Datenschützer: Öffentlich-Rechtliche sollen sich aus Tiktok und Co. zurückziehen

ARD und ZDF sollten ihre Social-Media-Aktivitäten ins Fediverse verlagern, fordert der erste gemeinsame Rundfunkdatenschutzbeauftragte Reinhart Binder.

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(Bild: metamorworks/Shutterstock.com)

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Social-Media-Auftritte der öffentlich-rechtlichen Sender bei großen US-Plattformbetreibern wie Facebook-Fanpages sollen bald der Vergangenheit angehören. Dafür plädiert Reinhardt Binder, der erste gemeinsame Rundfunkdatenschutzbeauftragte von BR, SR, WDR, Deutschlandradio und ZDF, in seinem jetzt veröffentlichten Abschlussbericht nach vier Jahren Arbeit.

Binder erinnert in dem Papier daran, dass der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber im Lichte der aktuellen Rechtsprechung schon seit Längerem den Druck vor allem auf Bundesbehörden erhöht habe, den Betrieb von Facebook-Fanpages und gegebenenfalls weiterer Social-Media-Aktivitäten einzustellen. Für die Öffentlich-Rechtlichen seien zwar "zweifellos andere Voraussetzungen zu berücksichtigen". Der Funktionsauftrag verpflichte sie, "dort präsent zu sein, wo es publizistisch notwendig ist". Vor allem Jüngere seien nur noch auf kommerziellen Plattformen wie Instagram oder Tiktok zu erreichen.

Dennoch seien die Aktivitäten der Rundfunkanstalten mit Blick "auf die Folgen für den Datenschutz in mehrfacher Hinsicht problematisch", moniert Binder: Zum einen legitimierten und stärkten die Sender die Plattformen und "deren Umgang mit personenbezogenen Daten" durch die Präsenz ihrer "zielgruppenspezifisch attraktiven Angebote". Ferner schlössen sie Personen, "die ihre Daten vor dem Zugriff kommerzieller Plattformen schützen möchten, durch Exklusivinhalte und auf Social-Media-Plattformen beschränkte Interaktionsmöglichkeiten von Teilen seiner Angebote aus".

Mangels effektiver organisatorischer und technischer Vorkehrungen könnten die Öffentlich-Rechtlichen auch "die nahezu ungehinderte Datennutzungen der Plattformbetreiber, laufende Datenübermittlungen an Staaten ohne adäquates Datenschutzniveau" sowie Zugriffe Dritter bei kaum einem der – vornehmlich US-amerikanischen – Betreiber wirksam verhindern. Dabei sei oft "nicht ohne Weiteres ersichtlich, warum sie sich gerade für diesen Ausspiel- und Kommunikationsweg entschieden haben".

Daher würden im Rahmen der "aktuellen Diskussion über die Verfasstheit und Ausrichtung" von ARD, ZDF & Co. "zunehmend Forderungen nach einem gemeinsamen öffentlich-rechtlichen Kommunikationsnetzwerk laut", weiß der Beauftragte. "Sie haben seit der Übernahme von Twitter durch Elon Musk Ende Oktober 2022 zusätzlich Fahrt aufgenommen".

Unabhängig von einem solchen Projekt könnten die Rundfunkanstalten dem Bericht zufolge "alternativ oder wenigstens kumulativ das Fediverse nutzen", zu dem etwa der Kurznachrichtendienst Mastodon, die Foto-Plattform Pixelfed und die Video-Plattform PeerTube gehörten. Dabei handle es sich um ein nicht-kommerzielles, dezentrales Kommunikationsnetz, das auf freier Software beruhe. Dies ermögliche es auch den Öffentlich-Rechtlichen, solche Dienste "kostengünstig und transparent" zu nutzen.

Binder plädiert "nachdrücklich dafür, dass sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk zu einem solchen Schritt entschließt und auch eine eigene Infrastruktur" in Form einer eigenständigen Instanz für seine Angebote betreibt. So könnten die Sender Angebote in sozialen Medien" insbesondere in Bezug auf die Datenerhebung und -verarbeitung vollständig datenschutzkonform und unabhängig gestalten". Dank seiner dezentralen Struktur und des Verzichts auf eine algorithmusgesteuerte Anzeige von Beiträgen sei das Fediverse so "zumindest bislang auch viel weniger anfällig für die Erregungsmechanismen, die Twitter kennzeichnen".