniger Inhalte für Strafverfolgungsbehörden sichtbar sind. Und auch sie selbst keinen Zugriff auf die verschickten Nachrichten haben.

Die EU-Kommission arbeitet an einer flächendeckenden Messenger-Überwachung. Diese würde eine komplette Chatkontrolle vorsehen – dabei geht es um das Scannen von Inhalten, die sexuellen Missbrauch an Kindern zeigen. Ende-zu-Ende-Verschlüsselung wäre damit hinfällig. Es gibt entsprechende Kritik von zahlreichen Seiten, auch aus der Politik selbst.

Für Telegram ist die gesetzliche Regelung solcher Fälle bindend. Das NetzDG regelt etwa, dass Anbieter von Telemediendiensten wie WhatsApp, Google mit Gmail, Facebook und Telegram sensible Daten von Verdächtigen wie IP-Adressen und Passwörter künftig an Sicherheitsbehörden herausgeben.

Update

Wir haben die Einschätzung von Ulf Buermeyer von der Gesellschaft für Freiheitsrechte ergänzt.

(emw)