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ChatGPT: "ChatGPT sollte keine Reden fürs EU-Parlament schreiben"

Ein SPD-Politiker behauptet, im EU-Parlament die erste Rede gehalten zu haben, die von einer KI verfasst wurde. ChatGPT selbst sieht das kritisch.

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Tiemo Wölken beziehungsweise ChatGPT spricht vorm Europaparlament.

(Bild: EU-Parlament)

Lesezeit: 3 Min.

Tiemo Wölken, Abgeordneter der SPD im Europaparlament, hat dieser Tage dort eine Rede vorgetragen, die die Künstliche Intelligenz von ChatGPT verfasst haben soll. Er bezeichnet sie auf Twitter als "historisch", es sei die erste Rede im EU-Parlament, die von einer KI verfasst worden sei. Konkretisieren wir an dieser Stelle der Form halber: Wölken ist der erste EU-Parlamentarier, der eingesteht, eine von einer KI verfasste Rede gehalten zu haben.

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Das Internet ist voll von heißen IT-News und abgestandenem Pr0n. Dazwischen finden sich auch immer wieder Perlen, die zu schade sind für /dev/null.

In Wölkens Rede ging es um die Regulierung politischer Werbung. "Wir müssen uns im Klaren darüber sein, dass eine Regulierung politischer Werbung nicht jede politische Äußerung regulieren soll. Freie politische Meinungsäußerung ist ein wichtiger Teil unserer Demokratie." Und so weiter. Was auch immer Wölken beziehungsweise ChatGPT mit der Rede bezweckte, am Ende der Debatte beschloss das EU-Parlament schärfere Regeln für politische Werbung.

Wölken ging es aber nach seinen Worten um etwas anderes. Er will darauf hinweisen, "welche Gefahren von unregulierten KI-Systemen für unsere Gesellschaft ausgehen". Da kaum zu merken sei, dass seine Rede von einer KI geschrieben wurde, sei es problematisch. ChatGPT und andere KI-Modelle seien abhängig von Datensätzen, die fehlerbehaftet oder mit Vorurteilen belastet sein könnten. Daher arbeite das EU-Parlament am Artificial Intelligence Act (AI Act), das nach dem derzeitigen Stand aber von der Realität überholt werden könnte.

Ein ernstzunehmendes Anliegen, weshalb dieses WTF nicht von ChatGPT geschrieben wurde. Denn ChatGPT selbst antwortete auf die Frage, ob Journalismus mit KI möglich sei, folgendermaßen: "Ja, Journalismus mit künstlicher Intelligenz (KI) ist möglich. KI kann bei verschiedenen Aspekten des journalistischen Prozesses eingesetzt werden, wie z.B. bei der Datenanalyse, Überwachung von Social-Media-Plattformen, Übersetzung von Artikeln und automatisierter Berichterstattung." Wichtig sei aber zu beachten, "dass KI-gestützter Journalismus ethische Überlegungen erfordert und nicht als Ersatz für menschliche Journalisten verwendet werden sollte. Eine kritische Überprüfung und redaktionelle Kontrolle durch menschliche Journalisten bleibt unerlässlich, um sicherzustellen, dass die generierten Inhalte journalistische Integrität und Verantwortung wahren". Dazu gehört zum Beispiel, einen Nachrichtenkern in einen größeren Kontext zu stellen, sei hier von einer menschlichen Warte aus ergänzt.

Und hätte Wölken ChatGPT dazu befragt, ob KI Reden fürs Europaparlament schreiben sollte, hätte er zur Antwort bekommen: "Es ist nicht empfehlenswert, dass Reden für das Europaparlament von einem KI-Modell wie ChatGPT geschrieben werden. Obwohl KI in der Lage sein kann, Texte auf der Grundlage ihrer trainierten Daten zu generieren, sind Reden für das Europaparlament häufig politischer und emotionaler Natur und erfordern ein tieferes Verständnis von Kontext, Bedeutung und Absicht. Eine solche Rede sollte daher von einer realen Person geschrieben werden, die über die erforderlichen politischen Kenntnisse, Fähigkeiten und Einsichten verfügt, um eine überzeugende und wirkungsvolle Rede zu verfassen." Wenn also, wie Wölken meint, keiner gemerkt hat, dass seine Rede von einer KI geschrieben wurde, spricht das nun für oder gegen die Qualitäten von KI? Für oder gegen Wölken oder die EU-Parlamentarier?

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(anw)