EU Chips Act: Alte Fertigungsprozesse können "State of the Art" sein

Der Europäische Rat hat den European Chips Act überarbeitet. Im neuen Entwurf sind wichtige Definitionsänderungen enthalten.

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(Bild: Macro photo/Shutterstock.com)

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Schleppend geht es voran beim European Chips Act, hierzulande auch "europäisches Chip-Gesetz" genannt. Der EU-Rat steht kurz vor Unterzeichnung aller Mitgliedsstaaten, woraufhin 2023 noch das EU-Parlament zustimmen muss. Dafür gibt es Anpassungen, die auf den ersten Blick sinnvoll erscheinen.

Unter anderem der rotierende Ratsvorsitz zieht den Abschluss in die Länge: Unter französischem Vorsitz wurde der Chips Act im Frühling 2022 ins Leben gerufen und dann unter tschechischem Vorsitz verfeinert. Die Änderungen nehmen Rücksicht auf zahlreiche Wortmeldungen, dass sich die EU nicht nur auf die modernsten Fertigungsgenerationen wie 2 Nanometer versteifen sollte. Insbesondere der in Europa großen Autoindustrie genügen für die meisten Chips ältere Fertigungsprozesse, etwa ab 28 nm.

So hat der EU-Rat unter anderem die Definition von hochmodernen (State of the Art) Halbleiterbauelementen angepasst. Diese müssen nicht länger mit den feinsten Strukturbreiten gefertigt werden, stattdessen sieht der Entwurf auch Förderungen etwa bei innovativen Packaging-Technologien vor – Stichwort gestapelte Chips. Im Entwurf heißt es dazu:

"Das Kriterium der 'Neuartigkeit' besteht darin, dass ein innovatives Element in Bezug auf die Herstellungsprozesse oder das Endprodukt in den Binnenmarkt eingebracht wird, das auf neuen oder bestehenden Prozessgenerationen beruhen kann. Relevante Innovationselemente könnten sich auf den Fertigungsprozess oder das Trägermaterial (Substrat) beziehen oder auf Ansätze, die zu Verbesserungen bei der Rechenleistung oder anderen Leistungsmerkmalen, der Energieeffizienz, dem Sicherheitsniveau, der Sicherheit oder der Zuverlässigkeit sowie der Integration neuer Funktionalitäten wie KI, Speicherkapazität oder anderen führen."

"Die Integration verschiedener Prozesse, die zu Effizienzsteigerungen oder zur Automatisierung von Verpackung und Montage führen, sind ebenfalls Beispiele für Innovation", heißt es weiter. "Was den Umweltnutzen anbelangt, so gehören zu den Innovationselementen die quantifizierbare Verringerung des Energie-, Wasser- oder Chemikalienverbrauchs oder die Verbesserung der Recyclingfähigkeit von Materialien. Die oben genannten Innovationselemente können sowohl für ausgereifte als auch für neuartige Prozessgenerationen gelten."

Weitere Punkte betreffen Rahmenbedingungen für Firmen, die von den Förderungen profitieren. Von der EU geförderte Halbleiterwerke für die europäische Chipauftragsfertigung heißen Open EU Foundry und müssen Grundlagen erfüllen, die bei Chipauftragsfertigern wie TSMC und Samsung üblich sind, allen voran: In den Halbleiterwerken müssen Firmengeheimnisse der Kunden gewahrt werden. Informationen aus der Design- oder Produktionsphase dürfen nicht an andere Kunden gelangen.

Intel baut das bislang teuerste europäische Halbleiterwerk in Magdeburg beziehungsweise einen Komplex aus zunächst zwei Werken für zusammen rund 17 Milliarden Euro. Darin will die Firma für Auftragskunden zunächst Chips im Fertigungsprozess Intel 3 und später unter anderem 18A produzieren. Ein weiteres Großprojekt steht bei Infineon in Dresden für 5 Milliarden Euro auf dem Plan, wenn die Förderungen passen.

Dem aktuellen Entwurf zum European Chips Act sollen EU-Diplomaten bei einem Vorbereitungstreffen jüngst zugestimmt haben. Der Rat selbst teilt ihn nicht, dafür aber Table Media. Die Ministerinnen und Minister aller Mitgliedsstaaten werden den Entwurf voraussichtlich am 1. Dezember beim nächsten Rat zur europäischen Wettbewerbsfähigkeit unterzeichnen.

Somit muss der European Chips Act nur noch durch das EU-Parlament, bevor er in europäisches Gesetz übersetzt werden kann. Bis dahin werden mindestens noch einige Monate vergehen.

(mma)