Mit Roboter-Insekten gegen das Bienensterben

Roboter-Honigbienen können die Bedingungen in einem Bienenstock überwachen, einen Bienentanz aufführen oder sogar den Hofstaat der Königin infiltrieren.

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(Bild: PROF. TIM LANDGRAF / EU-FET PROJECT HIVEOPOLIS)

Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Elizabeth Preston
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Irgendetwas stimmte da wohl nicht, doch Thomas Schmickl konnte nicht sagen, was genau. Man schrieb das Jahr 2007 und der österreichische Biologe verbrachte einen Teil des Jahres an der idyllisch gelegenen East Tennessee State University. Als er seinen täglichen Spaziergang über die Felder zum Campus machte, "fühlte es sich irgendwie unangenehm an", erzählt er. "Ich wusste nicht warum. Bis ich endlich eine Hummel hörte." Insekten, so stellte er fest, schienen außer dem dicken Brummer auffallend abwesend zu sein. "Ich zerrte die Biologieprofessoren aus dem Gebäude und sagte: Schaut in den Himmel – da fliegt nichts!", erinnert er sich.

Schmickl, der heute das Artificial Life Lab an der Universität Graz in Österreich leitet, hatte recht. Studien in verschiedenen Teilen der Welt haben mittlerweile ergeben, dass die Insektenpopulation tatsächlich zurückzugehen scheint – oder sich zumindest verändert. Nachdem der Biologe mehrere Jahre lang auf dem Gebiet der Schwarmroboter gearbeitet hatte – er nutzte die Natur als Inspiration für KI-Systeme – beschloss er, seine Arbeit umzudrehen und künftig Roboter zu entwerfen, die der Natur helfen können. Sein Konzept hat er "Ökosystem-Hacking" getauft.

Der Biologe konzentriert sich dabei vor allem auf Honigbienen. Denn diese und andere Bestäuber sind mit dem Verlust ihrer Lebensräume, der Umweltbelastung durch Pestizide und neuartigen Krankheiten konfrontiert – und Schmickl ist der Ansicht, dass robotische Hilfe zur Stärkung ganzer Ökosysteme beitragen könnte. Einige Unternehmen bieten schon jetzt spezielle Bienenstöcke an, die die Bedingungen im Inneren automatisch überwachen können und das Nest sogar teilweise mittels Robotertechnik pflegen. Doch Schmickl und seine Kollegen wollen noch einen Schritt weiter gehen und das Verhalten der Insekten mittels Technologie verändern, um ihnen das Leben zu erleichtern.

Schmickls Team baute dazu im Rahmen eines von der Europäischen Union finanzierten Projekts namens Hiveopolis Prototypen dieser neuartigen Bienenstöcke. Einer der Bienenstöcke der Gruppe ähnelt einem stilisierten Baumstamm, ähnlich einem hohlen Baum, in dem Honigbienen in der Natur nisten würden. Im Bestreben, nachhaltige Materialien zu verwenden, wurde dieser Bienenstock aus 3D-gedrucktem Ton und aus Pilzen hergestellt, die auf recyceltem Kaffeesatz wachsen, so Schmickl.

Die Prototypen sind mit Sensoren und Kameras sowie mit kleinen Motoren ausgestattet, die im Inneren des Bienenstocks Vibrationen erzeugen und die Temperatur oder den Luftstrom regulieren können. Solche Geräte könnten letztlich die "Verkehrsmuster" der Bienen steuern: Schmickls Experimente haben gezeigt, dass Vibrationen die Bienen verlangsamen, während bewegte Luft sie dazu anregt, dieser aus dem Weg zu gehen. Projektmitarbeiter Tim Landgraf, Professor für künstliche und kollektive Intelligenz an der Freien Universität Berlin, arbeitet parallel an einer anderen Art von Werkzeug für diese Bienenstöcke: einer Roboter-Tanzbiene.

Wenn echte Honigbienen von der Futtersuche zurückkehren, führen sie einen charakteristischen "Schwänzeltanz" auf, mit dem sie mitteilen, wo sich das Futter befindet. Andere Bienen schließen sich den Tänzen der Sammlerinnen an, und wenn genügend Bienen denselben Tanz aufführen, fliegen sie gemeinsam aus, um das Futter zu finden. "Es ist eine Art Meinungsumfrage", sagt Schmickl.

In früheren Forschungsarbeiten hatte Landgraf einen Roboter gebaut, der einen so überzeugenden Schwänzeltanz aufführen konnte, dass andere Bienen ihm folgten – und zumindest manchmal in die Richtung flogen, die der Roboter vorschlug. Jetzt bereitet er sich darauf vor, eine verbesserte Version des Systems zu testen und herauszufinden, ob er Honigbienen zu einer Futterquelle führen kann. Für ein menschliches Auge sieht der Roboter nicht sehr bienenähnlich aus. Sein Körper ist einfach ein kleiner, flexibler Schlauch mit einem flatternden "Flügel". Aber er ist mit einem Motor außerhalb des Bienenstocks verbunden, der ihn über den "Tanzboden" des Bienenstocks lenken und bewegen kann.

