FTX: Die achtfache Anklage gegen Sam Bankman-Fried

Vier verschiedene Straftaten-Bündel in acht Anklagepunkten. Nach nur einem Monat steht die US-Anklage gegen SBF.

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Staatsanwalt Damian Williams an Redenerpult, links eine US-Fahnre, rechts eine Fahne New Yorks

US-Staatsanwalt Andre Damian Williams Jr. (Bild) erhebt schwere Vorwürfe gegen Sam Bankman-Fried.

(Bild: USAO-SDNY/Daniel AJ Sokolov)

Lesezeit: 6 Min.
Inhaltsverzeichnis

Die US-Anklage gegen Sam Bankman-Fried, kurz SBF genannt, steht. Der Montagabend (Ortszeit) auf den Bahamas verhaftete FTX-Gründer soll sich in New York strafrechtlich verantworten. Acht Anklagepunkte umfasst die erste Version der Anklageschrift, die am Dienstag veröffentlicht wurde. Sie zeiht SBF vier verschiedener Straftaten-Komplexe. Für den 30-jährigen Ex-Milliardär gilt die Unschuldsvermutung.

Bankman-Fried ist Gründer der Kryptowährungsbörse FTX und des Kryptowährungs-Spekulationsfonds Alameda Research. Das mit vielen Milliarden Dollar bewertete Geflecht aus 135 Firmen ist Anfang November zusammengebrochen. Der FTX-Kollaps hat in der Krypto-Branche viele Brandherde nach sich gezogen. FTX war das zweitgrößte Unternehmen in der Kryptowährungsszene und schlecht verwaltet. FTX hatte nicht einmal einen Buchhalter angestellt. Verlässliche Aufzeichnungen über Geldflüsse und deren Gründe gibt es kaum.

Am 11. November hat FTX Konkurs angemeldet. Der Schaden geht in die Milliarden, die Aufarbeitung wird Jahre dauern. Dennoch haben US-Behörden es in nur einem Monat geschafft, eine Anklage zusammenzustellen und eine Grand Jury von hinreichendem Tatverdacht zu überzeugen. "Rund um die Uhr" hätten Staatsanwälte und FBI-Ermittler gearbeitet, um die "Serie zusammenhängender Betrugssysteme, die zum FTX-Kollaps beigetragen haben" aufzudecken, sagte Andre Damian Williams Jr., Bundesstaatsanwalt für das südliche New York, am Dienstag.

Unterdessen gehen die Ermittlungen weiter. "Während das unsere erste öffentliche Präsentation ist, ist es nicht die letzte", kündigte Williams Anklagen gegen Mittäter an. Auch eine Erweiterung der Anklage gegen Bankman-Fried wäre keine Überraschung. Der Staatsanwalt rief Wissende auf, sich zu melden, um die Ermittlungen zu unterstützen. Außerdem sollten sich alle melden, die etwas auf dem Kerbholz hätten: "Kommen Sie zu uns, bevor wir zu Ihnen kommen."

In der vorliegenden Anklageschrift geht es um vier unterschiedliche, strafrechtliche Vorwürfe: Bankman-Fried habe erstens Kunden von FTX.com betrogen, zweitens Kreditgeber von Alameda Research betrogen, drittens FTX-Investoren betrogen, und viertens US-Gesetze über Wahlkampfspenden gebrochen. FTX.com war der wichtigste US-Arm des FTX-Konglomerats. Hier haben US-Einwohner und -Firmen Geld eingezahlt, um auf Kryptowährungen und deren Derivate, diverse Indizes und andere Finanzkonstrukte zu wetten, Kryptowährungen zu wechseln, NFT (Non Fungible Tokens) sowie indirekt klassische Aktien und börsenotierte Aktienfonds zu handeln. Auch auf Kredit.

Der Betrug an FTX.com-Kunden erfolgte laut Staatsanwaltschaft dadurch, dass FTX den Kunden zwar versprach, dass ihre Einlagen nicht angetastet würden, es diese aber tatsächlich veruntreut hat – und zwar nicht erst im Zuge des "Krypto-Winter" in diesem Jahr, sondern praktisch seit Firmengründung 2019. SBF habe das fremde Geld für persönliche Zwecke und persönliche Investitionen ausgegeben, und um Verluste bei seiner Spekulationsfirma Alameda Research zu decken. Hier geht es um mindestens acht Milliarden Dollar, die fehlen.

