Besonderes elektronisches Anwaltspostfach: Anwälte sollen unterschreiben lassen

Mit dem Tausch der abgelaufenen Signaturkarten wählt die BRAK abermals eine sonderliche Lösung, die noch nicht von jeder Kanzleisoftware unterstützt wird.

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(Bild: VideoFlow/Shutterstock.com)

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Die Bundesrechtsanwaltskammer, der Anwaltverein, ein Verband von Herstellern von Kanzleisoftware und die Bundesnotarkammer streiten erneut über das beA , das besondere elektronische Anwaltspostfach. Der Anlass ist der notwendige Austausch aller beA-Karten und der Wechsel auf eine sogenannte Fernsignatur. Wie immer bei solchen Vorgängen geht es um Zeit, Geld und Zuständigkeiten.

Zur Nutzung des beA benötigen alle Anwälte zur Anmeldung eine Signaturkarte, mindestens aber die beA-Karte Basis. Die darauf gespeicherten Zertifikate laufen seit dem 8. September sukzessive aus. Bis zum Jahresende sind alle Karten unbrauchbar. Die Bundesnotarkammer (BNotK) gibt deshalb neue Karten aus. Diese lassen sich nur so lange aktivieren, wie die alte Karte noch gültig ist. Mit anderen Worten: Es pressiert und alle Verzögerungen im Prozess sorgen für große Probleme. Die Abwicklung ist bürokratisch und der Support überfordert. Rechtsanwalt Stephan Schmidt etwa fragt auf Twitter: "Muss man für die Bestellung der neuen #beA Fernsignatur wirklich nochmal zum Notar oder der Kammer, nur weil man einen neuen Ausweis hat?"

Zugleich wechselt das Signaturverfahren: Die neuen Karten erhalten nicht mehr das höchstpersönliche Zertifikat, sondern es verbleibt im Rechenzentrum der BNotK. Diese hat damit eine Sammlung sämtlicher anwaltlichen Zertifikate und kann damit die Hashwerte von Dokumenten für den Anwalt signieren. Für Nutzer des Web-Interfaces ändert sich dabei zunächst wenig. Die von vielen genutzte Kanzleisoftware muss jedoch angepasst werden.

Die im SIV-ERV (Sofware Industrieverband Elektronischer Rechtsverkehr) organisierten Hersteller dieser Kanzleisoftware fordern nun von der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) eine Anpassung des Toolkits zum Verkehr mit dem beA-Backend, um die Anbringung einer Fernsignatur zu ermöglichen. Für das Web-Interface hat die BRAK dies ja bereits geliefert.

Die BRAK wiederum weist diese Forderung zurück. Nicht sie sei für die Fernsignaturen zuständig, sondern BNotK und sie wolle keine Mittel der Anwälte verwenden, um eine solche Erweiterung bereitzustellen.

Die Anwälte sind nun wieder einmal die Leidtragenden dieser Verwerfungen. Zur Nutzung des beA gesetzlich verpflichtet, durch Zwangsabgaben finanziert, erfreut sich diese Sonderlösung für den elektronischen Rechtsverkehr wieder einmal keiner Beliebtheit.

Die beA-Karten sind für die Anmeldung erforderlich. Ohne sie ist keine Anmeldung möglich. Das Zertifikat für die Anbringung einer qualifizierten elektronischen Signatur aber war optional. Die BRAK gibt dieses Verfahren nun auf; mit den neuen Karten kann nur noch das Fernsignatur-Verfahren der BNotK genutzt werden. Auch das ist nicht verpflichtend.

Die Anwälte sind gesetzlich verpflichtet, das beA zu nutzen, nicht aber eins von der BRAK oder jetzt der BNotK bereitgestellte Signaturverfahren. Jeder Anwalt konnte und kann auch qeS (qualifizierte elektronische Signaturen) mit Signaturkarten anderer Hersteller anbringen, etwa der des DGN (Deutsches Gesundheitsnetz). Diese Unterscheidung zwischen Zertifikaten zur Anmeldung und zur Signatur ist vielen Anwälten nicht bewusst, wie die Anfragen in Selbsthilfegruppen auf Facebook zeigen.

Die von BRAK und BNotK als „hochsicher“ bezeichnete und vom BSI geprüfte Fernsignatur-Lösung der BNotK erinnert in ihrer Konstruktion an die merkwürdige Ausgestaltung der Verschlüsselung des beA. Nachrichten werden nicht etwa mit dem öffentlichen Schlüssel des Empfängers verschlüsselt, sondern mit dem der beA-Server, der sie dann ebenfalls in einer „hochsicheren“ Umgebung umschlüsselt für den eigentlichen Empfänger. Bei beiden Systemen gibt es also eine zentrale Instanz, der man für alle Handlungen vertrauen muss. Und beide werden damit zu einem leicht verletzlichen Glied in unserem Rechtssystem.

Update

Korrektur: Die BNotK weist darauf hin, dass die Zertifikate im eigenen Rechenzentrum gespeichert werden und nicht – wie im dritten Absatz zunächst dargestellt – bei einem Dienstleister.

(vowe)