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c't 3003: Die Spielkonsole auf dem USB-Stick – Batocera Linux

Einen USB-Stick in einen beliebigen Rechner stecken und schon hat man eine Retro-Spielkonsole mit tausenden Spielen? Batocera Linux machts möglich.

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Lesezeit: 12 Min.
Von
  • Jan-Keno Janssen

Es gibt etliche spielefokussierte Linux-Distributionen; c't 3003 stellt mit Batocera Linux eine der gelungensten im Video vor.

(Hinweis: Es handelt sich hier um einen Bonusinhalt für Menschen, die das Video oben nicht schauen können oder wollen. Die Informationen auf der Bildspur gibt das Transkript nicht wieder.)

Guckt mal: Ich stecke jetzt diesen USB-Stick in irgendeinen Rechner, schalte den ein, ein paar Sekunden warten -- und ich habe hier eine Super-Spielkonsole mit tausenden Spielen auf etlichen Systemen. Und nicht nur alte Dinger wie C64 und Super Nintendo, auch PS3 und Wii U werden hier emuliert. Mit einer superschicken Oberfläche, mit Vorschauvideos und man kann alles einfach mit dem Controller steuern, und muss nichts konfigurieren – also keine Tasten zuweisen oder so, alles automatisch. Batocera Linux heißt das Ding. Und ja, hier auf c’t 3003 gibt es manchmal ein bisschen frickelige Tutorials, aber das hier selbst hinzubekommen – das ist WIRKLICH einfach. Versprochen. Bleibt dran.

Liebe Hackerinnen, liebe Internetsurfer, herzlich willkommen hier bei…

Das hier ist Batocera-Linux: Man kann hier so zwischen den einzelnen Systemen umschalten, sucht sich dann ein Spiel aus und zack, wird es gestartet – und wenn ich das hier auf meinem Xbox-One-Controller drücke, komme ich wieder ins Hauptmenü. Und alles läuft komplett ohne Installation von USB-Stick. Ganz schön nett, oder? Man braucht dafür keinen dicken Rechner: Alle 8-Bit und 16-Bit-Konsolen und auch die Playstation 1 und Arcade-Autoren, also ungefähr alles bis 1996 läuft auf jeder Kartoffel, also auch auf alten Notebooks, oder ThinClients und sogar Raspis – und dann für Nintendo 64, Dreamcast und PSP braucht man ein bisschen mehr Power. Und nur für sowas wie PS2, PS3 und Wii U muss man dann einen einigermaßen leistungsfähigen Spielerechner haben.

So, aber erstmal ganz kurz, was das überhaupt ist: Batocera ist eine Linux-Distribution und benannt ist die nach einer Käferart. Einfach weil einer der Gründer des Projekts ein begeisterter Insektenkundler ist – und das Lieblingsinsekts seines Sohns der Batocera. Ist doch ganz charmant.

ACHTUNG JETZT KURZER THEORIE-EINSCHUB!

Was Batocera Linux macht, das machen auch andere Projekte, zum Beispiel RetroPie, Lakka oder Recalbox – nämlich ein Linux um die beiden Open-Source-Projekte EmulationStation und RetroArch drumrumzustricken. EmulationStation ist dieses Menü hier, also das, wo man die Systeme und die einzelnen Spiele auswählt. Und RetroArch ist dieses Menü hier, also wo man beispielsweise Spielzustände abspeichern kann oder sogar zurückspulen. Und dieses RetroArch, das ist ganz wichtig: Weil EmulationStation kann auch einfach beliebige einzelne, unabhängige Emulatoren starten. ABER: Dann hat man halt bei jedem Emulator einige eigene Konfiguration und eine eigene Bedienoberfläche. RetroArch vereinheitlicht das alles, das heißt, RetroArch integriert dutzende Emulatoren unter einer einheitlichen Oberfläche. Die Schnittstelle, über die RetroArch mit den Emulatoren spricht, heißt übrigens Libretro, falls euch das mal über den Weg läuft.

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So, um Batocera auf nen USB-Stick zu kriegen, geht ihr auf batocera.org, klickt auf „get batocera.linux und dann auf euer gewünschtes System. Für die meisten Leute ist vermutlich "Desktop" die korrekte Version, aber es gibt das auch Versionen für Steamdeck, etliche anderen Handhelds und Einplatinencomputer. Tja, und wenn ihr das dann runtergeladen habt, schmeißt ihr das bootfähig auf einen USB-Datenträger, indem ihr zum Beispiel mit BalenaEtcher, das gibt es für Windows, Linux, macOS benutzt. Einfach hier die Datei auswählen, dann das Ziellaufwerk und dann Flash. Balena spuckt manchmal Fehlermeldungen aus, darüber nicht wundern, sehr wahrscheinlich ist das falscher Alarm. Wenn das Ganze fertig ist, steckt ihr den USB-Datenträger in das Gerät, auf dem ihr Batocera nutzen wollt. Bei PCs müsst ihr vorher wahrscheinlich einmal ins BIOS gehen und da dann bei der Bootreihenfolge den USB-Datenträger an die erste Stelle packen. Speichern und neustarten.