Der Betrug an Gläubigern Alameda Researchs sei dadurch gegeben, dass SBF über die Herkunft jener Mittel gelogen habe, mit denen Forderungen der Gläubiger beglichen worden seien. Dadurch wurden die Geldgeber über die finanzielle Lage Alameda Researchs getäuscht und haben womöglich weitere Kredite gewährt, die sie sonst nicht gewährt hätten.

Der Betrug an Investoren FTX' sei ebenfalls durch Lügen zustande gekommen: SBF soll dabei unwahre Angaben über die finanzielle Lage seines Firmengeflechts gemacht haben. Alleine in diesem Bereich geht es nach bisherigen Informationen um mindestens 1,8 Milliarden Dollar, die Investoren in den Sand gesetzt haben.

Im November war in den USA großer Wahltag. Getrieben von Furcht vor echter Regulierung, wirksamem Verbraucherschutz und Maßnahmen gegen Geldwäsche schüttete die Kryptogeldbranche ihr Füllhorn über Politiker und Organisationen beider US-Parteien aus. Bankman-Fried war besonders spendabel. Nach außen versteifte er sich nicht gegen jegliche Regulierung; sein Lobbying hatte offenbar sanfte, weitgehend wirkungslose Vorschriften zum Ziel.

Bankman-Fried, seine Firmen und Kollegen sollen mindestens 73 Millionen US-Dollar gespendet haben. Mehr als die Hälfte davon floss in eigene Fonds (sogenannte "independent expenditure-only political action committees", genannt Super PAC), die das Geld wiederum an Politiker und Wahlkampforganisationen weiterverteilten. Unter der Führung Bankman-Frieds wurde die Krypto-Branche zur größten Spenderin im jüngsten US-Wahlkampf. Sie hat laut Wall Street Journal mehr aufgebracht als Waffen und KFZ-Branche zusammen.

Bundesstaatsanwalt Williams forderte die Empfänger der Wahlkampfspenden auf, das Geld zurückzugeben, um unschuldige Opfer des FTX-Kollapses zu entschädigen. Denn laut seiner Anklage waren die Spenden oft illegal. Dutzender Millionen Dollar "wurden als Spenden wohlhabender Mittäter ausgegeben, obwohl sie von Alameda Research finanziert wurden, aus gestohlenen Einlagen von (FTX-) Kunden", sagte der Ankläger bei einem kurzen öffentlichen Auftritt in Manhattan am Dienstag.

In den USA ist es illegal, politische Spenden unter fremdem Namen zu registrieren. Außerdem soll SBF dabei gegen Vorschriften verstoßen haben, die Spenden von Unternehmen regeln.

Juristisch kleiden sich diese ungeprüften Vorwürfe in bislang acht Anklagepunkte:

  • Betrug an FTX.com Kunden mit Einsatz von Telekommunikationsmitteln (1) sowie Verschwörung dazu (2)
  • Betrug an Kreditgebern Alameda Researchs mit Einsatz von Telekommunikationsmitteln (3) sowie Verschwörung dazu (4)
  • Verschwörung zu Anlagebetrug, weil FTX.com-Kunden Swaps gehandelt haben oder handeln wollten, ihre dafür vorgesehenen Einlagen aber zweckentfremdet und veruntreut wurden (5)
  • Verschwörung zu Anlagebetrug durch falsche Angaben gegenüber FTX-Investoren (6)
  • Verschwörung zu Geldwäsche – rechtswidrig erlangte Vermögen sollen in verschleiernder Weise verschoben worden sein (7)
  • Betrug zulasten der Vereinigten Staaten und Verletzung von Wahlkampffinanzierungsrecht (8)

All das habe Bankman-Fried wissentlich getan oder veranlasst. Für die Verschwörungstatbestände soll er Mittäter gehabt haben, die die Anklageschrift als "bekannte und noch nicht bekannte" Personen umschreibt. Die Namen der bekannten Mittäter verrät die Staatsanwaltschaft derzeit noch nicht. Sie erhalten jetzt Gelegenheit, sich gegebenenfalls strafmildernd an der Aufklärung zu beteiligen.

Das Strafverfahren heißt USA v. Samuel Bankman-Fried und ist am US-Bundesbezirksgericht für das südliche New York unter dem Az. 22-Cr-673 anhängig.

(ds)