Pro und Contra​: Muss es der Master in Informatik sein?​

Während manchen ein Bachelor-Abschluss reicht, bezweifeln andere den Wert dieser akademischen Ausbildung. Zwei Meinungen zur Master-Frage.

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(Bild: Iakov Filimonov/Shutterstock.com)

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Von
  • Peter Ilg

Die Statistik ist unentschieden: 51 Prozent der Bachelor-Absolventen hängen direkt ein Masterstudium an. 49 Prozent nicht. Diese Zahlen stammen aus dem Bericht "Bildung in Zahlen 2020/2021" des Statistischen Bundesamts. Informatiker zählt das Amt zur Berufsgruppe der Ingenieure. Auf die beiden Bildungsabschlüssen bezogen steht es somit 1:1.

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So neutral ist die Meinung in unserer Gesellschaft nicht. Die einen meinen, ein Bachelor-Abschluss reiche völlig für ein erfolgreiches Berufsleben. Für andere ist er lediglich eine Grundausbildung und nur das Master-Studium eine echte akademische Ausbildung mit gründlichem Fachwissen, höherem Gehalt und besseren Karrieremöglichkeiten. So sieht es Dominik Heider, Leiter der Bachelor- und Master-Studiengänge Data Science an der Universität Marburg. Für Kerstin Aigner, Ausbildungsleiterin beim IT-Dienstleister Materna in Dortmund, zählt weniger die Art des akademischen Abschlusses. Ihr ist praktisches Wissen wichtig. Ein Pro und Contra gegen und für den Master in Informatik.

Im Bachelorstudiengang Informatik werden den Studierenden die Grundlagen der Disziplin vermittelt. Dazu gehören Einführung in Programmierung, Datenstrukturen, Algorithmen und technische Informatik. Darüber hinaus lernen sie die Grundlagen der Mathematik, wie lineare Algebra, Analysis oder Statistik.

Dominik Heider, Leiter der Bachelor- und Master-Studiengänge Data Science an der Universität Marburg.

(Bild: Christian Stein)

Im Masterstudiengang Informatik finden Vertiefung und Spezialisierung statt, vergleichbar mit dem früheren Prinzip von Grund- und Hauptstudium in Diplomstudiengängen. Im Bachelorstudium bleibt nur Zeit für die Wissensvermittlung grundständiger Methoden und Techniken.

Bei der Wahl eines anschließenden Masterstudiengangs können die Studierenden bei der Informatik bleiben oder in verwandte Disziplinen wie Data Science oder Bioinformatik wechseln. Die Vertiefung im Master ist eine Spezialisierung in der Informatik selbst oder deren Verzahnung mit anderen Fachdisziplinen. Beides ist für die spätere Berufswahl ein entscheidender Mehrwert. Die Studierenden lernen im Master über den Tellerrand ihres Faches hinauszuschauen, gehen Aufgaben aus unterschiedlichen Perspektiven an und werden Expertinnen in ihren Disziplinen. Doch das braucht seine Zeit.

Firmen aber wünschen sich aufgrund des Fachkräftemangels rasch neue Mitarbeitende. Sie begrüßen daher das verkürzte Studium und stellen Absolventinnen mit Bachelorabschluss deshalb gerne ein. Das ist nicht zielführend, weil ein Studium eine wissenschaftliche Ausbildung ist. Absolventinnen von Bachelorstudiengängen konkurrieren aber mit dual ausgebildeten Fachinformatikerinnen. Im Bewerbungsprozess liegen Bachelorabsolventinnen vorn und verdrängen Fachinformatikerinnen. Andererseits werden dadurch die Gehälter von Hochschulabsolventinnen, deren Aufgaben und die Reputation eines abgeschlossenen Studiums auf Dauer herabgesetzt.

Erlernte ein Studierender früher bis zum Diplom ein breites Fachwissen unterschiedlicher und vertiefender Themen, so liefert der Bachelor heute nur eine unvollständige Sicht auf die Informatik. Vergleicht man die Einstiegsgehälter von Absolventinnen aus der Informatik, so stellt man schnell fest, dass die zwei weiteren Studienjahre durch den Master nicht nur mehr Knowhow liefern, sondern auch ein sattes Plus beim Gehalt. So lagen 2021 die Einstiegsgehälter für Masterabsolventinnen etwa 17 Prozent über denen von Bachelorabsolventinnen.

