Brasilianer entdecken plötzlich indischen Twitter-Klon Koo

Seit Donnerstag probieren viele brasilianische Twitter-User die indische Alternative Koo aus. Für ihre Ohren klingt der Name vulgär. Das erheitert.

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Zwei Handys zeigenen einen App-Store, der die Koo-App anpreist

Koo-Werbesujet

(Bild: Koo)

Lesezeit: 3 Min.
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Das von Elon Musk bei Twitter ausgelöste Chaos veranlasst immer mehr Twitter-User, andere soziale Netzwerke auszuprobieren. Häufig ist das Mastodon, doch in Brasilien ist ein indischer Twitter-Klon namens Koo plötzlich populär. Das hat die Betreiberfirma dazu veranlasst, schnell eine portugiesische Variante zu veröffentlichen. Insgesamt gibt es Koo jetzt in zwölf Sprachen, Versionen in Deutsch und zahlreichen weiteren Sprachen kommen "bald".

Kein Nachteil ist, dass Koo auf Portugiesisch wie cu klingen kann – ein vulgärer Ausdruck für das menschliche Sitzorgan. Das erheitert User und sorgt für ungeplante Aufmerksamkeit. Dabei soll Koo lediglich das Gezwitscher des gelben Maskottchen-Vogels wiedergeben.

Lanciert wurde Koo 2020 in Indien, wo es 2021 durch explizite Unterstützung der nationalistisch-hinduistischen Regierung regen Zulauf erhalten hat. Indiens Regierung wollte nicht hinnehmen, dass sie von Bauern auf Twitter kritisiert wird. Mehrere Minister wechselten zu Koo und forderten ihre Anhänger auf, zu folgen.

Zulauf erhielt Koo im selben Jahr in Nigeria: Dort hatte Twitter einen kontroversen Tweet des nigerianischen Präsidenten Muhammadu Buhari gelöscht und sein Konto für zwölf Stunden suspendiert. Das versetzte die Regierung des bevölkerungsreichsten Landes Afrikas in solche Wut, dass sie Twitter komplett verbot und alle Mobilfunkbetreiber anwies, den Zugang zu der Plattform zu sperren. Nigerias Regierung drohte Bürgern sogar mit Strafen, sollten sie versuchen, die Twitter-Sperre zu umgehen. Viele Nutzer wichen auf Koo aus, sogar die Regierung selbst.

Diesmal ist es eine andere Art von Machthaber, die Nutzer zu Koo treibt: Als Musk der bereits halbierten Twitter-Belegschaft extreme Arbeitsstunden aufzwingen, kündigten hunderte Angestellte Musks lieber. Da beschlossen viele Twitterati, nach Alternativen zu suchen. Alleine am Donnerstag sollen über eine Million Brasilianer die Koo-App installiert haben. Zuvor hatte der Dienst dort gerade einmal 2.000 User, jetzt ist es Koos zweitgrößter Markt.

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Das hat Mitgründer Aprameya Radhakrishna der brasilianischen Zeitung Extra erzählt. Angesichts dieses plötzlichen Interesses habe Koo schnell ein portugiesisches Interface erstellt. Zunächst mit automatisierter Übersetzung. Die anfängliche Verunsicherung ob des für portugiesische Ohren ungewöhnlichen Namens sei bald der Freude über die dadurch erregte Aufmerksamkeit gewichen: Offenbar finden die Leute das lustig und nicht anstößig.

Allerdings gab es flugs auch zahlreiche Profile, die sich zu Unrecht die Identität prominenter Brasilianer anmaßten. Ein Verifizierungssystem, wie Twitter es vor der Übernahme durch Musk hatte, hat Koo nicht. Radhakrishna gibt an, ein Büro mit lokalen Mitarbeitern in Brasilien eröffnen zu wollen, um die Nuancen des Marktes besser verstehen zu können.

Und anstatt die Schöpfer der Inhalte zur Kasse zu bitten, wie Musk es plant, sollen Koo-Autoren über die Plattform Geld verdienen können. Details dazu sind offen. Radhakrishna plant jedenfalls, gezielt prominente Brasilianer für das soziale Netzwerk anzuwerben.

Faktenprüfung bietet Koo nicht, sondern verweist auf Dritte. Koo-User sollten selbst wählen, welche Faktenprüfer sie nutzen möchten. Konten, die wiederholt falsche Information verbreiten, möchte das Unternehmen mit einem Warnhinweis versehen. Koo hat allerdings nur 200 Mitarbeiter. Der plötzliche Nutzer-Zustrom in einem fernen Land mit fremder Kultur wird eine Herausforderung. Insgesamt soll die App des sozialen Netzwerks bislang über 50 Millionen mal heruntergeladen worden sein.

(ds)