Zahlen, bitte! 44 Jahre Kalter Krieg - im Cold War Museum in Berlin erlebbar

Als "Hauptstadt des Kalten Krieges" bildete Berlin in über 40 Jahren die Front zwischen Ost und West. Ein interaktives Museum erinnert dort nun an den Konflikt.

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Von
  • Detlef Borchers
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In kaum einem anderen Ort in Deutschland war der Kalte Krieg und das Ringen der Großmächte um die Nachkriegsordnung so spürbar wie im geteilten Berlin. Nun eröffnete Bürgermeisterin Franziska Giffey genau dort letzten Samstag das Cold War Museum im Boulevard Unter den Linden.

Zahlen, bitte!

In dieser Rubrik stellen wir immer dienstags verblüffende, beeindruckende, informative und witzige Zahlen aus den Bereichen IT, Wissenschaft, Kunst, Wirtschaft, Politik und natürlich der Mathematik vor.

Unter dem Titel "Two Sides of the Same Story" soll das von zahlreichen Multimedia-Installationen geprägte Museum über die 44 Jahre des Kalten Krieges zwischen Ost und West informieren, gerechnet von der Verkündigung der Truman-Doktrin im März 1947 bis zur Auflösung der Sowjetunion im Dezember 1991. In der ehemaligen Mercedes-Benz Gallery, gleich neben dem Bud Spencer-Museum, ist das Cold War Museum Berlin in illusterer Gesellschaft.

Das Brandenburger Tor ist nicht weit entfernt, auch der historische Checkpoint Charlie, als Symbol der Stadt unter der Teilung durch die Berliner Mauer, dürfte selbst für Fußlahme erreichbar sein. Dort am Checkpoint wollte die Stadt Berlin eigentlich ein eigenes Museum bauen, dass über den Kalten Krieg berichtet, aber der Plan ist strittig und das Geld nicht da. Nun also ein allgemeines Museum um den Konflikt.

Das neue 1600 qm große Cold War Museum wird privatwirtschaftlich betrieben und ist gewissermaßen auch von einigen Exponaten her das Baby des Spionage-Museums am Potsdamer Platz. Zur Pressekonferenz schwärmte Investor Carsten Kollmeier (der auch noch ein Dali- und ein Samurai-Museum in Berlin betreibt) davon, wie das Museum funktionieren könnte: da geht der nach dem Kalten Krieg geborene Enkel mit dem Opa durch die Ausstellung und beide können sich Geschichten erzählen. Der Opa vielleicht davon, wie ein solcher Fernschreiber funktioniert, der nach der Kubakrise zwischen West und Ost als "Heißer Draht" zum Einsatz kam.

Fernschreiber in der Zeit der Kubakrise, als die Drähte angesichts der Bedrohung durch einen Atomkrieg glühten.

Der Enkel kann sein Smartphone mit den vielen Bildschirmen des Museums synchronisieren und dem Opa original Wikipedia-Feeling präsentieren oder ihn in den Titelbildern von Spiegel, Times und Newsweek blättern lassen. Umgekehrt kann sich wiederum der Enkel mit einer VR-Brille dem Bau der Mauer in Berlin nähern.

Das Museum wird durch einen künstlerisch gestalteten eisernen Vorhang betreten, auf dem US-Präsident Harry S. Truman abgebildet ist. Seine Truman-Doktrin hat der wissenschaftliche Beirat des Museums als den Beginn des Kalten Krieges definiert. Der heiße Krieg, der davor stattfand, wird von einer 1:1-Replik der Atombombe "Fat Man" symbolisiert, die den über den Köpfen der Besucher schwebt und den Boden des zweistöckigen Museums durchschlägt.

Nachbildung der Atombombe "Fat Man", die 1945 über der japanischen Stadt Nagasaki mit der Kraft von 21 Kilotonnen TNT explodierte.

Als 1:1-Nachbau schwebt der piepsende Sputnik, mit dem der Osten den Westen schockte über den Köpfen der Besucher. Auch eine sowjetische S-75-Rakete hängt an den Seilen. Mit einer baugleichen Rakete wurde 1960 der Pilot und CIA-Mitarbeiter Gary Powers über der Sowjetunion abgeschossen, was ebenfalls zu einer der vielen Krisen führte, die den Kalten Krieg ausmachten.

Da sind die Geschichten vom Kalten Krieg etwa im Sport doch einfacher zu erzählen, aber eben auch verwirrender. Was hat der Black-Power-Protest bei den Olympischen Spielen 1968 mit ihm zu tun? Gewiss, der mutige Protest erschütterte die USA, doch die Annahme, dass die Sowjetunion den Protest der Farbigen schürte, gehört eher zu den Verschwörungstheorien. Vom Sport erzählen will noch eine olympische Feuerfackel von München 1972 und eine einsame Eintrittskarte für die Olympischen Spiele in Moskau, die der Westen wegen des Einmarsches der Sowjets in Afghanistan boykottierte, nur um sich im Gegenzug eine Ost-Blockade der Spiele in Los Angeles einzuhandeln. Was man im Museum nicht findet, sind Exponate, wie der Kalte Krieg Kunst und Kultur beeinflusste.

Nachbildung des Sputnik-Satelliten, der 1957 mit seinem Flug den Wettlauf der Systeme ins All und später zum Mond einleitete.

Eine Art Gemeinsamkeit zwischen Ost und West scheint der Weltraum zu sein. Der Wettlauf ins All darf in so einer Betrachtung nicht fehlen. Seit' an Seit' kann man die Weltraumtracht der Kosmonauten und der Astronauten im Museum bewundern. Neil Armstrong oder Sigmund Jähn? Egal. Ein Werbevideo für das Museum lässt die Astronaut mit einem E-Board und Kosmonaut mit dem Skateboard durch Berlin fahren, eine Currywurst essen und gemeinsam den nächsten bedeutenden Ort im Kalten Krieg erklimmen: der Teufelsberg.

Hier spionierten rund 1000 US Amerikaner von der NSA und ihre Verbündeten die Funkfernverbindungen von Ostberlin, Warschau und Kiew nach Moskau aus. Die Anlage wurde langsam ab August 1992 abgebaut, als der Kalte Krieg beendet war und die Sowjetunion aufgelöst wurde. Auf östlicher Seite begann die Demontage der Atomwaffen in der Ukraine, Belarus und Kasachstan und mit dem Zerfall ging auch der Neubeginn in Osteuropa einher.

Mit viel Hightech und Exponaten macht die Ausstellung die wichtigsten Kapitel des Kalten Krieges erlebbar und ist angesichts des aktuellen Weltgeschehens leider in seiner Mahnung aktueller denn je.

(mawi)