Mainframe: wir müssen ihn nicht mehr betreiben, aber wir wollen

Ablösen oder weiter betreiben? Die Datev bleibt beim Mainframe – und das nicht, weil sie es muss. Das Interview begutachtet das große Modernisierungsprojekt.

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Lesezeit: 11 Min.
Von
  • Berthold Wesseler
Inhaltsverzeichnis

Bereits 1966 als IT-Dienstleister der steuerberatenden Berufe gegründet, hat die Datev von Anfang auf den Mainframe gesetzt – und tut das auch heute noch. Allerdings ist man in Nürnberg nicht betriebsblind oder blauäugig, sondern prüft immer wieder sehr genau mögliche Alternativen zum Mainframe und nutzt diese gegebenenfalls. Heute betreibt die Datev ein Rechenzentrum an mehreren Standorten mit Servern verschiedenster Hersteller – unter anderem auch Mainframes.

Die Mainframe-Interviews, Folge 11: Anwendungsmodernisierung bei der Datev

In der elften Folge der Mainframe-Interviews: Andreas Bechtloff, Product Owner für ein Mainframe-Modernisierungsprojekt bei der Datev eG.

Zur Rolle des Mainframe in der IT-Infrastruktur der Datev befragten wir Andreas Bechtloff. Er leitet dort als Product Owner ein Mainframe-Modernisierungsprojekt, das auf fachlicher Ebene Datenübermittlungsverfahren optimiert. Dabei geht es darum, wie Informationen von Steuerberatern und deren Mandanten geholt und bis hin zu externen Partnern wie der Finanzverwaltung übertragen werden. Die Leidenschaft für Großrechner begleitet Bechtloff schon fast sein komplettes Berufsleben: Auf die Mainframe-Programmierung spezialisierte er sich bereits während seiner Ausbildung zum Fachinformatiker für Anwendungsentwicklung.

Herr Bechtloff, die Datev setzt seit Jahrzehnten auf Mainframes. Was sind wichtigen Gründe dafür?

Das Rechenzentrum ist Dreh- und Angelpunkt unserer Prozesse. Unsere Mitglieder und Kunden verlassen sich darauf, dass die Anwendungen rund um die Uhr verfügbar sind. Hier kommen die Mainframes ins Spiel – sie garantieren eine schnelle, zuverlässige und nahezu ausfallfreie Verarbeitung.

Bei den großen Datenmengen, die zu gewissen Stichtagen – wie der Lohnverarbeitung oder dem Umsatzsteuer-Voranmeldungstermin – verarbeitet werden müssen, dürfen keine Fehler passieren. Des Weiteren sind die Prozesse und Systeme des Mainframes über die Jahre hinweg bis zum Maximum optimiert worden und die Menschen, die diese Plattform betreiben, sind absolute Koryphäen auf ihrem Gebiet. All das gewährleistet einen sicheren Betrieb.

Haben sich die Entscheidungskriterien im Laufe der Jahre verändert? Immerhin gab es vor 50 Jahren noch keine praktikable Alternative, während heute Hyperscaler und Serverhersteller den Mainframe ablösen wollen …

Kriterien änderten sich im Laufe der Jahre immer wieder, der Mainframe wurde auch schon einige Male für tot erklärt. Dennoch hat er seine Daseinsberechtigung immer wieder bewiesen.

Hyperscaler wie Amazon AWS zeigen, dass sie technisch gesehen ebenbürtig und als Plattform ernst zu nehmen sind. Hier kommen dann weichere Kriterien ins Spiel. Bei uns ist Datenschutz ein wichtiges, wenn nicht sogar das wichtigste Thema. Daher haben wir uns entschieden, auch in der Cloud-Welt eine eigene Infrastruktur aufzubauen. So haben wir vor Kurzem ein Cloud-natives RZ in Betrieb genommen, in das wir sukzessive mehr und mehr Aufgaben verlagern.

Bei unseren hochkritischen Anwendungen spielt der Mainframe da im Zusammenspiel nach wie vor eine große Rolle. Darüber hinaus wird auch Nachhaltigkeit ein weiteres Thema sein. IBM wirbt beispielsweise damit, dass der Mainframe hinsichtlich des Stromverbrauchs deutlich besser abschneidet als vergleichbare Server-Lösungen. Heute ist sicherlich auch die Time-to-market ein wesentlicher Treiber, doch dabei kommt es aber eher auf die eingesetzten Technologien als auf die darunter liegende Hardware an.

Warum ist in Ihren Augen der Mainframe heute und naher Zukunft leistungsstarken Server-Clustern oder auch Cloud-Lösungen nach wie vor überlegen?

Geht es heute wirklich noch um Überlegenheit? Wie in den Kriterien bereits erwähnt, werden in meinen Augen nicht mehr nur rein technische Anforderungen die Entscheidungen prägen. Am Ende wird auch Know-how ein wesentlicher Treiber sein.

IBM wirbt auf vielen Veranstaltungen gerne damit, dass Kunden künftig nicht mehr den Mainframe betreiben sollen, weil sie es müssen, sondern weil sie es wollen. Dafür gilt es Voraussetzungen zu schaffen, damit dies auch Wirklichkeit werden kann. Mit Linux on System Z sind beispielsweise marktübliche Technologien nutzbar – verbunden mit den Vorteilen der Maschine, das könnte zukünftig ein Wettbewerbsvorteil sein.