Top500-Supercomputer: Europa hat die zweitmeiste Rechenleistung

Auf der 60. Top500-Liste der Supercomputer erklimmt "Leonardo" aus Italien den 4. Platz und "Lumi" auf Platz 3 legt zu. Nvidias H100 Hopper rechnet effizient.

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Der EuroHPC-Supercomputer Leonardo am Cineca Bologna mit 175 PFlops.

Der EuroHPC-Supercomputer Leonardo am Cineca Bologna mit 175 PFlops.

(Bild: Cineca)

Lesezeit: 9 Min.
Von
  • Andreas Stiller
Inhaltsverzeichnis

Nach dem großen Sprung des "Frontier" des Oak Ridge National Laboratory über die 1-Exaflops-Marke in der vorangehenden Top500-Liste vom Juni herrscht außerhalb Europas weitgehend Ruhe an der Supercomputer-Front. Hinter dem Zweitplatzierten Fugaku – dem Spitzenreiter des Jahres 2020 aus Japan – und dem EuroHPC-System Lumi aus Finnland steht nun Leonardo aus Italien auf Platz 4. Auch Leonardo ist ein vom EuroHPC Joint Undertaking der Europäischen Union mitfinanzierter Supercomputer. Er leistet 174,7 Petaflops (PFlops) und steht in Bologna bei Cineca, einem Konsortium von 69 italienischen Universitäten und 27 Forschungsinstituten.

Und auch Lumi hat im Vergleich zur 59. Top500-Liste zugelegt: Statt "nur" 151,9 PFlops leistet das weiter ausgebaute System nun 309,1 PFlops. Frontier und Lumi verwenden beide AMD-Epyc-Prozessoren vom Typ Milan (Zen 3), verstärkt durch die AMD-GPUs Instinct MI250X. Eigentlich sind bei Lumi rund 375 PFlops vorgesehen; anscheinend fehlen noch rund 1000 der geplanten Instinct-MI-Karten.

Fugaku hält für die ARM-Architektur die Fahne hoch, auch ein altes Thunder-X2-System mit ARM-Technik befindet sich auf Platz 467 noch in der Liste. Von Nvidias groß angekündigtem Grace-Prozessor mit ARM-Architektur ist bislang noch nichts zu sehen.

Immerhin gibt es das erste System mit Nvidias Hopper-GPUs (H100), ein kleines Lenovo ThinkSystem am amerikanischen Flatiron Institute mit 185 Intel-Platinum-Xeons auf Platz 405. Klein, aber fein: Es konnte in der Energieeffizienz gegenüber den Nvida-A100-Systemen noch eine deutliche Schippe drauflegen und so die AMD-Konkurrenz Instinct MI250X mit 65,09 GFlops/Watt knapp überholen. Somit steht Nvidia wieder an der Spitze der Green500-Liste.

Dahinter folgt eine Effizienz-Armada aus sechs HPE-Cray-EX235a-Systemen mit AMD-Technik, die ein Verwandter des Top500-Spitzenreiters Frontier mit 62,68 GFlops/Watt anführt. Frontier selbst liefert 52,23 GFlops/W. Leonardo setzt auf Intel-Technik (Xeon Ice Lake) mit Nvidia A100 und kommt so mit 31,14 GFlops/Watt auf Platz 14 der Liste.

Top10 der 60. Top500-Liste vom November 2022 (10 Bilder)

Nr. 1

Mit 1,1 Exaflops weiterhin Nummer 1: Frontier am Oak Ridge National Laboratory der USA. Der Abstand auf Fugaku mit 0,442 EFlops ist gewaltig.
(Bild: HPE/Oak Ridge National Laboratory)

In Bologna wartet man wie am US-amerikanischen Argonne National Lab auf Intels lang angekündigte nächste Xeon-Generation Sapphire Rapids, die insbesondere im Zusammenspiel mit Intels GPUs Ponte Vecchio an die Effizienz der Konkurrenz zumindest anknüpfen sollen. Die armen Argonnier warten nun schon fünf Jahre auf den von Intel versprochenen und immer wieder umgestalteten Aurora. Wie's heißt, sei das System samt Kühlung schon aufgebaut – man braucht "nur noch" die Prozessoren ...

Auch in Garching beim Leibniz-Rechenzentrum dürfte schon alles für den SuperMUC NG Phase 2 vorbereitet sein, der ebenfalls auf Intel-Technik setzt. AMD hat derweil mit Epyc 9004 (Genoa, Zen 4) noch kurz vor Intels Sapphire Rapids die nächste Prozessorgeneration herausgebracht, aber für die aktuelle Liste war noch kein Supercomputer damit bestückt.

Vor einigen Jahren war die Top500-Liste noch geprägt von einem Wettrüsten zwischen China und den USA. Doch obwohl in China wohl schon seit 2021 mehrere Superrechner der Exascale-Leistungsklasse laufen, hat nur Lenovo, als Erbe von IBMs x86-Technologie, gerade mal zwei neue Industriesysteme in China verkündet. Nach den erheblich erweiterten US-Sanktionen gegen China im Oktober wird in Zukunft von hierher wohl auch nicht mehr viel kommen. Und Russland liegt ja aus bekannten Gründen ganz auf Eis.

In der insgesamt installierten Top500-Performance führen wie gehabt die USA mit 2123 PFlops vor Japan (624 PFlops) und China (514 PFlops). In Europa führen dank Lumi und Leonardo jetzt Finnland und Italien klar mit 321 beziehungsweise 253 PFlops vor Deutschland (219 PFlops) und Frankreich (175 PFlops).

Auch auf der 60. Top500-Liste dominieren Systeme mit Intel-Prozessoren, aber AMD legt stark zu.

Aber es geht in Europa ja nur noch um die Standorte, nicht mehr um die Betreibernationen und es ergibt relativ wenig Sinn, die Supercomputer nach Standorten einzuordnen. Stattdessen ist "EuroHPC" – also die EU inklusive Schweiz, Norwegen und Island – weitaus aussagekräftiger. Von den restlichen europäischen Nationen spielt bislang ansonsten nur noch die Ex-EU-Nation Großbritannien im Top500-Konzert eine Rolle.

EuroHPC hat jetzt 10 Systeme mehr in der Liste und konnte die Performance um über 50 Prozent steigern, währen "RoW", der Rest der Welt, gerade mal 2 Prozent draufsattelte. Nur dank Europa konnte daher die Gesamtleistung der 60. Top500-Liste um trotzdem mäßige 10 Prozent von 4403 auf 4864 PFlops zunehmen – oft war der Zuwachs von Liste zu Liste in der Vergangenheit deutlich größer. Mit insgesamt 1126 PFlops ist EuroHPC nunmehr klar die Nummer 2.