Ja und so sieht Batocera aus, wenn man das erste Mal bootet. Mit so einem nicen Intro, tja, und dann sind ein paar unkommerzielle Spiele vorinstalliert. Ziemlich beeindruckend zum Beispiel das C64-Spiel „Fix it Felix Jr. 64“. Auch vorinstalliert ist der Open-Source-Port des 1989er-Klassikers Prince of Persia. Hach, so schöne Animationen.

Achso, um das Ganze zu steuern, müsst ihr einfach einen Gamecontroller anschließen, zum Beispiel über USB oder auch über Bluetooth. Für Bluetooth müsst ihr den Controller in den Pairing-Modus schalten (geht meist über eine bestimmte Tastenkombination) und dann hier im Menü auf "Controller & Bluetooth Settings". Unter "Updates & Downloads" könnt ihr dann noch etliche andere Spiele herunterladen, das ist aber alles Freeware – also keine kommerziellen Titel.

Dafür kommen wir jetzt in den rechtlichen Graubereich. Denn für viele Systeme braucht ihr Systemdaten, also BIOS-Files. Da sind häufig die Copyrights unklar, weshalb Batocera die nicht mit ausliefert. Ihr könnt die aber zum Beispiel auf Github runterladen, sucht einfach mal nach „batocera bios github“.

Tja, und um kommerzielle Spiele zu spielen, braucht ihr die ROMs beziehungsweise Disk-Images der Titel. Bei diskbasierten Systemen wie den Playstations könnt ihr euch die einfach selbst mit einem Disklaufwerk am Rechner rippen, bei modulbasierten Systemen braucht ihr ein Lesegerät dafür, zum Beispiel den Retrode 2. Habt ihr euch die ROMs von Spielen, die ihr besitzt, selbst gerippt – dann ist das 100% legal, was ihr da tut. Eine andere legale Möglichkeit an ROMs zu kommen, sind kommerzielle Spielesammlungen wie hier Sega Mega Drive Classics auf Steam. In diesem Video hier habe ich noch ein paar weitere Quellen für legale ROMs vorgestellt.

So, ihr habt jetzt also irgendwoher ein paar ROMs besorgt, von Spielen, die ihr spielen wollt. Und wie kriegt ihr die jetzt auf euren Batocera-Stick? Ja, ganz einfach, zum Beispiel über einen zweiten USB-Datenträger. Dafür müsst ihr allerdings kurz mal Maus und Tastatur anschließen. Habt ihr das, drückt ihr im Batocera-Menü die „F1“-Taste auf einer angeschlossenen Tastatur und dann kommt ihr in diesen Filemanager. Dann klickt ihr am besten unter "View" auf "Dual-Pane-Mode", dann habt ihr so eine zweigeteilte Ansicht. Hier links habe ich meinen USB-Stick mit meinen Megadrive-ROMs platziert und hier rechts gehe ich auf das "Share"-Verzeichnis meiner Batocera-Installation. Unter ROMs sind dann die ROMs aller emulierten Systeme. Die Namen sind selbsterklärend: C64 ist natürlich C64 und Megadrive ist Megadrive. Ja, und hier kopiere ich dann alle ROMs vom USB-Stick in das Verzeichnis hier. Raus komme ich einfach mit "File" / "Close Window".

Eleganter finde ich allerdings, die ROMs übers Netzwerk zu kopieren. Dafür muss euer Batocera-Rechner natürlich im Netzwerk sein. Für WLAN müsst ihr Start auf dem Gamecontroller drücken, dann Network wählen und hier unten WLAN auswählen und WLAN-Passwort eingeben. Seid ihr verbunden, seht ihr hier oben eure IP-Adresse. Sooooo und darauf könnt ihr dann über Samba über einen Rechner in eurem Netzwerk zugreifen. Auf einem Windows-PC drückt ihr dafür einfach die Windows-Taste, gebt zweimal Backslash ein und dann die IP-Adresse. Zack, seid ihr im Share-Ordner eures Batocera-USB-Sticks. Und da könnt ihr dann fröhlich ROMs reinkopieren.

