Umweltdatenbank kaputt: Cyberangriff auf Anhalt-Bitterfeld wirkt weiter nach

Bei der Ransomware-Attacke auf den anhaltinischen Landkreis ging auch ein Register flöten, das für Altlastenbearbeitung in dem "Öko-Tschernobyl" wichtig ist.

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(Bild: kubais / Shutterstock.com)

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Die Cyberattacke auf die IT des Landkreis Anhalt-Bitterfeld zieht auch nach knapp anderthalb Jahren weitere Kreise. Die Verwaltung habe seit dem Vorfall Anfang Juli 2021 den Zugriff auf eine umfangreiche Datenbank mit Umweltinformationen aus den 1990ern verloren, schreibt der "Spiegel". Ein Sprecher des Landkreises habe den "zwischenzeitlichen Verlust dieses Programms" bestätigt. Aus technischen Gründen lasse sich das für die Altlastenaufarbeitung wichtige Register "nicht wieder ohne Weiteres in das neue IT-System des Landkreises integrieren".

Die Verwaltung des Landkreises sah sich wegen des schweren Befalls mit Schadsoftware der Grief-Bande im eigenen Netzwerk gezwungen, den Katastrophenfall auszurufen und im Anschluss auch Hilfe der Bundeswehr in Anspruch zu nehmen. Die IT-Systeme wurden heruntergefahren. Fast tausend Verwaltungsmitarbeiter konnten nur noch mit Telefon oder Fax arbeiten und durften nicht mehr an ihre Dienstrechner.

Die Cyberkriminellen verschlüsselten auch einige Terabyte an Daten. Da sich der Landkreis weigerte, ein gefordertes Lösegeld zu zahlen, erhielt er keinen Entschlüsselungscode. Davon nach wie vor betroffen ist unter anderem das Umweltregister. Man arbeite weiter daran, die darin einst gespeicherten Daten wiederherzustellen, hieß es aus dem Landkreis. Teils gebe es Papierakten und elektronische Einzeldaten, auf die die zuständigen Mitarbeiter zurückgreifen könnten. So sei es inzwischen zumindest wieder möglich, die Altlastenbearbeitung "weitestgehend problemlos" durchzuführen.

Bitterfeld habe als Zentrum der chemischen Industrie der DDR als "ökologisches Tschernobyl" gegolten, verdeutlicht der Bericht. In den 90ern seien daher nach der Wende Boden, Sediment und Grundwasser an tausenden Altlastenverdachtsflächen analysiert und später in ein digitales geografisches Informationssystem übertragen worden. Experten zufolge habe es sich um eine der umfangreichsten Umweltdatenbanken Deutschlands gehandelt. Das Register werde etwa dafür gebraucht, Bauanträge zu bewerten und gegebenenfalls zu genehmigen.

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Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) führte den Ransomware-Angriff gerade in seinem Lagebericht 2022 mit als Beispiel dafür an, dass die Bedrohungslage im Bereich IT-Sicherheit so hoch wie nie sei. Anhalt-Bitterfeld habe 207 Tage lang den ersten digitalen Katastrophenfall in Deutschland ausrufen müssen, solange seien bürgernahe Dienstleistungen nur eingeschränkt verfügbar gewesen. Mit der Attacke begründen die Behörde und das Bundesinnenministerium auch ihre Initiative, das Grundgesetz zu ändern, damit das BSI als Zentralstelle die Bundesländer etwa bei Prävention, Aufklärung und Aufräumarbeiten aktiver unterstützen kann.

Auch laut dem aktuellen "Bundeslagebild Cybercrime" des Bundeskriminalamts ist Ransomware "die primäre, gesamtgesellschaftliche Bedrohung" im Bereich der Internetkriminalität. Verschlüsselungstrojaner beeinträchtigen demnach mittlerweile die Funktionsfähigkeit des Gemeinwesens.

(tiw)