Cebit

Durchs wilde Webistan

Webciety ist das Schlagwort, mit dem die CeBIT die Generation Web 2.0 in ihre Hallen locken will. Dafür hat sich die Messe ein aus der Blogosphäre bekanntes Gesicht zu Hilfe geholt: Sascha Lobo soll das Netz an die CeBIT heranführen.

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Folgen Sie der Frisur. Wenn Sascha Lobo auf der CeBIT in Hannover durch die Webciety führt, weist sein markanter Haarschnitt den Weg. Der mutmaßlich frisch gestutzte Iro sorgt auf so einer geschäftigen Veranstaltung wie der größten Computermesse der Welt immer noch für einiges Aufsehen. Lobo macht das nichts aus. "Ich mag das Gefühl ja, wenn alle einen anstarren", verrät er den brav hinterher trottenden Journalisten.

Webciety ist ein Kunstwort, für das sich die Messe zunächst einigen Spott anhören musste. Der Begriff soll das Zusammenwachsen der bisher weitgehend getrennten Sphären der Mainstream-Gesellschaft und des Internets beschreiben. Das Netz – insbesondere das programmatisch getaufte Social Web – erfüllt zunehmend wichtige soziale Funktionen und ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen. "Man kann der Messe nur gratulieren, dieses Kunstwort erfunden zu haben", lobte Bitkom-Präsident August-Wilhelm Scheer.

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Der Gastgeber

Sascha Lobo lädt zum Bummel durch die Webciety-Area ein. (Bild: Messe AG)

Auf die Idee, das Web 2.0 verstärkt auf die CeBIT zu holen, ist die Messe AG auf Reisen durchs Silicon Valley gekommen, erklärte am Vortag Messe-Chef Ernst Raue. Während der Besuche bei Unternehmen wie Facebook oder Google sei der Gedanke gereift. Geschäftsprozesse – und um Geschäfte geht es schließlich bei einer Messe – ändern sich, wandern ins Netz, erklärt Raue. "Ich denke, das Thema ist genau richtig gewählt."

Doch gerade Unternehmen wie Facebook, Google oder auch StudiVZ lassen sich auf der CeBIT nicht blicken – noch, hofft die Messegesellschaft. "Wir sind im Gespräch", verspricht der Messe-Chef. Doch sei so eine klassische IT-Messe ungewohntes Terrain für die Generation Netzwirtschaft. "Das ist eine fremde Welt für die", stellt Raue nüchtern fest.

Der Wirtschaftsnachwuchs aus dem Netz soll langsam "an die CeBIT herangeführt" werden, wie Lobo es formuliert. Der Mann mit dem roten Irokesen ist so etwas wie die Gallionsfigur einer Bewegung, die sich auf der Messe nun endlich auch als geschäftstauglich beweisen will. "Weil man es im Internet noch nicht ganz so häufig antrifft, dass tatsächlich Geld verdient wird", räumt Lobo ein.

Weil das so ist, muss man originäre Internet-Startups auf dem in sechseckigen Waben angelegten Stand (Halle 6, Stand G 60), den Raue die "Webciety-Area" nennt, mit der Lupe suchen. T-Systems zeigt ein Informationssystem für die Hotellerie auf Basis von Microsofts Touch-Tisch "Surface" und der CMS-Spezialist Coremedia verknüpft Content Management mit sozialen Netzwerken wie Xing oder StudiVZ.

Auf dem Webciety-Stand stehen die Zeichen klar auf Vermarktung. Lobos eigenes Blognetzwerk Adnation ist ebenso vertreten wie der Vermarkter Zanox. Der New-Economy-Veteran I-D Media aus Berlin zeigt ein auf das Web 2.0 spezialisiertes Screeningverfahren, das "globale, unverzerrte Trends" über Produkte, Kunden oder Konkurrenten verspricht. Mit Streaming und IPTV sind andere Aussteller in der "Webciety Area" beschäftigt.

Die 14 Quadratmeter kleinen Waben der Aussteller – die Form soll das Netz mit seinen vielfältigen Verknüpfungspunkten symbolisieren – sind um eine Bühne gruppiert, auf der im Stundentakt zum Teil interessant besetzte 31430:Panels über Trends im Netz diskutieren. Kommentiert wird die Vorstellung im Netz zum Beispiel direkt bei Twitter (#webciety09). Dass man sich dort bessere Moderatoren wünschte, während Sascha Lobo ein nicht ganz geglücktes "Kamingespräch" mit Intel-Chef Craig Barrett führte, war wohl ein Zufall.

Die neue Offenheit der CeBIT für Web 2.0 hängt vielleicht auch damit zusammen, dass die allgegenwärtige Wirtschaftskrise der größten Computermesse der Welt zusetzt und deutlich weniger Aussteller nach Hannover gekommen sind als noch im vergangenen Jahr. Das Netz bietet nicht nur neue Geschäftsfelder, sondern auch potenzielle Aussteller. Bis die Generation Web 2.0 große Flächen anmieten kann, dürften noch ein paar Jahre vergehen.

Die Messe will ihnen bis dahin unter dem Banner Webciety einen Platz anbieten. Lobo ist mit dem ersten Messetag zufrieden. "Hier ist es voller als an einigen anderen Ständen", stellt er fest. Nächstes Jahr soll es weitergehen mit der Webciety auf der CeBIT. Falls Lobo dann nicht kann, hat sich heute eine andere Frisuren-Ikone der Technikgemeinde in Erinnerung gebracht: Im Journalistentross hinter Lobo wurde Ossi Urchs gesichtet, nicht mehr amtierender "Minister of Tomorrow". (vbr)