Der dritte Corona-Herbst kann kommen, meinen Unternehmen

Die bisherigen Pandemiejahre waren leidvoll und lehrreich. Falls Corona mit der kälteren Jahreszeit wieder mehr wütet, sehen sich Firmen darauf vorbereitet.

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(Bild: Jelena Zelen/shutterstock.com)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Peter Ilg
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Corona hat Deutschlands Arbeitswelt brutal getroffen. Allein in der schlimmen Phase zwischen Oktober 2021 und Februar 2022 führte die Pandemie zum Ausfall von 63,5 Millionen Arbeitstagen. Eltern, Kinder und Arbeitgeber konnten davon ein ganz eigenes Lied singen.

Anfang Februar 2022 mussten schätzungsweise 130.000 Mütter und Väter ihre in Quarantäne befindlichen Kinder zu Hause betreuen, teilt das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung mit. "Kinderbetreuung in Kombination mit Homeoffice ist eine Katastrophe, weil beides gleichzeitig schlecht möglich ist", sagt Florian Becker, Professor für Wirtschafspsychologie an der Technischen Hochschule Rosenheim und selbst betroffen mit zwei Kindern. "Solche Zeiten will kein Mensch mehr haben." Was aber, wenn sie doch wieder kommen, weil Covid in der kalten Jahreszeit mehr Verbreitung findet?

Eine Verpflichtung für Unternehmen, ihren Beschäftigten erneut Homeoffice und Coronatests anzubieten, wird es nicht geben. Dies hat das der Bundestag am 9. September in einer neuen Corona-Arbeitsschutzverordnung beschlossen. Die Firmen sind lediglich verpflichtet, Homeofficeangebote und Coronatests nur noch zu prüfen. Prüfen bedeutet, diese Maßnahmen ernsthaft in Erwägung zu ziehen. Die neue Verordnung gilt vom 1. Oktober bis 7. April 2023.

Die Bundesregierung geht davon aus, dass es im dritten Coronajahr keine Schulschließungen geben wird und auch keinen Lockdown. "Wenn doch, dann ist das nicht mehr das zentrale Problem der Unternehmen", sagt Becker. Die Firmen hätten schlimmere Sorgen als das Virus. Die Energiepreise explodieren, Kosten für die Produktion sind nicht mehr plan- und manchmal nicht mehr bezahlbar. "Manche Unternehmen sind vielleicht sogar froh, wenn wegen Corona wieder Kurzarbeit kommt und der Staat große Teile der Löhne ihrer Mitarbeitenden übernimmt", spekuliert Becker.

Aufgrund stark steigender Kosten seien die Unternehmen im Alarmmodus und es sei eher zweitrangig, ob ein Mitarbeiter einige Punkte mehr oder weniger produktiv oder zufrieden ist, weil er einen Arbeitsplatz mit oder ohne Work-Life-Balance hat. Manchen Firmen geht es rein ums Überleben.

Falls doch ein Lockdown kommt, wird das besser laufen als zuvor, "weil es eine Routine in den Unternehmen, seinen Beschäftigten und deren Kindern nach zwei Coronajahren gibt", meint Becker. Homeoffice und Homeschooling ist nichts Neues mehr. Viele Schulen haben Laptops, noch mehr Firmen Collaborationtools angeschafft. Rechner und Software laufen, Erwachsene und Schüler kennen sich damit aus und Vorgesetzte haben es gelernt, online zu führen.

"Ein Chaos wie beim ersten Lockdown wird es nicht mehr geben", hofft Becker. Es gebe aber auch Daten aus Studien, die zeigen, was im Homeoffice nicht so gut funktioniert hat. Dazu zählen alle Aufgaben, die mit intensiver Interaktion zwischen Menschen zu tun haben. Mit dem Wissen aus der Erfahrung könnten alle Beteiligten darauf reagieren, um dieselben Fehler nicht nochmal zu machen.

Betreuungsausfall in Kitas und Schulschließungen waren auch für tausende Beschäftigte bei Bechtle ein schwieriger Balanceakt. Homeoffice war für das IT-Systemhaus ein wichtiger Baustein, um die Situation zu bewältigen. "Wir haben dabei festgestellt, dass unsere Mitarbeitenden bei pandemiebedingten Betreuungsproblemen tendenziell nicht während der üblichen Arbeitszeiten, sondern in Randzeiten gearbeitet haben", sagt Oliver Vogt, Leitung Human Resources. Dadurch veränderten sich Arbeitsabläufe. "Deshalb ist die Kommunikation im Team und insbesondere mit der Führungskraft besonders wichtig, damit Projekte nicht gefährdet sind und Absprachen weiterhin eine hohe Verbindlichkeit haben", sagt der Personalchef.

Alle Mitarbeitenden hatten aus unterschiedlichen Gründen mit großen Belastungen umzugehen, dessen Ausmaß war individuell sehr unterschiedlich. "Wir haben während Corona gelernt, im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben jeweils bestmögliche Konzepte auf den Weg zu bringen – manchmal auch kurzfristig, wenn sich die Lage änderte", sagt der Personalchef. Auch in diesem Herbst sei es das Ziel von Bechtle, den Gesundheitsschutz der Mitarbeitenden ebenso sicherzustellen, wie die Erfüllung der Kundenerwartungen. Diesen Spagat müssen alle Firmen schaffen – falls Corona mit heftigeren Krankheitsverläufen doch wieder zuschlägt.

Eine weitere Erkenntnis über die vergangenen Pandemiejahre: Homeoffice hat sich etabliert. "Die große Herausforderung für die Unternehmen besteht nun darin, herauszufinden, für welche Aufgaben und für welche Mitarbeitende diese Form der Zusammenarbeit zweckmäßig ist", sagt Oliver Stettes, Arbeitsmarktexperte am Institut der deutschen Wirtschaft. Für alle ist sie das nicht, hat sich gezeigt. Wann reicht ein Onlinemeeting und wann sollten sich Beteiligte persönlich treffen? Dies zu erkennen, war während der Lockdowns nicht möglich. Jetzt schon. Was gut lief, sollte in den Regelbetrieb übernommen, was nicht funktionierte, gestrichen werden. Manch anderes kann ausprobiert werden.

„Ich würde mir wünschen, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer gemeinsam und individuell prüfen, unter welchen Voraussetzungen Homeoffice zu beidseitigem Gelingen beitragen kann“, sagt Stettes. Homeoffice ist nämlich nicht per se gut oder schlecht. Es kommt auf den Job und die Person an, ob diese Form der räumlich getrennten Zusammenarbeit gut funktioniert.

heise jobs – der IT-Stellenmarkt

Zu Arbeitsplätzen und Stellenangeboten in der IT-Branche siehe auch den Stellenmarkt auf heise online:

(kbe)