Theoretisch könnte ein solcher Roboter die Honigbienen zu einem sicheren Futterplatz locken, wenn der Mensch feststellt, dass ein anderer Ort mit Pestiziden belastet ist und die Gesundheit des Bienenstocks gefährdet, sagt Schmickl. Oder der Mensch könnte die Honigbienen auch von einem Standort wegleiten, der für Wildbienen reserviert ist.

Landgrafs Gruppe hat auch ein System entwickelt, mit dem die Tänze der Honigbienen beobachtet und kartiert werden können. Eines Tages könnten Kameras im Inneren eines Bienenstocks tanzende Bienen ausspähen, um zu überwachen, wo die Bienen auf Nahrungssuche sind. Wenn ein Bienenvolk durch den Kontakt mit einem Pestizid oder einem anderen Gift erkrankt, könnten die Menschen dann herausfinden, wo diese Belastung stattgefunden hat. "Auf diese Weise kann man die Bienen sogar als Umweltdetektor für schädliche Substanzen einsetzen", sagt Schmickl.

Im Rahmen eines anderen EU-Projekts mit der Bezeichnung RoboRoyale hoffen Schmickl und Kollegen, mit Hilfe von Roboter-Bienen die Königin zu beeinflussen und so die Fitness des gesamten Bienenvolks zu verbessern. Die Idee ist, dass die Roboter die Gruppe der engsten Vertrauten der Königin infiltrieren. Theoretisch könnten die falschen Bienen die Königin dazu bringen, mehr Eier zu legen, indem sie sie mit eiweißreichem Futter füttern. Oder sie könnten ihre Eiablage effizienter gestalten, indem sie sie in Bereiche des Nests leiten, in denen bereits Zellen für Larven vorbereitet wurden.

Schmickl hat noch nicht damit begonnen, diese Ideen im Labor zu testen; er arbeitet noch daran, Roboter in die Bienenstöcke einzuführen und zu sehen, ob die Arbeitsbienen sie angreifen. "Bienen sind wählerisch, wenn es darum geht, welche Materialien sie in ihrem Bienenstock akzeptieren", sagt er. Elina L. Niño, außerordentliche Professorin und Expertin für Imkerei an der Universität von Kalifornien in Davis, sagt, dass die Methoden der europäischen Projekte derzeit keine offensichtliche Anwendung für die kommerzielle Bienenzucht in den Vereinigten Staaten haben. Die Imker, mit denen sie zusammenarbeitet, würden sogar "darüber nur lachen".

Zum einen, sagt sie, arbeiteten Landwirte und Imker in Kalifornien eng zusammen. Die Landwirte alarmieren die Imker, bevor sie ihre Pflanzen besprühen – es seien keine sechsbeinigen Pestiziddetektoren erforderlich. Und sie ist sich nicht sicher, ob es so einfach ist, mehr Jungbienen in einem Bienenstock zu produzieren, indem man die Königin mit mehr Protein füttert. Es sei sinnvoller, sich stattdessen auf die Schaffung gesünderer Umgebungen für Bienen zu konzentrieren, sagt Niño, "damit wir uns nicht um die Regulierung ihres Flugs und ihrer Futtersuche kümmern müssen".

"Aus Forschungssicht", fügt Niño hinzu, seien die europäischen Arbeiten jedoch "super spannend". Die Beobachtung, wie Honigbienen mit einem Tanzroboter interagieren, könnte den Wissenschaftlern zum Beispiel neue Erkenntnisse über die Kommunikation der Bienen liefern.

Sie glaube aber, dass die Technologien, die Schmickl und seine Kollegen erforschen, eher für Hobbyimker als für Profis interessant sein könnten. Schmickl wirft ein, eines seiner Ziele sei es, die Imkerei attraktiver und zugänglicher zu machen. Wenn die Bienen beispielsweise dazu gebracht werden könnten, einen bestimmten Wabenbereich zu verlassen, könnte ein Imker diese ohne Schutzausrüstung erreichen. "Ob es nun kommerzielle Imker sind, die es benutzen, oder Freizeit-Hipster auf ihrem Balkon, ist mir eigentlich egal", sagt Landgraf.

"Die Menschen wachen auf und erkennen, wie wichtig die Natur ist", fügt er hinzu. Technik und Natur müssten sich ergänzen, eine Schnittstelle bilden, meinen die Forscher – damit menschliche Fähigkeiten verbessert werden.

(bsc)