Bachelorabsolventinnen werden im Laufe ihres Berufslebens auch sehr schnell an Karrieregrenzen stoßen. Insbesondere in größeren Unternehmen, weil sie am Ende eben doch nicht als vollständige Akademikerinnen wahrgenommen werden und ihnen deshalb Aufstiege verwehrt bleiben. Eine Karriere im Sinne von Leitungsfunktionen benötigt eben doch mehr als nur eine Grundausbildung. Sie setzt Wissen und Übersicht über den aktuellen Stand der Forschung und des State-of-the-Art voraus. Das haben Master-Absolventinnen.

Wenn ich den Hochschulabschluss mit dem Eiskunstlaufen vergleiche, dann ist ein Bachelor die Pflicht und ein Master die folgende Kür. Um ein Leben lang vernünftig eislaufen zu können, reicht die Pflicht.

Kerstin Aigner, Ausbildungsleiterin beim IT-Dienstleister Materna in Dortmund.

(Bild: Materna)

Die mit dem Bologna-Prozess angestrebte Vereinheitlichung von Bachelor- und Master-Abschlüssen ist nicht gelungen. Beinahe jede Hochschule und Fachhochschule setzt im Bachelor andere Schwerpunkte. Das erschwert zwar den Vergleich der Absolventen, bietet dafür aber eine Fülle an unterschiedlichen praxisorientierten Studienschwerpunkten. Generell ist ein Bachelor-Studium sehr praxisorientiert: Programmiersprachen und das Umsetzen von Programmierkenntnissen in Anwendungen werden intensiv vermittelt.

Der Bachelor ist ein berufsqualifizierender akademischer Abschluss. Aus unternehmerischer Sicht ist aber nicht der erworbene Titel das Einstellungskriterium. Entscheidend sind die praktischen Kenntnisse, die Beschäftigte in Kundenprojekten benötigen. Meiner Erfahrung nach bereitet ein Bachelor-Abschluss sehr gut auf die Mitarbeit in den meisten IT-Projekten vor. Insbesondere ist das Bachelor-Studium an Fachhochschulen sehr praxisbezogen, das an Universitäten ist eher theoretisch.

Die Güte eines Bachelor-Absolventen steht und fällt mit seiner Praxiserfahrung. Die im Studium vermittelten theoretischen Grundlagen legen die Basis für einen qualifizierten Berufseinstieg. Aber: das Sammeln von Praxiserfahrung ist einer der wichtigsten Faktoren für den Berufseinstieg und dies schon während des Studiums. Viele Studiengänge integrieren bereits Praktika, insbesondere an Fachhochschulen. Weitere wertvolle Erfahrungen liefern begleitende Tätigkeiten als Werkstudent etwa in IT-Unternehmen. Arbeitgeber schauen darauf, welche Praxiserfahrung Absolventen mitbringen und wie frühzeitig sie dadurch in Projekten einsetzbar sind.

Meiner Meinung nach sollten attraktive Arbeitgeber ihre Mitarbeitenden nicht in erster Linie nach deren Titel beurteilen, sondern nach ihrem Mehrwert für das Unternehmen. Dazu gehören nicht nur das theoretische Wissen der Hochschule, sondern auch Soft Skills und Schlüsselqualifikationen wie Teamarbeit, Neugier, selbstständiges Arbeiten, Kundenorientierung, Konfliktfähigkeit und Einsatzbereitschaft. Diese werden vor allem in der Praxis ausgeprägt und vermittelt.

Wir stellen aber auch fest, dass Konzerne und die Global Player nach wie vor Master-Absolventen bevorzugen. Das machen wir nicht. Wir schauen, wie wir Absolventen am besten einsetzen können. Damit sind wir erfolgreich und unsere Trainee-Programme sehr gefragt. Das sind unsere Mittel und Methoden gegen den IT-Fachkräftemangel.

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