"New Economy": In und Out im Alltag

Manche Ideen, die während des Booms 1999/2000 gefeiert wurden, erwiesen sich als Luftnummern und sind vergessen. Doch andere haben überlebt.

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Von
  • Arno Schütze
  • dpa

Vor drei Jahren war der Begriff New Economy in aller Munde. Junge Unternehmen wollten die Wirtschaft mit Hilfe von Internet-Technologien neu erfinden. Heute ist Nüchternheit eingekehrt. Manche Ideen, die während des Booms 1999/2000 auf der weltgrößten Computermesse CeBIT gefeiert wurden, erwiesen sich als Luftnummern und sind vergessen. Doch andere haben überlebt: Lassen sich mit manchen Geschäftsmodellen Millionen verdienen, haben andere eher unbeachtet für eine Revolution im Arbeitsalltag gesorgt. Der Geschäftsführer des Deutschen Multimedia Verbands (dmmv) Alexander Felsenberg resümiert: "Die Vision für das Medium Internet ist voll eingetreten, die Vision für einige Unternehmungen hingegen nicht."

"Den Vordenkern der New Economy ging es um die Transformation der Wirtschaftswelt in die digitale Form", erklärt Bernhard Rohleder, Geschäftsführer des Branchenverbandes Bitkom. Allerdings hätten Internet-Startups die Aufgabe oftmals falsch angepackt und zu viel Geld in das Marketing investiert. "Heute erleben wir die Realisierung der Digitalisierung der Geschäftsprozesse -- allerdings bei den Unternehmen der Old Economy", sagt Rohleder. Sie profitierten davon, dass Abläufe von Entwicklung über Einkauf, Produktion bis hin zu Marketing, Vertrieb und Kundenservice zunehmend über das Netz abgewickelt werden. "Ein breites Bewusstsein für die Bedeutung dieser Technologien ist im Boom der New Economy geschaffen worden."

"Früher hat sich ein Ingenieur in den Flieger nach China gesetzt und hat eine Maschine vor Ort repariert", sagt Rohleder. Heute reiche es oftmals aus, wenn sich der Experte in das Firmennetz einlogge und die Software der Anlage von Deutschland aus online warte. Siemens-Sprecher Andreas Fischer erklärt, worauf es einem Großkonzern ankommt: "Für uns ist es entscheidend, Betriebsabläufe mit Hilfe von Software und einheitlichen Prozessen zu unterstützen, um Kosten zu senken."

Zu den Ideen der New Economy, die eine unerwartete Wendung genommen haben, gehört der Verkauf von Waren über das Netz. Tausende Unternehmen waren Ende der 90er unter großem Werbe-Getöse daran gegangen, Produkte wie Bücher, Lebensmittel und Kleidung per Internet abzusetzen. Übrig geblieben sind nur wenige. "2002 hat es die Mega-Bereinigung gegeben", sagt Felsenberg. Abgesehen von mittlerweile profitablen Firmen wie Online-Buchhändler Amazon und dem Online-Auktionshaus eBay haben vor allem die großen Versandhändler wie Quelle und Otto das Geschäft unter sich aufgeteilt. Die Umsätze des Verkaufs von Produkten an Endverbraucher haben nach Einzelhandels-Angaben in Deutschland einen Anteil von 2,1 Prozent des gesamten Handels erreicht.

"Aber von den 87 Milliarden Euro E- Commerce-Umsatz entfallen knapp vier Fünftel auf den Handel zwischen Unternehmen", sagt Rohleder. Im Bereich "Business to Business" (B2B) seien die neuen Technologien weit erfolgreicher als im Endkundengeschäft. "Volkswagen wickelt über die B2B-Plattform rund 80 Prozent seines Beschaffungsvolumens von 50 Milliarden Euro ab", sagt VW-Sprecher Fred Bärbock. Jochen Carle von DaimlerChrysler erklärt: "Die Vorteile liegen in der enormen Prozessbeschleunigung teilweise bis zu 80 Prozent." Die größere Markttransparenz sorge zudem für sinkende Kosten im Bestell- und Einkaufsprozedere sowie niedrigere Einkaufspreise.

Internet-Techniken haben nach Ansicht von Felsenberg die im Boom an sie gestellten Erwartungen erfüllt. Schon 1999 hätten aber Experten wie die des Beratungsunternehmens Coopers & Lybrand gewarnt, dass nur zehn Prozent der Unternehmensgründungen überleben würden. Die Pleite vieler Firmen sei also zu erwarten gewesen. Ohne Zweifel habe aber das Wort des AOL-Gründers Steve Case aus dem Jahr 1998 seine Gültigkeit nicht verloren: "Dieses neue, interaktive Medium Internet wird in Zukunft noch weitaus massiveren Einfluss auf die Art und Weise haben, wie die Gesellschaft kommuniziert, Informationen bekommt, Geschäfte macht." Möglicherweise aber gehört Steve Case selbst zu den Verlierern der Zeit nach dem New-Economy-Boom. (Arno Schütze, dpa) / (jk)