Geklaute Stile, tiefe Dekolletés, Nacktheit: Kritik an KI-Avataren von Lensa

Die Foto-App Lensa erstellt seit einigen Tagen auf Basis von hochgeladenen Selfies "künstlerische" Avatarfotos. Von mehreren Seiten mehrt sich die Kritik.

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Einige "magische Avatare" auf Basis von Gesichtsaufnahmen des Autors und der Angabe, dass es sich um eine Frau handelt.

(Bild: Lensa)

Lesezeit: 4 Min.

Während online viele künstlich erzeugte Porträts geteilt werden, die eine App namens Lensa auf Basis von echten Fotos erstellt hat, wächst die Kritik an der Anwendung. Künstler und Künstlerinnen kritisieren, dass Lensa dafür auf den Bildgenerator Stable Diffusion zurückgreift, der mit Kunstwerken aus dem Internet trainiert wurde. Andere darauf weisen darauf hin, dass Lensa Nacktbilder von Menschen erfindet, deren Fotos ohne deren Zustimmung geschickt werden können. Zuvor war bereits angemerkt worden, dass die Lensa-KI eine auffallende Präferenz für tiefe Dekolletés oder gleich ganze, leicht bekleidete Frauenkörper zu haben scheint. Das für die App verantwortliche Unternehmen hat bereits Änderungen angekündigt.

Lensa gibt es bereits seit 2018, die aktuell enorme Popularität basiert aber auf der erst vor wenigen Tagen hinzugefügten Option "Magic Avatars". Bis dahin handelte es sich um eine App zur Fotobearbeitung mit Schwerpunkt auf Selfies. Die "magischen Avatare" sind eine Zusatzfunktion, die den Hype um KI-Bildgeneratoren um einen neuen Aspekt erweitert. Dazu bittet die App um 10 bis 20 gute Selbstporträts, die hochgeladen werden müssen. Mit Stable Diffusion werden daraus gegen Bezahlung Dutzende neue Porträts in verschiedenen künstlerischen Stilen erstellt, die man dann herunterladen kann. Das kostet eine einmalige Gebühr in Höhe von mehreren Euro, angeboten wird aber auch ein Jahresabo.

Kritisiert wird unter anderem, dass Generatoren wie Stable Diffusion mit Bildern aus dem Internet trainiert wurden, Lensa erstellt also unter Umständen Bilder im Stil eines Künstlers oder eine Künstlerin, ohne dass diese irgendeine Gegenleistung bekommen. Bekannt ist etwa der Fall des Malers Greg Rutkowski, dessen Stil von den Bildgeneratoren besonders häufig reproduziert zu werden scheint. Die Debatte ist nicht neu, aber angesichts der enormen Reichweite, die Lensa nach nur wenigen Tagen erreicht, gewinnt sie nun noch einmal an Fahrt. Kritisiert wird weiterhin, dass Lensa in den Nutzungsbedingungen umfangreiche Rechte an den Inhalten eingeräumt werden.

Techcrunch weist derweil darauf hin, es sei äußerst einfach, mit der Technik Nacktbilder von Personen ohne deren Wissen oder Zustimmung zu erstellen. Dazu reiche es, einige Porträts hochzuladen, etwa von Prominenten, ergänzt um solche, auf denen deren Gesichter auf nackte Oberkörper montiert wurden. Die für Lensa verantwortliche US-Firma Prisma Labs hat demnach bereits versichert, sie arbeite bereits daran, die Erstellung von Nacktbildern zu verhindern. Andere haben darauf hingewiesen, dass Lensa teilweise völlig unabhängig von den hochgeladenen Fotos für Frauen Bilder mit tiefem Dekolleté oder gleich leicht bekleidete Ganzkörperaufnahmen ausgibt. Das lässt sich auch für Fotos von Männern reproduzieren, zu denen lediglich angegeben wird, dass es sich um Frauen handelt.

Weil Lensa das Erstellen der KI-Portraits derart vereinfacht, erreicht der Hype um KI-Bildgeneratoren damit jetzt Personen, die bisher wohl noch nicht damit in Berührung gekommen sind. Vor allem wird die teils mühsame Suche nach der richtigen Aufforderung ("Prompt") für das gewünschte Ergebnis komplett umgangen. In sozialen Netzwerken tauchen jetzt noch einmal viele Beiträge von Menschen auf, in denen sie ihr Erstaunen über die Ergebnisse ausdrücken. Schon seit Monaten geht das so, bislang war man dafür aber auf die Plattformen wie Midjourney, Dall-E und Stable Diffusion beschränkt, weswegen der Kreis der Nutzer und Nutzerinnen vergleichsweise klein war. Unklar ist noch, welche Auswirkungen die "KI-Kunst" von Lensa auf die seit Monaten geführte Debatte über die KI-Generatoren haben wird.

(mho)