Direkt nach dem Kopieren seht ihr die Sachen noch nicht im Hauptmenü, dafür müsst ihr einmal Start auf dem Controller drücken, dann „Game Settings“ und dann "Update Gamelists". Dann tauchen hier im Megadrive-Menü meine gerade hinkopierten Spiele auf.

Schön aussehen tut das aber noch nicht, weil das im Moment nur die Dateinamen sind, ohne Bilder und Vorschauvideos. Diese holt ihr euch mit dem sogenannten Scraper. So, und dafür drückt ihr Start, geht auf "Scraper" und da könnt ihr dann unterschiedlichen Scraper auswählen, voreingestellt ist Screenscraper. Dafür braucht ihr allerdings einen Account, den könnt ihr auf screenscraper.fr anlegen. Den gebt ihr dann hier an. Dann könnt ihr noch auswählen, was ihr alles Runtergeladen haben wollt, ich mache immer ganz gerne "Video" mit an, weil ich das cool finde mit den Videovorschauen. Und dann einfach auf "Scrape now". So, "Scraping finished", jetzt müsst ihr nochmal die Gamelists updaten und jetzt habt ihr statt nur der Dateinamen die richtigen Namen der Spiele und hier habt Screenshots, Videovorschauen und Erklärtexte.

Wenn ihr wollt, dass das alles noch schöner aussieht, könnt ihr unter "Updates & Downloads" noch Themes herunterladen. Ich nehme jetzt hier zum Beispiel mal "Artflix" und dann geht ihr auf "User Interface Settings" und dann könnt ihr hier oben mit rechts und links umschalten. Das sieht doch alles schon ganz nett aus.

So, und jetzt kann Emulation ein paar coole Sachen, die auf der Originalhardware nicht gingen. Dafür startet ihr ein Spiel, drückt den sogenannten Hotkey-Button, das ist zum Beispiel bei Xbox-Controllern das Xbox-Logo und dann gleichzeitig A.

Ihr könnt in diesem Menü zum Beispiel den Spielstand speichern mit "Save State" und Laden mit "Load State". Schneller geht das direkt aus dem Spiel mit Hotkey-X speichern und Hotkey-Y laden.

Was auch cool ist: Zurück- und vorspulen. Dafür müsst ihr unten in diesem Menü zuerst mal "Rewind support" auf "on" schalten. Und dann geht ihr mit Hotkey-A wieder raus aus dem Menü und könnt mit Hotkey-Steuerkreuz links zurück- und mit Steuerkreuz rechts vorspulen. Das ist sehr praktisch für ewig lange Cutscenes.

Was ich aber noch abgefahrener finde, sind die automatischen Übersetzungen, zum Beispiel von japanischen Spielen. Die könnt ihr einfach aktivieren, wenn ihr im Hauptmenü auf Start drückt, dann "Game Settings", dann "AI Game Translation", das dann einfach anschalten, dann die Zielsprache zum Beispiel auf Deutsch stellen und dann könnt ihr in Spielen mit Hotkey-R1 drücken und dann werden die Texte auf dem Bildschirm übersetzt.

Mein persönliches Lieblingsfeature sind aber die Retro-Achievements: Damit kriegen auch alte Spiele Achievements, die ihr freischalten könnt. Auch dafür müsst ihr euch bei retroachievements.org einmal registrieren und dann mit Start / "Game Settings" / "Retro Achievement Settings" dann einmal aktivieren und Username und Passwort eingeben, rausgehen und dann habt ihr Achievements. Wenn ihr jetzt zum Beispiel Ecco the Dolphin startet, dann poppt hier das Achievement-Menü auf. Um die Achievements alle gesammelt zu sehen, geht ihr ins Hauptmenü von Batocera, drückt Start und dann "Retroachievements". Da gibts dann alle virtuellen Medaillen zu bewundern.

Ist doch cool, dieses Batocera? Vor allem kann man die Installation so richtig schön hegen und pflegen und kuratieren und optimieren – so dass es irgendwann richtig schön aussieht und alle persönlichen Lieblingsspiele drin sind. Ehrlich gesagt macht mir das fast mehr Spaß als das Spielen selbst. Obwohl ich jetzt doch Lust hab auf ne Runde Space Taxi. Das war nämlich das erste Computerspiel, was ich je gespielt habe und deshalb hat es sich bei mir auch als bestes Spiel der Welt ins Gehirn gebrannt. Oder gibt es etwa noch bessere Spiele? Tschüss!


c't 3003 ist der YouTube-Channel von c't. Die Videos auf c’t 3003 sind eigenständige Inhalte und unabhängig von den Artikeln im c’t magazin. Redakteur Jan-Keno Janssen und die Video-Producer Şahin Erengil und Pascal Schewe veröffentlichen jede Woche ein Video.

(jkj)